Neue Übergangsregierung für Libyen gewählt
5. Februar 2021Die Hoffnung, dass die rivalisierenden Gruppen in Libyen bei dem von den Vereinten Nationen in Genf organisierten Dialogforum eine Einigung finden würden, war gering. Seit Jahren kämpfen die verfeindeten Lager aus dem Osten und Westen des Landes um die Vorherrschaft, ohne bislang Kompromissbereitschaft erkennen zu lassen. Nun wählten 75 Vertreter verschiedener politischer, regionaler und Stammes-Gruppen unter UN-Aufsicht einen neuen Ministerpräsidenten und ein dreiköpfiges Präsidium. Das teilte die amtierende UN-Gesandte Stephanie Williams mit.
Übergangsregierung soll landesweite Wahlen vorbereiten
Die vierköpfige Übergangsregierung soll die verfeindeten Lager einigen. Wer den ölreichen Wüstenstaat bis zu den landesweiten Wahlen am 24. Dezember führen soll, stand indes erst nach mehreren Wahlgängen und einer Stichwahl steht fest: Zum neuen Ministerpräsidenten wurde mit 39 Stimmen der Aktivist und Geschäftsmann Abdul Hamid Dbaiba gewählt.
An der Spitze des Präsidiums soll Mohammed Minfi aus Ostlibyen stehen, Libyens ehemaliger Botschafter in Griechenland. Von dort wurde er 2019 ausgewiesen, nachdem die Türkei mit Tripolis mehrere Abkommen geschlossen hatte und Ankara dann auch militärisch in den Konflikt eingestiegen war. Als wichtigste Aufgabe des Präsidialrats hat er Bemühungen bezeichnet, die Spaltung des Landes zu beenden. Ins Präsidium wurden außerdem Musa al-Kuni and Abdulla Hussein al-Lafi gewählt.
Politische Schwergewichte überraschend gescheitert
Um die Posten hatten sich 45 Kandidaten beworben. Für viele überraschend unterlag die Wahlliste des ostlibyschen Parlamentsvorsitzenden Agila Saleh und die von Innenminister Fathi Baschagha. Die beiden sind politische Schwergewichte in ihren jeweiligen Lagern. Saleh gilt als neue Führungsfigur im Osten nach der gescheiterten Offensive auf Tripolis von General Chalifa Haftar.
Libyen ist seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 von gewaltsamen Konflikten und Machtkämpfen geprägt. Die von den Vereinten Nationen anerkannte Einheitsregierung in Tripolis befindet sich seit Jahren im Krieg mit General Haftar, dessen Truppen große Gebiete im Osten und Süden Libyens kontrollieren und der eine im ostlibyschen Tobruk angesiedelte Gegen-Regierung unterstützt. Seit Oktober gilt in dem nordafrikanischen Land eine fragile Waffenruhe.
Lage bleibt angespannt
Die Truppen und Verbündeten des scheidenden Ministerpräsidenten Fajis al-Sarradsch und seines Gegenspielers Haftar sind aber weiter an den Fronten stationiert. Auch ausländische Mächte befeuern den Konflikt weiter. Die türkischen Truppen und russischen Söldner, die verschiedene Seiten unterstützen, sind anders als bei der Waffenruhe vereinbart nicht abgezogen.
Die neue Übergangsregierung soll die Sarradsch-Regierung und die Gegenregierung im Osten des Landes ersetzen. Ihre Mitglieder haben sich verpflichtetet, nicht bei den Wahlen im Dezember anzutreten. Trotz Einigung in Genf fürchten Beobachter, dass die Machtkämpfe im Land anhalten könnten. Zudem ist unklar, wie Haftar und seine selbst ernannten Libysche Nationalarmee auf die Wahl reagieren werden.
ww/qu (dpa, afp)