Treibhausgase müssen auf Null sinken
2. Dezember 2014Trotz Warnungen steigt der Ausstoß an Treibhausgasen. Der aktuelle Report des Weltklimarates (IPCC) zeigt, wohin dies führen kann: Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wird die Temperatur auf der Erde bis zum Ende dieses Jahrhunderts im Durchschnitt um 3,5 bis 4,8 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit ansteigen. Und bis zum Jahr 2300 rechnen die Klimaforscher sogar mit einem Temperaturanstieg von über zehn Grad auf den Kontinenten. Die Städte in Mitteleuropa würden so auf das "Temperaturniveau der libyschen Wüste katapulitert", so Klimafoscher Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und Mitglied im IPCC .
Nur noch 1000 Gigatonnen zur Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels
Die Erdtemperatur darf sich um maximal zwei Grad erwärmen. Auf dieses Ziel legten sich die Regierungschefs beim UN-Klimagipfel in Kopenhagen (2009) fest. Die Emissionen der Treibhausgase müssen deshalb drastisch sinken - nach Angaben des IPCC dürfen nur noch etwa 1000 Gigatonnen Treibhausgase (CO2, Methan, N2O) in die Erdatmosphäre gelangen. Derzeit liegt der globale Jahresausstoß bei 55 Gigatonnen.
Negative Treibhausgasemissionen nach 2050
Der Weltklimarat mahnt zum Handeln: Emissionen der Treibhausgase müssen weltweit schnellstmöglich reduziert werden. Und ihre Forderung geht noch darüber hinaus: In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts müsse es uns gelingen, Treibhausgase aus der Atmosphäre zu entfernen.
Wenn wir jetzt weniger Treibhausgase produzieren, würden die Maßnahmen für eine spätere Rückholung aus der Erdatmosphäre geringer und die Gesamtkosten entsprechend niedriger ausfallen, so die aktuellen Reports von IPCC und United Nations Environment Programme (UNEP).
Der Weltklimarat hält es für notwendig, die globale Neutralität beim Treibhausgas CO2 zwischen 2055 und 2070 zu erreichen. Das heißt: In der globalen Bilanz gelangt dann kein zusätzliches CO2 mehr in die Atmosphäre. Derzeit wird CO2 vor allem durch die fossile Verbrennung freigesetzt und verursacht 65 Prozent der menschheitsbedingten Treibhausgase. Der globale Anteil durch Abholzung und veränderte Landnutzung liegt bei elf Prozent.
Zwischen 2080 und 2100 müssen nach Ansicht der Klimaforscher auch die Klimagase Methan (CH4) und Lachgas (N2O) in der Gesamtbilanz auf Null gehen. Derzeit liegt der Treibhauseffekt von Methan bei 16 Prozent, der von Lachgas, das vor allem durch Düngung in der Landwirtschaft freigesetzt wird, bei sechs Prozent.
CO2 vermeiden und als Rohstoff nutzen
Der möglichst schnelle Umstieg auf Erneuerbare Energien und der Ausbau der Energieeffizienz gelten als risikoarme und kostengünstige Wege zur Vermeidung von CO2.
Etwa ein Prozent der derzeitigen CO2-Emissionen lässt sich nach Ansicht von Experten langfristig auch als Rohstoff nutzen. Erste Pilotanlagen für Kraftstoffe und chemische Produkte gibt es bereits. Der Autohersteller Audi produziert mit Hilfe von Elektrolyse aus Windstrom Wasserstoff (H2). Im nächsten Prozess-Schritt wird mit Hilfe von CO2 Methan (CH4). Mit diesem Gas können Autos klimaneutral fahren, klimaschädliches Erdöl und Erdgas wird ersetzt und neue CO2-Emissionen vermieden.
Auch die chemische Industrie hat erste Projekte zu diesem Thema angeschoben und nutzt CO2. Der Chemiekonzern Bayer Material Science verwendet CO2 aus einem Kohlekraftwerk für die Herstellung des Kunststoffes Polyurethan und fertigt daraus Weichschaum für Matratzen an.
