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Neue Chancen für CCS?

Gero Rueter (mit AFP)4. Dezember 2015

Die Kohlekraft ist Hauptverursacher von CO2. Mit einer Technik zur CO2-Abscheidung wollte man das Problem lösen. Der Erfolg blieb jedoch aus - es gibt bessere Alternativen. Die Technik wird aber dennoch gebraucht.

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BdT Sonnenaufgang im Morgennebel
Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Die Technologie zur CO2-Abscheidung aus den Abgasen von Kraftwerken und die Speicherung von CO2 tief unter der Erde, die sogenannte CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage), wurde von Betreibern der Kohlekraftwerke lange als Instrument zur CO2-Reduktion favorisiert, vor allem auch in Deutschland.

RWE nahm 2009 Deutschlands erste Pilotanlage zur CO2-Abscheidung aus Kohlerauch in Betrieb. Der Energiekonzern verkündete damals, eine Vorreiterrolle bei der CO2-Reduktion im Stromsektor zu übernehmen. 2015, so die Prognose, würde das erste Kohlekraftwerk mit CCS-Technik in Deutschland ans Netz gehen. Das CO2 würde dann tief in die Erde gepresst, und wäre somit nicht mehr klimaschädlich.

Sehr überzeugt von der Technik zeigten sich 2009 auch deutsche Regierungsvertreter. Das ist eine "zukunftsträchtige Energietechnologie", sagte der damalige Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CDU). Mit dieser Technik "werden wir das Klimaschutzland Nummer eins", prophezeite Parteifreund Jürgen Rütgers, damals Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.

CCS-Aus bei neuen Großkraftwerken

2015, sechs Jahre später, ist es sehr still um CCS geworden: Der Betrieb einer Pilotanlage zur Verpressung von CO2 in den Untergrund wurde in Ostdeutschland 2013 eingestellt und alle Energieversorger haben ihre Pläne zur Stromerzeugung mit CCS schon lange komplett aufgegeben. "In Deutschland fehlt die Akzeptanz bei der Mehrheit der Bevölkerung, deswegen wird auch nicht mehr darüber diskutiert", sagte CCS-Experte, Professor Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal-Instituts, im DW-Interview.

Ein Grund für die fehlende Akzeptanz, auch in anderen Ländern, sind die Risiken. Erdbeben können durch Verpressung von CO2 ausgelöst werden, und das Gas könnte langfristig gesehen wieder in die Atmosphäre gelangen. "Bei der Speicherung haben wir noch nicht zu 100 Prozent verstanden, was das CO2 im Untergrund macht. Wir kennen noch nicht die Wanderungsbewegungen des Gases und die chemischen Reaktionen im Untergrund", so Fischedick, der auch Mitautor des Weltklimaberichts (IPCC) ist.

Neue Kohlekraftwerke mit CCS-Technik haben inzwischen keine Zukunft mehr. Dieser Trend wird auch in Großbritannien deutlich: Die konservative Regierung verkündete passend zur Klimakonferenz, dass sie innerhalb der nächsten zehn Jahre alle Kohlekraftwerke in Großbritannien schließt und die zuvor geplante Förderung für die CCS-Technologie in Höhe von 1,4 Milliarden Euro streicht.

Solarpark Templin in Ostdeutschland
Auch Solarkraft ist inzwischen günstig und wurde zur Konkurrenz: Solarpark Templin in OstdeutschlandBild: BELECTRIC.com

Erneuerbare Energien schlagen Kohlekraft mit CCS

Für den Klimaschutz ist CCS nur bedingt geeignet: Die CO2-Abscheidung am Kraftwerk braucht sehr viel Energie und reduziert damit den Wirkungsgrad eines Kraftwerks um circa 30 Prozent. Darüber hinaus kann die Technik nur etwa 90 Prozent der CO2-Abgase abfangen, der Rest gelangt durch den Schornstein weiterhin in die Atmosphäre. Für die erforderliche Dekarbonisierung der Energiewirtschaft reicht die Technik nicht aus.

Ein großes Problem für CCS sind aber auch die Kosten und der fehlende Durchbruch dieser Technologie. Weltweit gibt es nur ein einziges kommerzielles Kraftwerk mit CCS, seit einem Jahr ist es in Betrieb. Für 1,5 kanadische Dollar (rund eine Millarde Euro) wurde dieses relativ kleine Braunkohlekraftwerk (150 Megawatt) in Kanada nachgerüstet, damit es die nationalen Klimavorgaben erfüllt. Das abgetrennte CO2 wird in diesem Fall jedoch an einen Ölkonzern in der Nähe verkauft und generiert damit Einnahmen. Der Konzern presst das CO2 in die Tiefe und fördert damit Öl.

Für andere Stromunternehmen lohnt sich die CCS-Technik nicht. Nach Angaben von Kraftwerksbetreiber RWE wird der Kohlestrom mit CCS um etwa 60 bis 80 Prozent teurer. Strom aus Wind- und Solarkraft ist im Vergleich günstiger: nach einer Studie von Prognos kostet er nur etwa die Hälfte.

Infografik Prognose von Stromkosten aus neuen Großkraftwerken

CCS für Industrie und für CO2-Entzug aus der Atmosphäre?

Während CCS in der Stromwirtschaft nicht sinnvoll erscheint, könnte die Technik in der Industrie sehr hilfreich sein. Fischedick nennt hier vor allem die Zementherstellung. Weltweit werden hier rund vier Prozent der Treibhausgasemissionen freigesetzt, davon entstehen prozessbedingt etwa zwei Drittel bei der Entsäuerung des Kalksteins. "Hier könnte CCS helfen, dass dieses CO2 nicht mehr in die Atmosphäre gelangt", so Fischedick.

Eine weitere Möglichkeit ist die CO2-Abscheidung in Verbindung mit Biomasse. In diesem Fall kann die Technik helfen CO2 wieder aus der Atmosphäre zu entziehen. Nach Einschätzung des Weltklimarates wird das in der zweiten Hälfte dieses Jahrhundert wahrscheinlich notwendig werden. Die Idee: Pflanzen brauchen für das Wachstum CO2, dass sie aus der Atmosphäre entziehen, Bäume binden den Kohlenstoff im Holz. Bei der Verbrennung dieser Biomasse im Kraftwerk entsteht wieder CO2. Mit CCS wird es abgetrennt und in die Erde gepresst. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sieht in dieser Technik eine begrenzte Option zur CO2-Reduktion in der Atmosphäre.