Neil Young wird 75
11. November 20201975, kurz vor seinem 30. Geburtstag, sagte Neil Young in einem Interview mit dem "Rolling Stone", jede seiner Aufnahmen wäre für ihn "wie eine laufende Autobiografie ... Meine Mission lautet, auszudrücken, was in mir vorgeht."
Blickt man 45 Jahre später auf diese Aussage zurück, ist es genau das, was die ruhelose und höchst produktive, preisgekrönte Ikone des Rock, Country und Folk in den vielen Jahrzehnten ihrer Karriere getan hat - und die ist noch längst nicht zu Ende. Der Gitarrist, Sänger und Songschreiber hat mit zahlreichen Bands und Sängern zusammengearbeitet, darunter Pearl Jam, Linda Ronstadt, James Taylor, Emmylou Harris und viele weiteren.
Neil Young zählt zu den besten Gitarristen der Welt
Bei einem Ranking des "Rolling Stone" kam er 2015 unter die Top 20 der 100 großartigsten Gitarristen. Es hieß: "Neils Spiel erinnert an eine offene Röhre direkt von seinem Herzen zum Publikum." Tatsächlich war seine Art zu spielen inspirierend für viele Bands. Er wurde der "Godfather des Grunge" genannt, weil er den unangefochtenen Star des Genres, Kurt Cobain, beeinflusst hatte.
Die Musikkarriere begann mit einer Ukulele
Neil Young wurde am 12. November 1945 im kanadischen Toronto geboren. Der Junge, der an den Folgen einer Kinderlähmung litt, interessierte sich schon in jungen Jahren für Musik. Sein erstes Instrument war eine Ukulele. Im "Rolling Stone"-Interview von 1975 erinnerte er sich, dass er an einem bestimmten Punkt einfach nicht mehr habe aufhören können, über das Musikmachen nachzudenken: "Ganz plötzlich wollte ich eine Gitarre und das war's." 1963 gründete er die Folk-Rock-Gruppe "The Squires", er brach die Schule ab, um in den Clubs der Stadt und in Cafés zu spielen. Während dieser Zeit begegnete er auch dem Sänger Stephen Stills.
In den 1960er-Jahren zog er nach Los Angeles und gründete 1966 gemeinsam mit Stills und drei weiteren Musikern die Band "Buffalo Springfield". Zwei Jahre später verließ er die Band wieder. Seine Karriere als Solokünstler hatte begonnen. Eine Zeitlang begleiteten ihn David Crosby, Stephen Stills und Graham Nash. Im August 1969 traten sie gemeinsam beim legendären Woodstock Festival auf und auch in den Jahren danach kamen sie immer mal wieder für Konzerte zusammen. Über die Jahrzehnte war er ständig auf Tour und nahm eine Vielzahl an Studio- und Live-Alben mit der US-amerikanischen Rockband "Crazy Horse" auf.
Neil Young und seine politischen Songs
Seit 1968 hat Young fast ein Studio-Album pro Jahr herausgebracht. Unter seinen größten Hits aller Zeiten sind "Heart of Gold", "Old Man", "The Needle and the Damage Done", "Ohio", "Helpless", "Cinnamon girl" und "Harvest Moon". Viele Menschen identifizieren sich mit seinen populären Rock-Hymnen, sogar Donald Trump hat ikonische Hits wie "Rockin' in the Free World" bei seinen Wahlkampfauftritten spielen lassen. Aber Neil Young sagte, er könne nicht guten Gewissens erlauben, dass "seine Musik als Titelsong einer spaltenden, unamerikanischen Kampagne der Ignoranz und des Hasses benutzt werde" und reichte Klage wegen Urheberrechtsverletzung gegen den US-Präsidenten ein.
Der in Kanada geborene Musiker, der zwar seit den 1960er-Jahren in Kalifornien lebt, die amerikanische Staatsbürgerschaft aber erst im Januar 2020 annahm, pfefferte dem US-Präsidenten verbal eine. In einem offenen Brief verkündete er: "Sie sind eine Schande für mein Land".
Young war immer auch ein politischer Künstler und nahm in seinen Songs Bezug auf aktuelle Ereignisse. Seine Texte waren Hymnen einer Gegenkultur, so auch der Protestsong "Ohio", der ein paar Tage nach dem Massaker von Kent State 1970 herauskam. Am 4. Mai 1970 hatte die Nationalgarde des Staates Ohio vier Studierende während eines Anti-Kriegsprotests erschossen.
"Young hat die hemmungslose Leidenschaft eines Künstlers"
1995 zog Young in die "Rock and Roll Hall of Fame" ein. "Young hat beständig die hemmungslose Leidenschaft eines Künstlers demonstriert, der versteht, dass sich selbst neu zu erfinden der einzige Weg ist, zu verhindern, dass man verglüht. Aus diesem Grund blieb er einer der bedeutendsten Künstler der Rock and Roll-Ära", heißt es auf der Webseite.
Zur Zeit schreibt der Musiker einen Science-Fiction-Roman, der den Arbeitstitel "Canary" (dt. Kanarienvogel) trägt. 2012 hat er seine Autobiografie "Waging Heavy Peace: a Hippie Dream" veröffentlicht. Auf Deutsch ist sie im selben Jahr bei Kiepenheuer & Witsch unter dem Titel "Ein Hippie-Traum: Die Autobiographie - Waging Heavy Peace" in der Übersetzung von Stefanie Jacobs, Michael Kellner und Hans-Ulrich Möhring erschienen.
Musiker, Songschreiber, Autor - doch das ist noch nicht alles. Neil Young hat auch ein starkes soziales und ökologisches Bewusstsein. Er war einer der Gründer von "Farm Aid", einem jährlichen Benefiz-Konzert für amerikanische Bauern. Noch immer sitzt er im Vorstand.
Oscar-Nominierung für "Philadelphia"
1994 wurde Neil Young für seinen Song "Philadelphia" aus Jonathan Demmes AIDS-Drama für einen Oscar nominiert. Der gefeierte Regisseur hat mittlerweile drei Dokumentationen über Neil Young angefertigt, die letzte 2012.
Auf seiner Website "The Neil Young Archives" stellt Neil Young einige unveröffentlichte Aufnahmen kostenlos zur Verfügung . Er ist bekannt dafür, Modelleisenbahnen zu sammeln, Oldtimer und Vintage-Gitarren. Verheiratet ist er mit der amerikanischen Schauspielerin, Regisseurin und Umweltschützerin Daryl Hannah. Aus seinen zwei früheren Ehen hat er drei Kinder.
Die meisten sind in ihren 70ern längst in Rente und glücklich damit. Nicht so Neil Young. Als sich das Coronavirus ausbreitete, streamte er auf seiner Webseite verschiedene akustische Konzerte von seinem Zuhause aus, die "Fireside Sessions".
Als ihn der "Rolling Stone" 2018 fragte, ob er Pläne habe, sich zur Ruhe zu setzen, witzelte der Musiker nur: "Ich gehe mit Cher aus. Cher und ich machen eine Rentner-Tour." Und er fügte hinzu: "Wenn ich in den Ruhestand gehe, werden es die Leute wissen, weil ich dann tot sein werde."
Adaption: Verena Greb