"Mehr Effizienz ist möglich"
5. November 2013Es versteht sich als Wächter der Bürgerrechte in den USA. Keine Frage, dass dem Privacy and Civil Liberties Oversight Board auf dem Höhepunkt der Spähaffäre besondere Bedeutung zukommt. Es wurde im Jahre 2004 vom amerikanischen Kongress gegründet, um den Präsidenten und seine Administration zu beraten und auf die Einhaltung der Bürger- und Freiheitsrechte zu achten. Während die Chefs der deutschen Geheimdienste Bundesnachrichtendienst und Bundesamt für Verfassungsschutz im Weißen Haus mit US-Fachleuten über ein neues Spionageabkommen verhandelten, hielt das Gremium am Montag (04.11.2013) wenige Straßenzüge weiter eine öffentliche Anhörung ab. Eingeladen waren Vertreter der National Security Agency (NSA) und anderer amerikanischer Sicherheitsdienste sowie Rechts- und Geheimdienstexperten. Die Ergebnisse sollen in einen Bericht einfließen, der zeitnah Präsident Barack Obama vorgelegt werden soll.
DW: Herr Medine, stand die Anhörung im Zusammenhang mit Präsident Obamas angekündigter Überprüfung der Geheimdienstarbeit?
David Medine: Unser Gremium wurde vom Kongress als überparteiliches, unabhängiges und permanent tagendes Komitee gegründet. Ich bin im Mai dazugekommen, vier Tage vor Bekanntwerden der Enthüllungen Edward Snowdens. Der Präsident und die Mitglieder von Senat und Repräsentantenhaus haben uns um eine Überprüfung der Überwachungsprogramme gebeten. Während des Sommers sammelten wir Informationen, erhielten vertrauliche Briefings und überprüften Entscheidungen des Foreign Intelligence Surveillance Courts. Wir haben dann entschieden, dass eine öffentliche Anhörung zum jetzigen Zeitpunkt nützlich wäre.
Welche Erkenntnisse haben Sie bei dieser Anhörung gewonnen?
Wir haben eine Menge über mögliche Reformen erfahren, zu denen die Regierung bereit ist. Wir haben gehört, dass sie erwägt, Daten für eine kürzere Zeit zu erfassen als die derzeit üblichen fünf Jahre und dass sie ernsthaft über eine Begrenzung bei der Sammlung von Telefon-Metadaten und eine Ausweitung des Schutzes für Nicht-Amerikaner nachdenken. Das sind wichtige Ansätze. Wir werden nach dieser Anhörung daraus unsere Schlüsse ziehen und Empfehlungen formulieren.
Wie würden Sie die Arbeit Ihres Gremiums einem ausländischen Publikum erklären?
Wir sind einzigartig in der Welt als unabhängige und überparteiliche Regierungsagentur, die vollen Zugang zu allen Verschluss-Dokumenten und Geheimdienstprogrammen hat. Und wir sind frei, unsere Ansichten darüber zu äußern, ob diese Programme die Balance zwischen der Nationalen Sicherheit und der Privatsphäre sowie den freiheitlichen Bürgerrechten halten. Ich kenne kein Land, das eine Regierungsagentur mit diesen Rechten ausstattet. Das ist auch bei dieser Anhörung klar geworden, bei der wir eine öffentliche Diskussion hatten und Fragen stellen konnten.
Die eingeladenen Rechtsexperten haben zwei Aspekte besonders kritisch beleuchtet: die aus ihrer Sicht mangelnde Aufsicht des Kongresses über die Sicherheitsbehörden und die Arbeit des Foreign Intelligence Surveillance Court, der die Überwachungsaktionen jeweils genehmigen muss. Was haben Sie erfahren?
Auf jeden Fall kann die Arbeit des Kongresses noch effizienter gestaltet werden. Das ist die Voraussetzung für eine wirksamere Kontrolle der Geheimdienste. Beim Foreign Intelligence Surveillance Court spielen auch verfassungsrechtliche Probleme eine Rolle. Es geht beispielsweise um die Frage, ob in strittigen Fällen künftig das oberste Verfassungsgericht, der Supreme Court, angerufen werden kann.
Wenn wir auf die Privatsphäre ausländischer Bürger schauen, was sind da Ihre größten Sorgen?
Wir wägen ab, ob es eine gesetzliche Möglichkeit gibt, ausländischen Bürgern Schutz zu gewähren. Darüber hinaus ist fraglich, ob dies für den gesamten Bereich der bürgerlichen Freiheitsrechte angemessen ist. Wir haben noch keine Schlüsse gezogen, aber wir konnten heute wertvolle Beiträge dazu hören.
Dass die NSA gerade auch Nicht-Amerikaner ausgespäht hat, stand bei der Anhörung nicht im Mittelpunkt. Können Sie die Empörung in Europa über die Spähaffäre verstehen und was ist Ihre Botschaft an das europäische Publikum?
Es gab Bedenken hier in den USA und weltweit, was diese Programme angeht, und das ist der Grund, warum wir sie jetzt untersuchen. Wir schauen sie uns sehr genau an, vor allem, inwieweit Privatsphäre und Bürgerrechte geschützt sind. Noch einmal: Wir sind unabhängig. Wir stimmen unseren Bericht nicht im Vorfeld mit den Beamten im Weißen Haus ab, sondern übermitteln ihn direkt an den Präsidenten und den Kongress.
David Medine ist Anwalt und Datenexperte. Er diente der US-Regierung in der Vergangenheit in verschiedenen Funktionen. Seit Mai 2013 ist er Vorsitzender des Privacy and Civil Liberties Oversight Board.
Das Interview führte Gero Schließ.