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PolitikAsien

Neue Runde im iranischen Atompoker

10. Juli 2021

Das Spiel geht weiter: Iran will mit erneuten Verstößen gegen den Atomdeal Zugeständnisse der USA bewirken. Ausgang offen.

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Österreich | Internationale Atomenergie-Organisation | Iran Atomstreit
Am Sitz der IAEA in Wien Bild: Alex Halada/AFP/Getty Images

Ernüchterung in Europa: "Ernste Sorgen" haben die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens anlässlich der jüngsten Entwicklung der iranischen Atompolitik geäußert. Damit reagierten die drei Politiker auf einen Bericht   der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien, wonach Teheran am Dienstag dieser Woche angekündigt hatte, Uran mit einem Anreicherungsgrad von 20 Prozent zu verwenden, um daraus Uranmetall herzustellen.

Irans diesbezügliche Forschung und Produktion seien "ein wesentlicher Schritt in der Entwicklung einer Atomwaffe" und ein "schwerwiegender Verstoß" gegen die Atomvereinbarung von 2015. Damit gefährde das Land die - seit Ende Juni ruhenden - Wiener Gespräche zu einer Rückkehr zu jener Vereinbarung, dem sogenannten "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPoA).

"Iran will Verhandlungsmasse aufbauen"

Zwar hatte der Iran erklärt, das Material ausschließlich als Brennstoff für einen Forschungsreaktor einsetzen zu wollen. Im 2015 unterzeichneten Atomabkommen hatte Teheran sich allerdings dazu verpflichtet, den entsprechenden Brennstoff aus dem Ausland zu importieren anstatt das - auch zu militärischen Zwecken nutzbare - Uranmetall selbst herzustellen.

Irans Atomanlage in in Isfahan
Satellitenbild der Atomanlage bei Isfahan, wo laut iranischer Mitteilung angereichertes Uranmetall hergestellt werden soll. Bild: Maxar Technologies/​REUTERS

Der Entschluss Irans, angereichertes Uranmetall herzustellen, sei ein weiterer klarer und schwerwiegender Verstoß gegen die Atomvereinbarung, sagt der Politologe Oliver Meier vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH). Die scharfen Reaktionen der europäischen Verhandlungspartner, aber auch Russlands, zeigten, dass die Gespräche am seidenen Faden hingen. "Iran will durch die Verstöße vermutlich weiter Verhandlungsmasse aufbauen und die Europäer unter Druck setzen. Aber diese Strategie könnte sich als kontraproduktiv erweisen, wenn nicht bald eine Einigung erzielt wird", so Meier im DW-Interview.

Iranisches Versteckspiel

Hinter dem iranischen Vorstoß stecke eine Strategie, sagt auch der Politikwissenschaftler Mohammadbagher Forough vom Hamburger GIGA-Institut. Der Iran wolle die Atomverhandlungen stärker auf die internationale Agenda setzen. US-Präsident Biden habe das Land bislang nicht sonderlich beachtet, während des weiter unter den Sanktionen leidet. "Diesen Zustand will der Iran nicht länger hinnehmen. Darum lässt er die Auseinandersetzungen nun eskalieren. Tatsächlich geht es ihm darum, Zugeständnisse zu erlangen."

Rafael Mariano Grossi
IAEA-Chef Grossi: Seit langem keine Antwort auf unsere Fragen Bild: Alex Halada/AFP/Getty Images

Verschärft wird die Situation auch dadurch, dass der Iran Anfragen der IAEA über geheimes Atommaterial seit Monaten ohne Antwort lässt, wie der Generaldirektor der Organisation, Rafael Grossi, Anfang der Woche erklärte. Dies erschwere der Organisation die Bestätigung, dass der Iran sein Atomprogramm zu ausschließlich friedlichen Zwecken verfolge. Im Fokus stehen drei Anlagen, in denen Atominspektoren Spuren von nuklearen Stoffen entdeckt haben. Seit Monaten gibt es Grossi zufolge trotz Gesprächen keinerlei Fortschritte.

Was will Irans neuer Präsident?

Die derzeitige Haltung werde sich auch unter dem neuen Präsidenten Ebrahim Raeissi nicht ändern, meint Forough. "Denn der wird von dem Führungsgremium um den geistlichen Führer Chamenei vorgegeben." Einen gewissen Einfluss habe der Präsident zwar auf das Verhältnis des Iran zu seinen direkten Nachbarn. "Aber die globale Ausrichtung, und damit vor allem das Verhältnis zu Europa und den USA, geht über die Befugnisse des iranischen Präsidenten hinaus."

