Sewing neuer Chef der Deutschen Bank
8. April 2018Der neue Chef der Deutschen Bank, Christian Sewing, hat seine Mitarbeiter auf schwere Zeiten eingeschworen. "Mit Blick auf die Erträge müssen wir unsere Jägermentalität zurückgewinnen, uns in allen Geschäftsbereichen steigern und die Messlatte wieder höher legen", schrieb er in einer Nachricht an seine Mitarbeiter, die am Montag veröffentlicht wurde. "Es gibt nichts, worauf wir uns ausruhen können", heißt es in der Mitteilung weiter. Sewing will die Aufstellung der Investmentbank genau unter die Lupe nehmen und hart durchgreifen. "Wir werden deshalb genau analysieren, wie wir uns in dem schwierigen Marktumfeld aufstellen wollen." Das Institut wolle sich in bestimmten Bereichen verstärken, sich aber aus Geschäftsfeldern zurückziehen, in denen nicht ausreichend rentabel gearbeitet werden könne.
Der Aufsichtsrat war überraschend und kurzfristig für Sonntagabend zusammengerufen worden. Zuvor hatte sich der sogenannte Nominierungsausschuss des Kontrollgremiums auf Christian Sewing festgelegt. Aufsichtsratschef Paul Achleitner hatte in den vergangenen Wochen schon Ausschau nach Nachfolgern für den glücklosen John Cryan gesucht, sich bei etlichen Kandidaten im Ausland jedoch Absagen eingeholt.
"Christian Sewing hat in seinen mehr als 25 Jahren bei der Deutschen Bank konstant bewiesen, dass er
führungsstark ist und eine große Durchsetzungskraft hat", erklärte Achleitner nach der mehrstündigen Sitzung des Kontrollgremiums. Zu Sewings Stellvertretern wurden der Rechts- und Personalvorstand Karl von Rohr und Garth Ritchie, bislang Co-Chef und künftig alleiniger Leiter der Investment- und Firmenkundenbank, benannt.
An der Börse kam die Personalentscheidung gut an. Deutsche Bank-Aktien zogen im Vormittagshandel um über 3,5 Prozent an und näherten sich der 12-Euro-Marke. Am Ende gingen die Papiere mit einem Plus von 1,2 Prozent und einem Kurs von 11,48 Euro aus dem Handel.
Sewing ist seit Anfang 2015 im Vorstand der Bank und dort zuständig für das Privat- und Firmenkundengeschäft. Im vergangenen Jahr war er zusammen mit Marcus Schenck zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Bank berufen worden. Bisher hatte es jedoch immer geheißen, das Duo Sewing und Schenck sei noch nicht "reif" genug, jetzt an die Spitze des Geldhauses zu treten, das seit Jahren mit heftigen Problemen zu kämpfen hat. Dieser Meinung waren vor allem einige Großaktionäre.
Nun also soll es Sewing allein richten, denn Schenck will die Bank zur Hauptversammlung Ende Mai verlassen. Schenck, der im Vorstand gemeinsam mit Ritchie für das Investmentbanking zuständig war, hatte sich gegen einen Rückbau der Sparte ausgesprochen, die der amtierende Vorstandschef John Cryan wohl anstrebt. Der hatte das Projekt namens "Colombo" aufgesetzt, das nach Einsparungsmöglichkeiten in dieser Sparte sucht.
Kein Verzicht auf das Investmentbanking
Sewing ist seit langem der erste Manager aus dem Privatkundengeschäft, der das Geldhaus von der Pike auf kennt. 1989 hatte er vor seinem Studium eine Lehre als Bankkaufmann bei der Deutschen Bank in Bielefeld absolviert. Der gebürtige Westfale, der während der Woche in Frankfurt lebt, aber am Wochenende mit seiner Familie in Osnabrück, hat sich langsam hochgearbeitet. Er hat sich auch auf Auslandsstationen in Singapur, Toronto, Tokio und London behauptet. Bis auf zwei Jahre bei der Deutschen Genossenschafts-Hypothekenbank verbrachte er sein gesamtes Berufsleben bei der Deutschen Bank. Er arbeitete auch im Risikomanagement, deshalb ist ihm das Investmentbank-Geschäft vertraut. Seine Berufung dürfte aber eine wieder stärkere Hinwendung zum Privat- und Firmenkundengeschäft bedeuten. Denn das ist die solide Säule der Bank, die nicht so viel Eigenkapital benötigt wie das Investmentbanking. Das sorgt zwar immer noch für einen großen Teil der Erträge, aber hat der Bank seit der Finanzkrise der Bank große Verluste und die Milliardenstrafen wegen der Rechtsstreitigkeiten beschert.
