Mit Pfeil und Bogen gegen Boko Haram
5. Dezember 2014"Wir können uns nahezu unsichtbar machen. Und dann verwickeln wir sie in einen Nahkampf, von Angesicht zu Angesicht", berichtet Yusuf der DW. Er ist Jäger und lebt im Bundesstaat Adamawa. Yusuf ist nicht sein wirklicher Name, er will unerkannt bleiben. Yusuf kämpft gegen Boko Haram. "Unsere Gebete schützen uns vor den Angriffen ihrer Gewehre. Soldaten haben nur ihre Waffen. Wir haben andere Mittel, Boko Haram in einen Hinterhalt zu locken", erzählt Yusuf weiter. Er und seine Gefährten kennen die Umgebung, sie wissen, wo sie sich verstecken können, ohne von den Boko-Haram-Kämpfern gesehen zu werden - um sie dann anzugreifen. So hätten sie die Terrorgruppe aus der Stadt Mubi vertrieben, sagt Yusuf.
Üblicherweise jagt Yusuf Wildtiere im Busch. Doch angesichts der Angriffe von Boko Haram entschied er sich freiwillig für den Guerilla-Kampf gegen den so mächtigen Gegner. Er habe spezielle Kleidung, die ihn schütze, sagt Yusuf. "Ein echter Jäger trägt Amulette. Sie nehmen einem die Angst. Auch tragen wir spezielle Gewänder, die extra für Jäger auf traditionelle Weise gewebt werden." Mit dem Selbstverständnis, nur Gott entscheide über Leben und Tod im Kampf, ziehen Yusuf und seine Gefährten in den Krieg.
Die Bürgerwehren stärker als die Armee?
"Diese Bürgerwehren rekrutieren sich aus allen Bereichen der Bevölkerung", erklärt Hilary Matfess, Politologin an der School of Advanced International Studies der Johns Hopkins Universität (SAIS) in Washington. "Es ist eine spontane Reaktion der einheimischen Bevölkerung auf das Versagen der Polizei und des Militärs, um die Ordnung aufrecht zu erhalten."
Die nigerianischen Sicherheitskräfte versuchen unterdessen mit Großeinsätzen, dem Terror von Boko Haram Herr zu werden. Nigerianischen Medien zufolge sind 20 Prozent des aktuellen Staatshaushalts für Verteidigung bestimmt. Allerdings komme das Geld vielfach nicht an den vorgesehenen Stellen an, beklagen viele Soldaten. Die Armee werde im Kampf gegen Boko Haram oftmals "entweder militärisch überwältigt, oder sie flieht", sagt Matfess. "Und die Polizei raubt die Bevölkerung bei ihren Einsätzen oft eher aus, als dass sie stabilisierend wirkt. Die Entstehung dieser Bürgerwehren ist also auch eine Reaktion auf das Versagen der Sicherheitskräfte."
Doch kann eine Bürgerwehr mit einfachen Jagdwaffen erfolgreicher bei der Bekämpfung einer Terrorgruppe sein, als eine ganze Armee? Um das zu verstehen müsse man sich den Sicherheitsapparat Nigerias genauer anschauen, meint Matfess. "Das Militär ist nicht sehr gut ausgebildet und auch nicht gut finanziert. Die Polizei ist Nigerias größter Arbeitgeber. Neueste Schätzungen gehen von 400.000 Polizeikräften aus. Es ist schwierig, einen Apparat dieser Größe vernünftig auszubilden und auszurüsten."
Mit Bajonett und Jagdgewehr
Die Armee kämpfe immerhin mit modernen Waffen, sagt ein anderer Jäger aus Mubi. "Wir nutzen Jagdgewehre von unseren lokalen Schmieden. Manche sind mit Bajonetten versehen." Nigerianische Tageszeitungen zeigen Bilder von Jägern, die auch mit Pfeil und Bogen ihre Dörfer vor den Angriffen der Terroristen schützen. Das sei durchaus eine wirksame Taktik, sagt der Jäger: "Die Tiere, die wir für gewöhnlich töten, sind ja auch viel stärker als wir selbst."
Er sei sehr froh über die Initiative der Jäger, sagt Idris Abdullahi, ein Einwohner der Stadt Gombi im Bundesstaat Adamawa. "Von Anfang an haben sie den Kampf gegen Boko Haram unterstützt. Sie wissen, wer in ihren Dörfern Boko Haram angehört." Das Militär hält Abdullahi noch immer für wichtig, aber: "Um wirklich erfolgreich zu sein, vor allem in den Wäldern, haben die Bürgerwehren und Jäger einfach die bessere Ortskenntnis. Sie kennen hier jeden Winkel."
Bei Armee und Regierung sind die zivilen Kämpfer äußerst willkommen. Denn sie schaffen, wozu die Armee bisweilen nicht in der Lage ist: Bürgerwehren haben bereits die Städte Mubi, Hong, Gombi und Maiha - alle im Bundesstaat Adamawa - aus den Händen von Boko Haram befreit. Von Militär und der Regierung fühlen sich die Menschen angesichts der Vorstöße von Boko Haram zunehmend im Stich gelassen. Den lokalen Jägern hingegen vertrauen sie. "Sie sollten mehr Unterstützung bekommen, ob nun von der Regierung oder anderen wohlhabenden Leuten", sagt Bilkisu Aliyu Adam, Einwohnerin der Stadt Gombi. Wer in den Kampf zieht, hat kaum Zeit und Mittel, seine Familie zu versorgen. "Ich finde, man sollte sie finanziell unterstützen."