Mehr Vielfalt im Lehrerzimmer
6. Juni 2013Die Politik wünscht sie sich. Schließlich könnten sie ein Schlüssel für mehr Verständnis für fremde Kulturen in deutschen Klassenzimmern sein - die Rede ist von Lehrern mit Migrationshintergrund. Bilge Mermertas ist eine von ihnen, oder besser: Die 19-Jährige will es einmal werden.
"Es klingt ein bisschen nach Klischee", lacht die in Deutschland geborene junge Frau, deren Eltern vor über 40 Jahren nach Hannover kamen. "Aber, wie in türkischen Familien üblich, habe ich viele Cousins und Cousinen, und um die habe ich mich immer schon gern gekümmert. Da konnte ich schnell merken, dass ich einen guten Draht zu Kindern habe", so Mermertas. Nach einem Praktikum und der Teilnahme am Hildesheimer Schülercampus "Mehr Migranten werden Lehrer" stand ihr Berufswunsch dann endgültig fest.
"Kannst du Türkisch?"
Inzwischen studiert Bilge im zweiten Semester Grundschullehramt an der Universität Hildesheim – in den Fächern Deutsch, Wirtschaftslehre und Sachunterricht. Anders als an vielen Unis in Deutschland stehen hier schon relativ früh praktische Erfahrungen für Studenten auf dem Programm: Bereits im ersten Semester beobachten die Studenten bei den so genannten schulpraktischen Studien in kleinen Gruppen Unterricht an einer Praktikumsschule. "Hier wurde ich dann auch zum ersten Mal von einer Schülerin danach gefragt, ob ich denn auch Türkisch sprechen kann", so die Studentin. "Die hat sich richtig gefreut, als ich ja gesagt habe!"
Sprachkenntnisse, das Wissen um Besonderheiten aus anderen Kulturen - dass diese Fähigkeiten den Unterricht bereichern können, liegt auf der Hand. "Wenn man selbst mehrsprachig aufgewachsen ist oder vielleicht auch bestimmte Hürden im Bildungssystem nehmen musste, dann ist man natürlich auch eher in der Lage, Schülerinnen und Schülern bei ähnlichen Problemen zu helfen", bringt es die Hildesheimer Erziehungswissenschaftlerin Yvonne Rechter auf den Punkt.
Thema im Lehrplan: Die Vielfalt im Klassenzimmer
Dennoch ist Rechter der Meinung, dass diese Fähigkeiten zwar auf viele Studenten mit Migrationshintergrund zutreffen können - aber nicht zwingend auf alle zutreffen müssen. Daher werden sie - wie alle anderen Studenten - besonders auf die kulturelle Vielfalt in deutschen Klassenzimmern vorbereitet. Etwa im Projekt "LernKU(H)LT", das Yvonne Rechter betreut. Hier fördern Lehramtsstudenten Kinder mit unterschiedlichen Herkunftssprachen zweimal wöchentlich in Deutsch. Dabei lernen sie auch, mit kulturellen Unterschieden aus den Heimatländern der Kinder umzugehen.
Neben Projekten und Lehrveranstaltungen, die sich mit "Diversity Education" und interkultureller Pädagogik beschäftigen, konfrontiert die Hochschule ihre Studenten schon früh mit der realen Rolle des Lehrers im Klassenzimmer. Bereits im zweiten Semester dürfen die Studierenden zum ersten Mal alleine eine ganze Klasse unterrichten. "Da vorne zu stehen ist dann tatsächlich schon eine besondere Erfahrung", meint Bilge Mermertas.
Erfolg hängt nicht vom deutschen Pass ab
Studienkollegin Arta Kolgeci beschreibt es als "erleuchtenden Moment" zu merken, dass der vorbereitete Unterricht den Kindern tatsächlich Spaß macht. Dass sie kosovarische Vorfahren hat, scheint da für sie erst mal keine Rolle zu spielen. Auch nicht für die Schüler: Angesprochen auf den Vergleich zum herkömmlichen Unterricht spielen sie lediglich auf das jüngere Alter der "neuen" Lehrerin an.
Bilge Mermertas möchte in ihrem Beruf später einmal genau das machen, was sich Erziehungswissenschaftler wie auch Yvonne Rechter von ihr erhoffen: Den Kindern zeigen, dass sie in Deutschland auch erfolgreich sein können, wenn ihre Familien aus anderen Ländern nach Deutschland gekommen sind. "Kinder auf das Leben vorzubereiten", so Mermertas, "gibt meinem Leben einen Sinn. Jemandem zu helfen, das macht mich persönlich glücklich."