Festakt für Gebeine aus Kolonialzeit
31. August 2018Michelle Müntefering ist sichtlich betroffen. In ihrer Haltung liegt Demut. "Ich kann das Werk unserer Vorfahren nicht ungeschehen machen", sagt die Staatsministerin im Auswärtigen Amt bei den Feierlichkeiten in der Hauptstadt Windhuk, mit der die Gebeine der 27 Herero und Nama in Namibia in Empfang genommen wurden. Deutschland schäme sich der Verbrechen der Vergangenheit sagt Müntefering, die passend zum Anlass ein schwarzes Kleid und einen weißen Schal trägt. "Ich bitte aus ganzem Herzen um Vergebung", sagt sie zu den anwesenden Vertretern der Regierung und der Opferverbände im Garten des Parlaments in Windhuk. Die Menschen hätten nicht nur ihr Leben verloren, sondern auch ihre Würde, als ihre sterblichen Überreste für wissenschaftliche Zwecke nach Deutschland gebracht wurden.
Forderungen nach einer deutschen Entschuldigung
Die Übergabe der 27 menschlichen Gebeine aus verschiedenen deutschen Museen und Forschungseinrichtungen an Namibia ist die dritte Rückgabe seit 2011 und 2014. Doch zum ersten Mal ist mit Müntefering nimmt zum ersten Mal eine deutsche Regierungsvertreterin an den Gedenkzeremonien in Namibia teil. "Ich konnte fühlen, dass sie wirklich berührt war", sagt Fransiska Mureti, eine Angehörige der Nama-Volksgruppe, im Interview mit der Deutschen Welle. "Sie trifft keine Schuld, sie war ja zu der Zeit noch nicht geboren worden. Aber ich bin zufrieden, dass sie sich als Ministerin so verhalten hat. Ich glaube von jetzt an wird die deutsche Regierung auch zugeben, dass diese Taten mehr als unfassbar waren", fügte Mureti hinzu.
Doch es gibt auch Kritiker. Vekuii Rukoro, einer der traditionellen Herero-Vertreter, wiederholt bei der Feier seine Forderung nach einer offiziellen Entschuldigung der Bundesregierung und finanziellen Entschädigungen für den Völkermord in der früheren deutschen Kolonie. Mit Blick auf die sterblichen Überreste sagte er: "Willkommen zuhause. Aber jetzt muss der Kampf um nachträgliche Gerechtigkeit weitergehen."
Deutsche Soldaten hatten Anfang des 20. Jahrhunderts im damaligen Deutsch-Südwestafrika Aufstände der Herero und Nama blutig niedergeschlagen. Zehntausende kamen dabei ums Leben. Seit 2015 bezeichnet auch die Bundesregierung die Ereignisse als Völkermord.
Ein emotionaler Moment für junge Herero und Nama
Seitdem verhandeln Deutschland und Namibia auf Regierungsebene über die Aufarbeitung des Genozids. Aber die Verhandlungen, die auf deutscher Seite vom langjährigen Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, dem CDU-Politiker Ruprecht Polenz, geführt werden, dauern an. Rukoro und andere Herero und Nama haben die Bundesregierung vor einem US-Gericht verklagt, weil sie direkt mit Deutschland verhandeln wollen. Zudem wollen sie durch das Gerichtsverfahren Entschädigungen erstreiten. Das Gericht hat jedoch noch nicht über seine Zuständigkeit entschieden.
Die Wunden der Kolonialverbrechen sind für die Hereo und Nama noch nicht verheilt. Aber die Hoffnung wächst, dass es in der Zukunft dazu kommen wird. "Die heutige Veranstaltung ist sehr emotional", sagt der junge Hereo Kaipahere Kandjii in DW-Interview. "Sie erlaubt uns, unseren Ahnen den letzten Respekt zu erweisen. Diese Art von Feierlichkeiten sind sehr selten, deshalb ist es so aufwühlend und bedeutend für uns." Für viele junge Menschen in Namibia gebe diese historische Würdigung eine Chance, sich damit zu beschäftigen, wo sie herkommen und wie sie ihren Weg in eine wirtschaftlich und kulturell emanzipierte Zukunft finden könnten, fügt er hinzu. Es seit gut, dass Deutschland die menschlichen Gebeine zurückgegeben habe, sagt Junior Walter Ngueihita, ein anderer Nachfahre der Opfer. Aber das sei nur ein erster Schritt: "Deutschland muss die grausamen Taten anerkennen. Und irgendwann werden wir, oder unsere Kinder oder Enkelkinder, vielleicht dafür auch etwas von Deutschland bekommen."
Mitarbeit: Anna Salkeus