Aufatmen in Europa
23. Juni 2007EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso erklärte, eine Krise sei vermieden worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe hervorragende Arbeit geleistet. Die Grundlage für einen Reformvertrag sei gelegt. Ohne dieses Ergebnis hätte man nicht an weitere Erweiterungen denken können, sagte Barroso.
Kaczynski: Starke Position
Der polnische Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski hat den EU-Gipfel als großen Erfolg für sein Land gewertet. Der Kompromiss über die Reform der Abstimmungsverfahren verleihe Polen "eine starke Position", erklärte der Regierungschef am Samstag vor Journalisten in Warschau. Die Entscheidung der Staats- und Regierungschefs, die Einführung des Abstimmungsprinzips der doppelten Mehrheit auf 2014 zu verschieben und bis 2017 eine Art Zwischenlösung gelten zu lassen, sei für Polen "sogar noch vorteilhafter" als die ursprünglich angestrebte Quadratwurzel-Formel, sagte Kaczynski.
Der Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, begrüßte die Ergebnisse des Gipfels. Lobenswert sei vor allem, dass die Substanz des Verfassungsvertrages habe gewahrt werden können und dass die Entscheidungsbefugnisse des EU-Parlaments ausgeweitet würden.
Sarkozy: Nicht zum Stillstand verdammt
Auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy lobte den Kompromiss - und wertete ihn als persönlichen Erfolg. "Das ist zwar keine Verfassung, aber wir haben ein gutes Gleichgewicht erreicht", resümiert der Herr des Elyseepalastes. Sarkozy lobt zwar die Zusammenarbeit mit der Gipfel-Gastgeberin und Kanzlerin Angela Merkel bei der schwierigen Kompromisssuche mit den Polen. "Wir haben Hand in Hand gearbeitet." Doch zunächst nennt er die Regierungschefs Tony Blair (Großbritannien) und Jose Luis Rodriguez Zapatero (Spanien) als engste Mitstreiter beim Gipfelbasar. Das folgt seiner Logik, wonach die deutsch-französische Freundschaft in Europa keine Exklusivveranstaltung sein sollte.
Der Gipfel schlitterte laut Sarkozy knapp am Scheitern vorbei. Der Staatschef sieht das Ergebnis als persönlichen Erfolg, da er schon im Präsidenten-Wahlkampf für einen vereinfachten Vertrag eintrat. Früher nannte er das "Mini-Vertrag", heute benützt er diesen Begriff nicht mehr. "Europa ist nicht zum Stillstand verdammt", freut sich Sarkozy. "Die Blockade ist überwunden."
Der italienische Ministerpräsident Romano Prodi kritisierte das Verhalten Großbritanniens, das "eine unterschiedliche Vorstellung von Europa" habe. Das könne in der Zukunft zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten führen.
Verheugen: "Keine Angst"
Der Vizepräsident der EU-Kommission, Günter Verheugen, forderte die EU-Mitglieder auf, aus dem Verhandlungspoker Lehren zu ziehen. Die EU habe ihre Lähmung überwunden. Es sei wichtig, dass mit dem neuen Vertrag auch die gemeinsame Außenpolitik gestärkt werde. "Wenn wir geeint nach außen auftreten, muss kein Mitglied Angst haben, übergangen zu werden".
Der niederländische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende meinte, mit dem Ergebnis könnten Europa und die Niederlande vorankommen. Es gehe jetzt nur noch um einen Vertrag zur Änderung der bestehenden EU- Vereinbarungen. Die Niederlande hatten den Entwurf der EU-Verfassung 2005 in einer Volksabstimmung abgelehnt.
Auch die Regierungen von Dänemark und Schweden zeigten sich zufrieden mit den Ergebnissen. Der belgische Premierminister Guy Verhofstadt sieht in der Einigung die wichtigsten Errungenschaften der EU-Verfassung erhalten. Wichtig sei der Erhalt der Grundrechte- Charta mit bindender rechtlicher Wirkung, wenn auch ohne Großbritannien. Die Doppelfunktion des EU-Chefdiplomaten in Rat und Kommission sei ebenfalls erhalten worden.
Beck: "Respekt"
Politiker von Union und SPD haben sich nach dem Gipfelkompromiss erleichtert gezeigt und Merkel ihre Anerkennung ausgesprochen. "Was der Bundeskanzlerin hier gelungen ist, ist ein großer Erfolg", erklärte der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber am Samstag. SPD-Chef Kurt Beck sprach von einem guten Tag für Europa. "Was in dieser unglaublich schwierigen Situation erreicht worden ist, ist unseres Respektes und unserer Unterstützung wert."
Die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union hatten in der Nacht entschieden, sich bis 2009 einen neuen Vertrag geben, und damit nach zwei Jahren politischer Lähmung die Handlungsfähigkeit der EU wiederhergestellt. Das Bündnis soll demokratischer und sein Gewicht in der Weltpolitik größer werden. (sams)