Werte statt Preis
16. Februar 2014In einem durchschnittlichen deutschen Supermarkt stehen von jeder Produktgruppe etliche Marken zur Auswahl. Viele dieser Waren suggerieren schon durch die Bilder auf der Verpackung oder durch ein Siegel, dass sie nachhaltiger, fairer oder umweltfreundlicher sind als das Produkt der Konkurrenten. "Greenwashing" nennt man es, wenn Unternehmen dies behaupten, tatsächlich aber nichts dahintersteckt.
Ob Produzent oder Dienstleister: Keine Firma möchte als Ausbeuter, Umweltzerstörer oder Menschenrechtsverletzer gelten. So gibt es kaum noch ein global agierendes Unternehmen, das sich keine "Corporate Social Responsibilty" (CSR)-Strategie auf die Fahne schreibt und somit verantwortliches, soziales Handeln zur Firmenpolitik erklärt.
Umsetzung mangelhaft
Doch selbst wenn ein Unternehmen eine CSR-Strategie hat, werden faire Arbeitsbedingungen und umweltfreundliche Produktion nicht zwangsläufig in den Produktionsstätten und bei den Zulieferern umgesetzt, sagt Franziska Humbert von der Hilfsorganisation Oxfam, die sich weltweit für menschenwürdige Arbeitsbedingungen einsetzt.
Die Katastrophe von Rana Plaza in Bangladesch zeigte der Welt exemplarisch, wie wenig sich einige Firmen um die Produktionsbedingungen bei ihren Zulieferbetrieben kümmern. Im April 2013 war ein Fabrikgebäude eingestürzt, 1135 Textilarbeiter kamen ums Leben. An dem Unglück waren viele Menschen schuld: Der Gebäudebesitzer, der die Bauvorschriften missachtete. Aber auch internationale Konzerne, die günstig produzieren wollen und ihre Lieferanten vor Ort nicht kontrollierten. Dabei preisen viele Firmen, die in Rana Plaza produzieren ließen, auf ihren Homepages ihre Nachhaltigkeitsstrategien, ihre soziale Verantwortung und ihr Umweltbewusstsein an.
Man müsse nicht immer von Greenwashing ausgehen, sagt die Oxfam-Expertin. Es sei aber Skepsis und Vorsicht darüber angebracht, wie solche Informationen über die Firmen-Strategien zu bewerten seien.
Verbraucher im Stich gelassen
Große Industriekatastrophen wie die des Rana Plaza oder auch die Streiks und Proteste der Textilarbeiter im Januar in Kambodscha haben weltweit viele Konsumenten zum Nachdenken gebracht. Doch wer sich als Verbraucher bewusst für soziale Mindeststandards und umwelt- und klimafreundliche Produkte entscheiden möchte, hat es schwer. Es gibt bis heute keine verbindlichen Mindeststandards, die erfüllt werden müssen, bevor ein Produkt auf den Markt kommt.
"Der Verbraucher muss sich darauf verlassen können, dass ökologische und soziale Mindeststandards in der Produktion eingehalten worden sind. Diese Verantwortung kann der Einzelne in seinem Konsumalltag nicht übernehmen", sagt Christian Thorun, Gründer und Leiter von ConPolicy, einem Institut für Verbraucherpolitik, das sowohl die Politik als auch Unternehmen berät. Der Markt schaffe es aber einfach nicht, branchenweit Mindeststandards durchzusetzen, bemängelt Thorun im Gespräch mit der DW.
Forderung nach Mindeststandards
Dabei handele es sich um Mindeststandards wie zum Beispiel die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, die unter anderem Zwangs- und Kinderarbeit verbieten und Arbeitern das Recht auf gerechte Löhne zusprechen. Würden diese gelten und eingehalten, müssten sich die Verbraucher gar nicht erst fragen, ob eine Ware mit oder ohne Kinderarbeit, fair oder unfair produziert wird, "sondern könnten sich darauf verlassen, dass beispielsweise alle T-Shirts, die in Deutschland angeboten werden, unter diesen Mindeststandards produziert werden. Das muss das Ziel sein", so Thorun.
Es gebe bereits eine Vielzahl auch international verbindlicher Standards. So könne bei Qualität und Sicherheit bereits heute ein Produkt zurückverfolgt werden. Dies wäre auch bei den Fragen nach der Einhaltung der Arbeitnehmerrechte oder Umweltbelastungen in der Produktionskette möglich. "Es fehlt aus meiner Sicht eher an dem Willen, das zu tun", sagt Thorun. Hier bestehe Nachholbedarf vonseiten der Politik und der Wirtschaft.
Das Unternehmen als Ganzes betroffen
Uwe Bergmann ist Nachhaltigkeitsmanager beim deutschen Henkel-Konzern. Weltweit hat das Unternehmen rund 47.000 Mitarbeiter, der Jahresumsatz liegt bei über 16 Milliarden Euro. Für Bergmann und seinen Arbeitgeber hat verantwortliches Wirtschaften verschiedene Facetten, die man seit Jahrzehnten in allen Abteilungen des Unternehmens integriere. Produktsicherheit und umweltverantwortliche Produktion gehöre ebenso dazu wie der "Einkauf unserer Rohstoffe, wie wir unsere Mitarbeiter behandeln und wie wir sie weiterqualifizieren“, so der Henkel-Manager im Gespräch mit der DW. "Das Themenfeld ist enorm groß".
Die meisten Qualitätssiegel auf dem Markt seien hingegen eher eindimensional, da sie nur einen oder zwei Aspekte berücksichtigen. Da bräuchte man für jedes Produkt gleich mehrere Siegel, so Bergmann.
Undurchsichtiger Siegel-Dschungel
Eigentlich sollten Siegel eine Entscheidungshilfe für die Verbraucher sein, doch ihre schiere Menge macht das Angebot unübersichtlich. Was eigentlich hinter einem Siegel steckt, ist für viele Verbraucher undurchschaubar.
Siegel mit Botschaften wie "100 % Qualität" oder "Beste Wahl" sagen nichts über die Ware aus. Manche Siegel, wie zum Beispiel das Pro Planet Siegel einer deutschen Supermarktkette, werden in Eigenregie vergeben. Andere Siegel, wie zum Beispiel das Fair Trade Siegel oder das Bio-Siegel werden von unabhängigen Organisationen vergeben und streng kontrolliert. Hier kann sich der Verbraucher darauf verlassen, dass die vorgegebenen Standards auch eingehalten werden.
"Das Ideal von nachhaltigen Produkten wird man nie erreichen können", sagt Christian Thorun von ConPolicy. Eine Orientierungshilfe könnten international verbindliche Mindeststandards sein. Gäbe es diese, so Thorun, "dann würde es eine Meßlatte geben, nach der unseriöse Greenwashing-Geschichten abgestraft werden."