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Politik

Der "Verdacht" gegen die AfD

Deutsche Welle Pfeifer Hans Portrait
Hans Pfeifer
3. März 2021

Der Bundesverfassungsschutz hat die AfD zu einem rechtsextremen “Verdachtsfall“ erklärt. Das berichten mehrere Medien und sogenannte "Parlamentskreise" übereinstimmend. Doch der Nutzen ist fraglich, meint Hans Pfeifer.

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Ein glatzköpfiges Mitglied der Partei AfD mit Partei-T-Shirt sitzt im Publikum einer Wahlkampfveranstaltung
Ob die AfD nun tatsächlich rechtsextremistisch ist, soll jetzt der Bundesverfassungsschutz herausfindenBild: picture-alliance/dpa/F. von Erichsen

Es braucht keinen Geheimdienst um festzustellen, dass die "Alternative für Deutschland" eine zunehmend rechtsextreme Partei ist. Demokratieverächter, Feinde der Pressefreiheit, autoritäre Machtphantasten, Rassisten, Antisemiten, homophobe Menschenhasser, Neonazis - sie alle haben reichlich und zunehmend Platz in dieser Partei.

Dokumentiert wird das vor allem durch die AfD selbst. Auf Facebook, Twitter und Co. werben die Mitglieder mit radikalen Bildern und Parolen um die Gunst der Wähler. Der führende deutsche Neonazi Thorsten Heise fasst den Extremismus der AfD treffend zusammen: Es sei fast unmöglich etwas radikaler auszudrücken als die AfD, ohne die Grenze der Strafbarkeit deutlich zu überschreiten.

Überwachung hat Konsequenzen

Mit der AfD verhält es sich also wie mit Donald Trump: Um die Gefährlichkeit zu erkennen braucht man kein Experte - geschweige denn Geheimdienstler - zu sein. Es reichen etwas politisches Interesse und der gesunde Menschenverstand.

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DW-Hauptstadtkorrespondent Hans PfeiferBild: DW/B. Geilert

Nun liefert der Verfassungsschutz nicht nur Erkenntnisgewinn, seine Arbeit hat auch politische Konsequenzen: Wenn der Verfassungsschutz jetzt gegen die selbsternannte "Alternative für Deutschland" aktiv wird, können Mitglieder mit geheimdienstlichen Methoden überwacht werden. Außerdem fördert die Überwachung den parteiinternen Streit um den politischen Kurs. Aber wird Deutschland dadurch sicherer und die Demokratie besser geschützt? Das darf getrost bezweifelt werden.

Die naheliegendste Kritik an der Überwachung kommt von der AfD selber: Mit der Maßnahme würde das politische Establishment versuchen, eine große Oppositionspartei einzuschüchtern. Da die Einstufung des Verfassungsschutzes kurz vor zwei wichtigen Landtagswahlen kommt und wenige Monate vor der noch wichtigeren Bundestagswahl, ist das Argument nicht ganz von der Hand zu weisen. Wobei eingeräumt werden muss, dass kein Zeitpunkt für eine Partei angenehm ist. Aber natürlich ist und war der Verfassungsschutz immer schon eine politische und keine neutrale Behörde. Die zuständigen Innenminister haben den Fokus der Arbeit häufig an der politischen Großwetterlage ausgerichtet und nicht an den realen Gefahren.

Die Frage der Parteienüberwachung ist schon lange umstritten: Auch Teile der Partei "Die Linke" werden vom Geheimdienst überwacht. Und auch die kritisiert das staatliche Misstrauen als politische Einschüchterung.

Versagen im Kampf gegen rechts

Der Nutzen für die Demokratie darf aber vor allem bei einem Blick in die jüngere deutsche Vergangenheit in Frage gestellt werden. Denn im Kampf gegen Rechtsextremismus und rechten Terror werfen selbst wohlmeinende Unterstützer der Behörde Staatsversagen vor.

Zum Beispiel bei der Aufklärung der Straftaten der rechten Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU). Die Terroristen ermordeten zehn Menschen, verübten Sprengstoffanschläge und überfielen zahlreiche Banken - und das umgeben von einem engmaschigen Netz an Zuarbeitern des Verfassungsschutzes. Verhindert haben die das Morden nicht. Im Gegenteil. Ein Neonazi aus dem Umfeld des NSU bekam für seine Spitzeltätigkeit insgesamt rund 100.000 Euro an Steuergeldern gezahlt. Mit dem Geld konnte er das braune Netz weiter ausbauen. Eine Gegenleistung bekam der Staat dafür nicht.

Ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes war sogar bei einem der NSU-Morde zugegen. Bei ihm Zuhause fand die Polizei Abschriften aus Adolf Hitlers Manifest "Mein Kampf". An seinem Wohnort hatte er den Spitznamen "Klein-Adolf". Er selbst bestreitet trotz erdrückender Beweise, etwas von dem Mord mitbekommen zu haben. Die Akten zu seinem Fall hat das zuständige hessische Innenministerium für 30 Jahre gesperrt.

Eine Aufgabe der ganzen Gesellschaft

Es gibt also genügend Grund für Misstrauen in die Arbeit des deutschen Inlandsgeheimdienstes. Zumal die aktuelle Einschätzung in Bezug auf den Rechtsextremismus in der AfD alles andere als früh kommt.

Im Umgang mit der AfD sollte den Deutschen der Aufstieg des US-Politikers Donald Trump eine Lehre sein: Demokratiefeinde erledigen sich nicht von selbst und sie werden auch nicht durch staatliche Behörden, Gerichte oder Institutionen gestoppt. Am Ende ist das die Aufgabe der ganzen Gesellschaft. Dieser Kampf lässt sich nicht an eine Behörde delegieren. Die Holocaust-Überlebende Charlotte Knobloch hat das in ihrer Rede vor dem Deutschen Bundestag am 27. Januar 2021 eindrucksvoll in Richtung AfD klar gemacht: "Sie werden weiter für ihr Deutschland kämpfen. Und wir werden weiter für unser Deutschland kämpfen."

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Hans Pfeifer Autor und Reporter