CO2 in den Untergrund
Eine weitere Möglichkeit der CO2-Reduktion ist die sogenannten CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage). Dabei wird das CO2 aus Kraftwerken oder Industrie unter hohem Druck tief in die Erde gepresst. In ausgeförderten Erdöl- und Erdgaslagern lässt sich CO2 speichern.
Erste Erfahrungen mit dieser Technik sammelt die Erdölindustrie. Der norwegische Konzern Statoil ist Pionier auf diesem Feld. Damit die Technik der Speicherung sich weltweit durchsetzt "brauchen wir einen hohen und stabilen CO2-Preis, das ist der wichtigste Punkt", betont Kristofer Hetlan, CCS-Experte bei Statoil gegenüber der Deutschen Welle. Bei einem CO2-Preis von 40 bis 50 Euro pro Tonne hält er die Technik für durchsetzbar.
Fossile Kraftwerke mit CCS werden gegenüber Erneuerbaren Energien in der Regel nicht konkurrenzfähig sein. IPCC-Autor und CCS-Experte Prof. Manfred Fischedick will die Technik aber trotzdem weiter entwickeln. "Aus Klimaschutzgründen können wir in eine Situation kommen, bestehende Kraftwerke nachrüsten zu müssen, um den CO2-Ausstoß einzudämmen", so Fischedick im Interview mit der Deutschen Welle.
Eine Möglichkeit, CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen, ist die CCS-Technik in Verbindung mit Biomasse. Pflanzen nutzen beim Wachstum CO2, Bäume binden den Kohlenstoff (C) im Holz. Bei ihrer Verbrennung entsteht wieder CO2, das abgetrennt und in die Erde gepresst werden kann. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sieht in dieser Technik eine begrenzte Option zur CO2- Reduktion.
CO2 als Biokohle in der Erde binden
Mit Wiederaufforstung und Humusbildung lässt sich CO2 aus der Atmosphäre ebenfall entziehen. Böden werden durch die Humusbildung fruchtbarer und binden langfristig CO2. Nach Einschätzung von Klima- und Energieexperte Hans-Josef Fell ist dieser natürliche Prozess jedoch zu langsam für die notwendige CO2-Reduktion. "Es würde Jahrhunderte dauern, bis wir die notwendigen Mengen aus der Atmosphäre geholt haben."
Fell wirbt für eine technologische Beschleunigung dieses natürlichen Prozesses. Bei der sogenannten hydrothermalen Karbonisierung (HTC) wird aus Planzenresten und Bioabfällen unter Druck Biokohle hergestellt, die anschließend in die Böden eingearbeitet werden kann. "Böden werden so sehr fruchtbar, Wüsten kann man damit wiederbegrünen und erodierte Flächen renaturieren", so Fell im DW-Interview.
Erste Pilotanlagen gibt es bereits. Fell wirbt für Forschung und Förderung in diesem Sektor. Er sieht die Möglichkeit, so 200 Gigatonnen CO2 innerhalb von 30 Jahren aus der Atmosphäre zu entfernen."Wir haben das mal durchgerechnet. Man bräuchte etwa acht Millionen hydrothermische Karbonisierungsanlagen im größeren industriellen Stil. Dann könnten wir in dreißig Jahren diese Menge an CO2 aus der Atmosphäre herausholen und sicher in oberen Bodenschichten ablagern."
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht laut einer aktuellen Studie in der Biokohle ebenfalls Potential als Klimaretter. Allerdings stecke die Biokohle noch in den Anfängen. Für eine weitreichende Anwendung in der Landwirtschaft sei sie noch nicht wirtschaftlich. Die Autorinnen der Studie, Claudia Kemfert und Isabel Teichmann, sehen hier noch großen Forschungsbedarf.