1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Mein größter Wunsch ist Arbeit"

Jan Philipp Wilhelm / Fred Muvunyi30. September 2015

Michael Williams floh 2012 aus Nigeria über Libyen bis nach Deutschland. Er lebt in einem Flüchtlingsheim in Bornheim bei Bonn. Hier wartet er darauf, dass die deutschen Behörden über seinen Asylantrag entscheiden.

https://p.dw.com/p/1Geli
Reportage über afrikanische Flüchtlinge in Deutschland - Bornheim
Bild: DW/J.P. Wilhelm

Der Herd steht im Keller. Michael Williams muss über die Treppen durch einen dunklen Flur, um in die kahle Küche in der Flüchtlingsunterkunft zu kommen. "Hier koche ich für mich," erzählt der 29-Jährige. Oft gebe es Suppe, dazu Eba, eine nigerianische Beilage aus Maniok. Was er dafür braucht, kauft er im Afro-Shop. Doch da bekommt er nicht alles: "Ich vermisse schon viele Zutaten, manches ist hier auch sehr teuer. Aber irgendwie geht es."

Williams ist einer von etwa 300 Flüchtlingen, die derzeit der Stadt Bornheim bei Bonn zugewiesen sind. Er lebt mit 20 anderen in einem Haus, das der Stadt gehört. Seit November 2014 wartet er darauf, ob sein Antrag auf Asyl anerkannt wird. "Ich weiß nicht, ob ich bleiben kann", sagt Williams. Die Ungewissheit setzt ihm zu. Immer wieder betont er, wie schwer es ihm falle, nichts Sinnvolles zu tun zu haben: "Es ist nicht einfach. Ich möchte mich selbst versorgen, aber ich muss warten."

Drei Betten und ein Fernseher

Dem Sozialdezernenten der Stadt Bornheim Markus Schnapka gefällt das überhaupt nicht: "Niemand hat es verdient, so lange auf die Umsetzung seines Grundrechts warten zu müssen", sagt er. Zu seinen Aufgaben gehören die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge in Bornheim. Einfluss auf die Asylverfahren hat er nicht - darum kümmert sich allein das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die dortigen Kapazitäten ließen allerdings zu wünschen übrig, so Schnapka. "Wir sagen der Bundesregierung ganz deutlich, dass sie die Zahl der Beamten, die diese Verfahren bearbeiten, dringend erhöhen muss."

Zimmer im Flüchtlingsheim in Bornheim (Foto: DW/Wilhelm)
Sein Zimmer teilt sich Michael mit zwei anderen FlüchtlingenBild: DW/J.P. Wilhelm

Im Flur des Flüchtlingsheimes bröckelt der Putz von den Wänden, es riecht nach Toiletten. "Es ist nicht so gut hier", sagt der Nigerianer. Aber er wolle sich nicht beklagen: "Ich habe keine Wahl. Ich muss nehmen, was ich kriegen kann." Williams teilt sich sein Zimmer mit zwei Männern aus Guinea. Seit einiger Zeit steht immerhin ein großer Röhrenfernseher im Zimmer - der wäre sonst auf dem Sperrmüll gelandet.

Die meisten der 300 Bornheimer Asylbewerber leben wie Williams in Wohnheimen und Privatwohnungen. Seit kurzem gibt es auch zwei Wohncontainer - die Stadt nennt sie "Pavillons". Man bemühe sich, die Flüchtlinge möglichst über das gesamte Stadtgebiet zu verteilen, sagt Sozialdezernent Schnapka. Maximal würden rund 20 Personen pro Wohneinheit untergebracht. "Damit vermeiden wir die für große Flüchtlingsheime typischen Spannungen zwischen den Bewohnern und schaffen die Atmosphäre einer Wohngemeinschaft", so Schnapka.

Flüchtlingsheim in Bornheim (Foto: DW/Wilhelm)
Das Haus gehört der Stadt, 21 Flüchtlinge leben dortBild: DW/J.P. Wilhelm

"Ich hatte nie geplant, nach Europa zu kommen"

Dass er einmal in so einem Heim in Deutschland leben würde, hätte Michael Williams nicht gedacht. In Nigeria wuchs er als Sohn eines Moslems und einer Christin auf - und hatte dadurch einen schweren Stand in einer Gesellschaft, in der es häufig Spannungen zwischen den beiden Religionen gibt. Seine Mutter war früh verstorben. Als auch sein Vater starb, verstieß ihn dessen Familie. Williams verlor seine Zuhause, seine Arbeit - und nach mehreren Jahren auch die Hoffnung, dass es für ihn noch einmal besser werden könnte. 2012 legte sein Leben in die Hände von Schleppern, die ihn nach Libyen bringen sollten.

Auf dem Weg durch die Wüste starben fünf seiner Mitreisenden. Williams überlebte, erreichte Libyen und fand schnell Arbeit. Doch im Sommer 2014 eskalierte dort der Bürgerkrieg. Für Menschen, die wie Williams aus Ländern südlich der Sahara kamen, wurde das Leben in Libyen unerträglich: Viele wurden als Zwangsarbeiter missbraucht oder Opfer rassistischer Übergriffe."Ich hatte nie geplant nach Europa zu kommen", sagt er. "Aber ich konnte nicht in Libyen bleiben. Sie haben mich ausgeraubt und verprügelt, ich hatte Angst auf die Straße zu gehen."

Wie viele andere entschied er sich für die riskante Fahrt übers Mittelmeer. Als der Motor der überfüllten Barkasse kurz vor Italien den Geist aufgab, befürchtete Williams bereits das Schlimmste. Niemand auf dem Boot wusste, was zu tun war. Erst Stunden später gelang es einem Passagier, den Motor wieder anzuwerfen. Ein italienischer Helikopter erspähte schließlich das Flüchtlingsboot und wies den Weg zum Festland.

Symbolbild Flüchtlingsboot Küste Libyen (Foto: REUTERS/Darrin Zammit Lupi)
Ein Boot mit Flüchtlingen vor der libyschen KüsteBild: Reuters/D. Zammit Lupi

Arbeiten statt betteln

In Italien zu bleiben kam für Williams nicht in Frage. "Viele von uns haben angefangen zu betteln", berichtet er. Da habe er nicht mitmachen können. "Ich wollte an einen Ort, wo es Arbeit für mich gibt. Das ist mein größter Wunsch. Deswegen bin ich nach Deutschland gekommen." Doch mehr als einen Sprachkurs und ein von Ehrenamtlichen betriebenes Freizeitprogramm könne auch Bornheim ihm nicht bieten, sagt Sozialdezernent Schnapka. "Wir können den Asylbewerbern keine Arbeit geben, so lange noch nicht über ihren Antrag entschieden wurde - so will es das Gesetz."

Wie Williams Chancen auf Asyl in Deutschland stehen, darüber will Markus Schnapka nicht spekulieren. Doch es sieht nicht gut aus: Im vergangenen Jahr hatten laut Bundesamt für Migration nur etwas mehr als 300 der knapp 4000 Asylanträge von Nigerianern Erfolg. Williams selbst sagt zunächst, dass er auch eine Ablehnung akzeptieren würde. Doch später hält er daran nicht mehr fest: "Ich kann nicht zurück nach Nigeria", sagt er zum Abschied. "Wenn sie mich ablehnen, dann wäre das so, als würden sie mich töten."