Ganz auf das Investmentbankgeschäft verzichten wird die Bank wohl nicht. "Nur auf einen Bereich zu setzen geht nicht, denn dann würde man die spezifische Kompetenz der Deutschen Bank vernachlässigen: Die ist in der deutschen und europäischen Wirtschaft verankert ist und gleichzeitig Fenster zum internationalen Kapitalmarkt", erklärt Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim. Allerdings ist die Bank weltweit im Vergleich zu den angelsächsischen Investmentbanken weit abgeschlagen.
John Cryan fehlte das Quentchen Glück - und mehr
Die Bank benötige einen Chef, der die inneren Streitigkeiten befrieden, aber auch durchgreifen könne, war im Vorfeld zu hören. Dass Sewing durchgreifen kann, beweist er gerade bei der Neuaufstellung des Privat- und Firmenkundengeschäfts. Seine große Aufgabe ist die Re-Integration der Postbank zusammen mit deren Chef Frank Strauß. Denn da gehe es nicht ohne Stellenabbau, hat Sewing schon klargestellt. 9000 Stellen sollen dabei wegfallen werden, davon 4000 in Deutschland. An diesen Zahlen halte man fest, wolle aber die Details noch mit den Arbeitnehmervertretern klären, hatte Sewing bei der Bilanzvorlage Anfang Februar erklärt.
Der amtierende Vorstandschef John Cryan hatte sich vor Ostern noch kämpferisch gegeben und deutlich gemacht, dass er seine Aufgabe als noch nicht erfüllt sehe. Doch war ihm am Ende kein Glück beschert. Drei Jahre hintereinander musste er Verluste verkünden. Dabei hatte er, als er Mitte Juli 2015 den damaligen Co-Vorstandsvorsitzenden Anshu Jain ablöste, die Bank wieder auf Kurs bringen sollen. Cryan, der wegen seiner Zeit als Finanzchef der schweizerischen Großbank UBS als harter Sanierer gilt, gelang es immerhin, die größten Rechtsstreitigkeiten der Bank beizulegen. Das aber kostete Milliarden an Geldstrafen. Im Oktober 2016 brachte dies die Bank an den Rand des Abgrunds, Cryan schaffte es aber, die drohende Strafe in den USA herunterzuhandeln. Er stärkte die Bank mit einer milliardenschweren Kapitalerhöhung. Außerdem holte er die Postbank in den Konzern zurück, weil die sich nicht zum erhofften Preis verkaufen ließ. Schließlich brachte er vor Ostern einen Teil der Vermögensverwaltungstochter DWS an die Börse.
Allerdings hat die Bank mit ihrem Verhalten während der Finanzkrise viel Vertrauen bei ihren Kunden verspielt. Die Lage an den Finanzmärkten spielte der größten deutschen Bank nicht in die Hände. Ihre Erträge vor allem im Devisen- und Anleihehandel schrumpften stark. Und schließlich verhagelte für 2017 die Steuerreform in den USA der Bank die Bilanz. Schon seit längerem galt das Verhältnis zwischen Aufsichtsratschef Paul Achleitner und Cryan als zerrüttet. Deutlich wurde das etwa, als Cryan sich zunächst weigerte, mit dem neuen Großaktionär der Bank, der chinesischen HNA-Gruppe, zusammenzutreffen. Auch Großaktionär Katar wurde unruhig und verlangte nach einem Kurswechsel. Cryan schaffte es zudem nicht, die Diskussionen um die Strategie innerhalb der Bank zu beenden. Der starke Kursrutsch der Aktie in den letzten Wochen hatte gezeigt, dass auch die Anleger ungeduldig wurden. Vor dem neuen Chef liegt also eine gewaltige Herausforderung.