Netanjahu stemmt sich gegen Machtverlust
3. Juni 2021Es wird damit gerechnet, dass Netanjahu bis zuletzt sämtliche Hebel in Bewegung setzen wird, um die Vereidigung der Acht-Parteien-Koalition abzuwenden. Auf Twitter schrieb der 71-Jährige: "Alle Abgeordneten, die durch die Unterstützung der Rechten gewählt wurden, müssen sich diesem gefährlichen Linksbündnis widersetzen."
Scharfe Kritik übte Netanjahu, Vorsitzender der rechtskonservativen Likud-Partei, daran, dass sein designierter Nachfolger Naftali Bennett von der ultrarechten Jamina-Partei eine arabische Partei, die Raam, in die Regierung einbinden will: "Bennett hat die Negev an Raam verkauft." Die Negev-Wüste liegt im Süden des Landes. Teil der Koalitionsvereinbarung soll laut Medienberichten die vorläufige Aussetzung der Zerstörung von illegalen Bauten in der Negev-Wüste sein. Dies betrifft vor allem Beduinen-Dörfer. Auch Netanjahus Sohn Jair mischt in der Kampagne gegen das neue Regierungsbündnis mit. Auf Twitter bezeichnete er Bennett als "Schmutz".
Neue Koalition drückt aufs Tempo
Das vom bisherigen Oppositionsführer Jair Lapid von der Zukunftspartei (Jesch Atid) geschmiedete Bündnis, in dem erst der Jamina-Vorsitzende Bennett das Amt des Regierungschefs übernehmen und zwei Jahre später von Lapid abgelöst werden soll, arbeitet auf eine schnelle Vereidigung hin, um Netanjahus Störfeuer zu blockieren.
Zu dem Bündnis von Lapids liberaler Partei gehören neben Jamina die Zentrumspartei Blau-Weiß von Verteidigungsminister Benny Gantz, linke Parteien und die nationalistische Jisreal Beitenu von Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman. Erstmals in der Geschichte Israels soll mit der Vereinigten Arabischen Liste Raam auch eine unabhängige arabische Partei Mitglied der Regierung werden. Allerdings ist die Mehrheit des Bündnisses dünn. Die künftige Regierung hätte in der Knesset eine knappe Mehrheit von 61 der 120 Abgeordneten.
Und die einzige wirkliche Gemeinsamkeit der teils sehr gegensätzlichen Partner ist, eine weitere Amtszeit von Netanjahu zu verhindern. Aus Koalitionskreisen hieß es, umstrittene ideologische Fragen wie Annexion oder Rückgabe von Gebieten im Westjordanland sollten ausgeklammert werden.
Der Termin für die Parlamentsabstimmung ist noch offen. Angestrebt ist eine Abstimmung über die Regierung und deren Vereidigung für kommenden Montag. Der derzeitige Parlamentspräsident, ein Vertrauter Netanjahus, könnte das Votum bis Mitte Juni verzögern, um dem Ministerpräsidenten mehr Zeit zu geben, doch noch Abtrünnige für sich zu gewinnen. Sollte die Regierung vereidigt werden, würde Netanjahu sein Amt nach zwölf Jahren verlieren.
Hamas auf bleibt auf Konfrontationskurs, egal wer in Israel regiert
Angesichts des geplanten Regierungswechsels in Israel hat die radikale islamistische Hamas im Gazastreifen die Fortsetzung ihres Kampfes gegen den jüdischen Staat angekündigt. "Alle israelischen Parteien glauben nicht an die Rechte unseres Volkes, und ihre führenden Persönlichkeiten sind die Feinde unseres Volkes", teilte ein Sprecher der Hamas mit. "Unser Widerstand wird sich weiter gegen die Besatzung richten, ungeachtet der Vielfalt ihrer politischen Farben." Auch der Islamische Dschihad im Gazastreifen erklärte, die neue Regierung mache für sie keinen Unterschied. Die EU, die USA und Israel stufen die Hamas als Terrororganisation ein.
qu/jj (dpa, afp, rtr)