1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Frankreichs Angriff auf die Pressefreiheit

Luisa von Richthofen +++NUR als Kommentarbild für die App geeignet!+++
Luisa von Richthofen
29. November 2020

Emmanuel Macron möchte Bilder von Polizisten im Einsatz strafbar machen. In einem Land, in dem es immer wieder zu Polizeigewalt kommt, ist das eine große Gefahr für die Pressefreiheit, meint Luisa von Richthofen.

https://p.dw.com/p/3lojM
Debatte um Polizeigewalt in Frankreich
Gerade erst heizte dieses Video (Screenshot) die Debatte in Frankreich an: Polizisten attackieren einen Musikproduzenten am 21. November massiv Bild: Stefano Rellandini/AFP/dpa/picture alliance

Schon der zweite Fall von Polizeigewalt innerhalb einer Woche erschüttert Frankreich. Nach der brutalen Räumung eines Zeltlagers afghanischer Flüchtlinge auf der Pariser Place de la République am Montag zeigt nun ein Video, wie drei Polizeibeamte ebenfalls in Paris massiv auf einen Schwarzen einprügeln. Dokumentiert sind beide Fälle durch Bilder, deren Verbreitung aber schon bald illegal sein wird.

Wen schützt das neue Sicherheitsgesetz?

Das soll Präsident Macrons neues Sicherheitsgesetz gewährleisten. Ziel des Gesetzes ist eigentlich, Polizisten vor Gewalt zu schützen. Doch seit Wochen fokussiert sich die Debatte fast ausschließlich auf den Artikel 24. Das ist eben jene Verfügung, die es künftig strafbar macht, Bilder von Polizeikräften aufzunehmen und zu verbreiten, "wenn diese dazu angetan sind, der psychischen oder körperlichen Unversehrtheit der Beamten zu schaden". Es drohen eine Strafe von bis zu 45.000 Euro und ein Jahr Gefängnis. Der Präsident hat dabei die nächste Wahl im Blick. Er gibt sich seit Monaten als "Law-and-Order Mann", möchte damit rechte Wähler ansprechen. Viele sehen aber im neuen Gesetz einen beschämenden Angriff auf die Pressefreiheit. Und das zu Recht.

Volos 2018 | Luisa von Richthofen
DW-Redakteurin Luisa von RichthofenBild: DW/P. Böll

Denn auch in Frankreich ist Polizeigewalt kein Fremdwort. Es kam es in den vergangenen Jahren wiederholt zu ungeheuren Gewaltexzessen. Etwa im Falle von Adama Traoré, der mit 24 Jahren in Polizeigewahrsam starb. Oder während der Gelbwesten-Proteste: 344 Kopfverletzungen, 28 zerstörte Augen, fünf abgerissene Hände und vier Tote - das war die traurige Bilanz der Demonstrationen. Das heißt nicht, dass Polizisten nicht ebenfalls angefeindet und verletzt werden. Doch eine demokratische Gesellschaft muss den Menschen, die staatliche Gewaltexzesse dokumentieren und bekannt machen, den Rücken stärken. Das neue Sicherheitsgesetz macht das nahezu unmöglich.

Regierung hält trotz Kritik an Gesetz fest

Die Kritik zieht weitere Kreise als nur bis zu den französischen Journalistenverbänden. Sogar die Europäische Kommission sah sich veranlasst, Macrons Regierung daran zu erinnern, dass Journalisten "ihre Arbeit frei und in völliger Sicherheit" ausüben können sollen. "Gefährlich für die Grundrechte" hat Amnesty International das Gesetz genannt. Als Reaktion auf diese Kritik wurde dem Artikel 24 der Satz hinzugefügt, dass dieser nicht zum Nachteil für das Informationsrecht ausgelegt werden soll. Doch das ist nichts als ein lächerliches Feigenblatt.

Der einzige Weg, die Pressefreiheit zu schützen, wäre es, Artikel 24 ganz zu streichen. Denn wenn es nur um den Schutz von Polizeibeamten geht, ist er überflüssig. Die Bedrohung und Beleidigung von Polizisten, auch in Sozialen Netzwerken, steht auch jetzt schon unter Strafe. Der Artikel 24 bringt also nichts Neues.

Gesetz öffnet Machtmissbrauch Tür und Tor

Außerdem ist Artikel 24 zu vage formuliert. Das öffnet dem Machtmissbrauch Tür und Tor. Denn wer schätzt in einer konkreten Situation ein, was möglicherweise die "psychische oder körperliche Unversehrtheit der Beamten gefährdet"? Ausgerechnet derjenige, den die Straftat betrifft und der die Verhaftung vornimmt - also der Polizist! Dabei reicht es schon, dass der Beamte sich bedroht fühlt.

Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes wird die Polizei gegen Personen vorgehen können, die zum Beispiel auf Demos filmen und live in Sozialen Netzwerken senden. Und auch, wenn es im Anschluss nicht zu einer Verurteilung des Filmenden oder der Journalisten kommt: Die Filmaufnahme wurde abgebrochen. Doch gerade diese Aufnahmen sind wichtige Quellen zur Dokumentation von Polizeigewalt.

Keine staatliche Willkür gegen Journalisten

Dieses Gesetz ist gefährlich. Die Franzosen leben bisher in einem freiheitlichen, demokratischen Staat, und das soll so bleiben. Denn auch reaktionäre Kräfte streben an die Macht. Jedes Gesetz, das Grundrechte schon jetzt einschränkt, bietet künftigen Regierungen die Möglichkeit, weitere Einschnitte vorzunehmen. 

Journalisten sollen keine Angst haben müssen, von der Polizei willkürlich verhaftet zu werden. Nicht in Frankreich und nicht in Europa. Es ist traurig, dass dies für Emmanuel Macron, der sich noch vor wenigen Wochen als Vorkämpfer der Meinungsfreiheit inszenierte, nicht mehr selbstverständlich ist.

Dieser Kommentar wurde aktualisiert.