Netanjahu-Gegner in Israel bilden Koalition
2. Juni 2021Gegner von Benjamin Netanjahu haben in Israel mit der Bildung einer Koalition das vorläufige Ende der Ära des Langzeit-Ministerpräsidenten eingeläutet. Mehr als zwei Monate nach der Parlamentswahl hat der bisherige Oppositionsführer Jair Lapid damit ein Bündnis von insgesamt acht Parteien geschmiedet.
Der Vorsitzende der arabischen Raam-Partei, Mansur Abbas hatte kurz vor Ablauf der für die Regierungsbildung gesetzten Frist die Koalitionsvereinbarung noch mit unterzeichnet. Dem vorausgegangen waren heftige Meinungsverschiedenheiten bis zur letzten Minute.
Das Präsidialamt teilte dann aber mit, Oppositionsführer Lapid habe Präsident Reuven Rivlin darüber unterrichtet, dass er eine Mehrheit im Parlament hinter sich versammelt habe und eine neue Regierung bilden könne. Voraussichtlicher Vereidigungstermin für die neue Regierung ist der 14. Juni. Vor der Vereidigung muss eine einfache Mehrheit der 120 Abgeordneten für die neue Regierung stimmen.
Zwei Jahre Bennett, zwei Jahre Lapid
Teil der nach zähen Verhandlungen geformten Koalition wird laut Medienberichten auch die ultrarechte Jamina-Partei von Naftali Bennett, der seit der Wahl am 23. März als das Zünglein an der Waage galt. Wie es heißt, soll es eine Rotation im Amt des Regierungschefs geben. Als erster soll demnach Bennett, der bereits als Verteidigungsminister arbeitete, Ministerpräsident werden. Lapid soll zunächst das Amt des Außenministers übernehmen und nach zwei Jahren Bennett dann als Ministerpräsident ablösen.
Seine Zukunftspartei ist in der politischen Mitte angesiedelt. Sie wurde bei der Wahl im März zweitstärkste Kraft nach dem rechtskonservativem Likud von Netanjahu. Lapid war nach einer Karriere als Fernsehmoderator in die Politik eingestiegen. In einer früheren Netanjahu-Regierung fungierte er als Finanzminister.
Ziele könnten kaum unterschiedlicher sein
Lapid stützt sich auf ein Bündnis seiner Zukunftspartei mit sieben kleinen Parteien aus allen Bereichen des politischen Spektrums. Sie eint vor allem die Ablehnung Netanjahus. Dieser war bereits von 1996 bis 1999 israelischer Ministerpräsident und danach seit 2009 durchgängig im Amt. Damit ist er Israels am längsten amtierender Regierungschef. Sollte die neue Regierung ohne ihn gebildet werden, käme das einer Zäsur gleich.
Noch allerdings steht die neue Regierung nicht und es gibt bereits jetzt Zweifel, ob die Acht-Parteien-Koalition tatsächlich antreten kann. Die Unterschiede in der Programmatik der Pateien sind riesig: Bennett, der mit einem Internet-Start-up zum Millionär wurde, steht für national-religiöse Politik, seine Partei gilt als siedlerfreundlich. Die Koalitionspartner Meretz, die Arbeitspartei sowie die arabische Partei Raam sind für die Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates und strikt gegen die Siedlungspolitik wie sie Israel in den vergangenen Jahren massiv betrieben hat.
Das Land verharrte zuletzt in einer politischen Dauerkrise. Die vierte Parlamentswahl binnen zwei Jahren hatte im März erneut keine klaren Mehrheitsverhältnisse gebracht. Präsident Reuven Rivlin hatte am 5. Mai Lapid mit der Regierungsbildung beauftragt, Netanjahu war zuvor daran gescheitert. Die Frist für Lapid wäre am Mittwochabend abgelaufen. Die jetzt bekannt gemachte Bereitschaft zu einer Acht-Parteien-Koalition kommt damit auf die letzte Minute.
haz/cw (dpa, rtr)