Iran Teheran | Hassan Rohani, Präsident & Ebrahim Raeissi, gewählter neuer Präsident
Von Rohani zu Raeissi (r): Die Auswirkungen des Wechsels im Präsidentenamt auf die Atompolitik ist noch unklarBild: Iranian Presidency/AP Photo/picture alliance

Die Tatsache allerdings, dass sich Raeissi vor der Wahl für eine Wiedereinhaltung der Atomvereinbarung ausgesprochen hat, könnte Erfolgsaussichten in Wien insofern verbessern, als die konservativen Kräfte nun alle wesentlichen Machtpositionen innehaben, ergänzt Oliver Meier.

"Der inner-iranische Disput um den richtigen Kurs bei den Wiener Gesprächen dürfte daher als komplizierender Faktor an Bedeutung verlieren." Zudem könnte der neue Präsident eine Aufhebung der US-Sanktionen auf der Grundlage einer Einigung in Wien als seinen persönlichen Erfolg verbuchen und zur Ankurbelung der Wirtschaft nutzen.

Abbruch der Gespräche unwahrscheinlich ...

Es sei verfrüht, über einen Abbruch der Gespräche nachzudenken, sagt mit Blick auf den neuen Präsidenten auch Mohammadbagher Forough. "Weder in Europa noch in den USA will man den Dialog beenden. Auch der Iran will das nicht." Der Staatsführung in Teheran gehe es vor allem um Planbarkeit: "Man möchte erreichen, dass es nicht noch einmal zu einer einseitigen Aufkündigung des Abkommens kommt wie 2018 durch Trump. Man will die Vereinbarung in Bahnen leiten, die nicht vom Willen eines einzelnen amerikanischen Präsidenten abhängig sind." Aus iranischer Sicht habe Teheran Konzessionen gemacht, die dann nicht honoriert wurden.

Iran Atomabkommen Gespräche | Wien, Österrecih
Delegierte des Iran und der EU vor dem Grand Hotel Wien, Schauplatz der (derzeit pausierenden) Gespräche zur Rettung der internationalen Atomvereinbarung Bild: Lisa Leutner/AP Photo/picture alliance

Umgekehrt haben auch die Europäer mit Blick auf ihr wirtschaftliches Engagement im Iran Interesse an einer Einigung. Nach der Einigung im Jahr 2015 hatten eine Reihe europäischer Unternehmen erste Geschäfte eingeleitet. Viele Indikatoren wiesen auf ein starkes Wachstum der europäisch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen , bis sie durch den Ausstieg der USA und die dann neu erlassenen bzw. wieder in Kraft gesetzten US-Sanktionen gegen den Iran zum Erliegen kamen.

... aber hohe Hürden vor Einigung

Nach Darstellung der europäischen Verhandlungsteilnehmer steht die Lösung der schwierigsten Fragen noch bevor. Seit dem April beraten Unterhändler aus Europa, China, Russland und Iran in Wien über die Wiederbelebung des Atomabkommens von 2015. Involviert sind auch Vertreter der USA, allerdings lehnt der Iran direkte Gespräche mit ihnen ab. Dabei geht es zum einen um die Frage, welche Sanktionen die USA aufzuheben haben und zum anderen darum, welche Teile des Atomprogramms Iran herunterfahren muss, damit beide Länder wieder den Vorgaben des Atomabkommens entsprechen.

Außenminister von Deutschland, Frankreich und Großbritannien | Heiko Maas, Jean-Yves Le Drian und Dominic Raab
"Selbstbewusstere Rolle" der beteiligten EU-Länder (hier die Außenminister Jean-Yves Le Drian, Heiko Maas und Dominic Raab, v.l.n.r.) gefordertBild: Bernd von Jutrczenka/AFP/Getty Images

Dennoch könnten sich die Aussichten für die Gespräche langfristig verdüstern, meint Oliver Meier. Denn die USA wollten das Atomabkommen nur dann wieder einhalten, wenn Iran zustimmt, auch Folgegespräche zum Beispiel über das iranische Raketenprogramm oder Teherans Rolle in der Region  zu führen. "Der neue Präsident scheint weniger bereit, eine solche Weiterung der Gespräche mit dem Westen mitzutragen. Diesen Widerspruch müssen die Verhandlungsführer in Wien auflösen."

Für Europa bedeutet das, dass es selbstbewusster auftreten und seine Interessen stärker vertreten sollte, sagt Mohammadbagher Forough. Dazu gehöre zum einen, einen härteren Kurs gegen den Iran und auch die USA zu fahren, sollten beide Staaten sich Gesprächen verweigern, ebenso aber auch, in Washington für die Aufhebung der Sanktionen zu werben und dem Iran verstärkte Handelsbeziehungen in Aussicht zu stellen, wenn dieser sich an Vereinbarungen halte. "Es braucht eine flexible, stark an einzelnen Sachfragen ausgerichtete Politik."

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika