Ethisch korrekte Mode
17. Januar 2014Das Vorurteil, Öko-Mode sei farb- und formlos und bestehe aus groben Jutefasern, hat schon länger keinen Bestand mehr. Wer sich auf den Modemessen "Green Showroom" und "Ethical Fashion Show" in Berlin umsieht, kann keinen Unterschied zu einer konventionellen Modemesse erkennen. Die Oberteile, Röcke und Hosen an den Kleiderständern sind farbenfroh und haben moderne Schnitte. Die meisten sind aus Bio-Baumwolle, gemischt mit anderen Materialien wie Hanf. Sie sind nicht nur angenehm fürs Auge, sondern auch angenehm zu tragen.
Vor fünf Jahren und mit 16 Labels hat Designerin Magdalena Schaffrin ihren ersten Green Showroom in Berlin bestritten. Er ist eine Messe für Luxus-Öko-Mode und Teil der Berlin Fashion Week. 2012 kam die Ethical Fashion Show dazu, bei der Freizeit- und Sportmode präsentiert wird. Zusammen sind die beiden Messen die größten Plattformen für ökologisch und fair produzierte Mode in Europa - und ein wichtiger Teil der Fashion Week: 116 der 2500 Aussteller stehen für nachhaltige Textilproduktion, also für umweltschonende Herstellung und gute Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten.
Öko-Mode erobert also die Laufstege - aber erobert sie auch die Herzen der Verbraucher? 3,7 Prozent der Textilien auf dem deutschen Markt tragen ein Öko-Siegel. Die Zahl hat die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ermittelt. Sie zeigt, dass "im Vergleich zur konventionellen Modeindustrie die ökologische Mode immer noch eine Nische ist", wie Schaffrin einräumt. Zwar ist inzwischen weithin bekannt, dass viele Näherinnen etwa in Bangladesch oder Kambodscha schlecht bezahlt werden und in maroden Fabriken arbeiten. Auf das Kaufverhalten hat sich das aber bislang kaum ausgewirkt.
Öko-Mode ist schwer zu erkennen
Woran liegt das? Am Design und dem Tragekomfort nicht. Kleidung aus Hanf etwa ist gut für Allergiker und Menschen mit empfindlicher Haut. Die Firma Hempro International vertreibt Hanfprodukte. Unter ihrem Label "The Hemp Line" verarbeitet sie Hanf und Bio-Baumwolle zu T-Shirts, Kleidern, Röcken, Hosen und Wäsche. Die Preise liegen zwischen 14,90 und 79,90 Euro. Preise, die sich - von Mode-Discountern abgesehen - von denen für konventionell produzierte Kleidung nicht erheblich unterscheiden.
Dennoch scheint Öko-Mode es nicht leicht zu haben, den Markt zu erobern. Saskia Krämer von der "Fair Ware Foundation", die sich um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Textilfabriken kümmert, glaubt, dass ein einheitliches Nachhaltigkeitssiegel helfen könnte. "Es würde es Konsumenten leichter machen, nachhaltige Mode zu erkennen und sich auch darauf verlassen zu können." Für Lebensmittel gibt es das bekannte EU-Bio-Siegel, in der Öko-Mode viele verschiedene.
Eine Handvoll Etiketten
Zertifizierte Kleidungsstücke sind an einem angehängten Etikett zu erkennen. Greenpeace listet in einer Broschüre eine Auswahl von 13 Textilstandards auf, darunter das Bluesign, den Global Organic Textile Standard (GOTS) sowie das Label des Internationalen Verbandes der Naturtextilwirtschaft, IVN Best. Keines davon sei perfekt, heißt es, am vertrauenswürdigsten seien GOTS und IVN Best. Der GOTS kommt einem einheitlichen Siegel am nächsten.
Das GOTS-Label empfiehlt auch Schaffrin, weil es "streng ist und die ganze textile Kette absichert". Ist ein Textilprodukt GOTS-zertifiziert, heißt das, dass während des gesamten Produktionsprozesses bestimmte ökologische und soziale Standards eingehalten wurden. Die Sozialstandards richten sich nach den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), die unter anderem Zwangs- und Kinderarbeit verbieten und Arbeitern das Recht auf gerechte Löhne zusprechen. Der GOTS verlangt zudem, dass die Kleidung zu mindestens 70 Prozent aus ökologisch produzierter Naturfaser besteht, und definiert Grenzwerte für Chemikalien.
Kleine Labels fürchten die Konkurrenz nicht
Auch die Produktion von "The Hemp Line" ist GOTS-zertifiziert. Hergestellt wird die Kleidung in China, in Fabriken, die die Sozialstandards der IAO erfüllen. Dass dennoch kein GOTS-Siegel an den T-Shirts, Kleidern und Röcken von "The Hemp Line" baumelt, liegt am Stoff. Er besteht zum größten Teil aus Hanf. Da es aber keinen Bio-Hanf gibt, erfüllt "The Hamp Line" das Kriterium "mindestens 70 Prozent Öko-Naturfaser" nicht, wie Rebecca Kruse von Hempro International erklärt.
In diesem Fall ist also selbst für einen Verbraucher, der sich mit den Siegeln auskennt, nicht ersichtlich, dass er es mit einem Unternehmen zu tun hat, das unter für faire Arbeitsbedingungen produziert. Die von der GfK ermittelten 3,7 Prozent Öko-Mode geben daher nicht genau wieder, wie es um die Nachhaltigkeit in der Modebranche bestellt ist, da nicht jeder erfasst wird. Zudem wollen sich auch immer mehr große Modefirmen einen Öko-Anstrich geben - eine Entwicklung, die Kruse gut findet. "In den Bereichen Bio-Kosmetika und -Nahrungsmittel haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, dass große Firmen nachgezogen sind."
Olaf Schmidt, der Bereichsleiter Textilmessen des Fashion-Week-Veranstalters Messe Frankfurt, wünscht sich, dass Nachhaltigkeit in der Mode bald so verankert ist, dass keine Siegel mehr nötig sind. Die Chancen dafür stünden gar nicht schlecht. "Wir sehen auf anderen Textilveranstaltungen, dass der Bereich wächst - unter anderem daran, dass immer mehr Stoffunternehmen sich mit dem Thema befassen." Die GfK war in ihrer Analyse nicht so optimistisch: Ihr Fazit lautete, dass sich der Anteil von Öko-Textilien mittelfristig wohl nicht deutlich erhöhen wird, weil der Markt sich aufteile in preis- und qualitätsbewusste Verbraucher. Allerdings ist schon jetzt in der Öko-Mode gute Qualität durchaus zu guten Preisen zu haben.