Malta blockiert Flieger deutscher Seenotretter
4. Juli 2018Die Regierung in Malta erhöht den Druck auf die Flüchtlingshelfer auf dem Mittelmeer: Wie die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch in Berlin mitteilte, haben die Behörden des EU-Inselstaates nicht nur eines ihrer Rettungsschiffe festgesetzt, sondern verweigern auch einem ihrer Aufklärungsflugzeuge die Starterlaubnis. Bereits seit einigen Wochen erhalte die "Moonbird" keine Erlaubnis mehr zu starten, sagte Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer.
Zur Begründung habe die maltesische Flugverkehrsbehörde auf die Rettungsaktionen des Kleinflugzeugs verwiesen. "Es geht ganz offensichtlich darum, die Seenotrettung zu verhindern", sagte Neugebauer. "Es ist eine Farce, das ist wie wenn man einen Krankenwagen davon abhält, zu einem Verkehrsunfall zu fahren, weil man erst noch wochenlang die Fahrzeugpapiere kontrollieren muss", so Neugebauer. Das Vorgehen Maltas nannte er "schäbig". Anwälte prüften derzeit, ob die Organisation dagegen vorgehen könne.
Das Flugzeug wird von Sea-Watch gemeinsam mit der Schweizer Humanitären Piloteninitiative betrieben und von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) unterstützt. Es fliegt seit mehr als einem Jahr regelmäßig über das Mittelmeer, um Flüchtlinge in Seenot zu orten. Nach Angaben der Organisation konnten dadurch bereits rund tausend Menschen gerettet werden. Allein 2017 habe die "Moonbird" 119 Boote in Seenot gesichtet.
Auch das Rettungsschiff "Sea-Watch 3" der in Berlin ansässigen Organisation wird weiterhin von Malta an seinen Einsätzen gehindert. Laut Neugebauer wird aktuell der "Status des Schiffes" geprüft. Auch dieses Vorgehen nannte er "politisch motiviert", da eine ähnliche Überprüfung erst vor kurzem stattgefunden habe.
Italien und Malta mauern
Besonders Italien und Malta fahren seit einigen Wochen einen harten Kurs im Umgang mit den Hilfsorganisationen, die Flüchtlinge vor der libyschen Küste vor dem Ertrinken retten. Rom will seit dem Antritt der Regierung unter Beteiligung der fremdenfeindlichen Lega-Partei gar keine Schiffe von Hilfsorganisationen mehr in seine Häfen lassen. Auch Malta wies bereits mehrere Schiffe ab und geht gerichtlich gegen den Kapitän eines Rettungsschiffes der deutschen Organisation "Lifeline" vor, nachdem das Schiff vergangene Woche in Valletta anlegen durfte. Seitdem sitzt es dort fest.
Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa ist damit keine Nichtregierungsorganisation mit Schiffen mehr vor Libyen im Einsatz - obwohl gerade besonders viele der schrottreifen Boote mit Migranten ablegen. Die "Aquarius" der Organisationen "Ärzte ohne Grenzen" und SOS Mediterranée liegt derzeit in Marseille im Hafen.
Hilfsschiff in Barcelona eingetroffen
Ein Schiff der spanischen Organisation Proactiva Open Arms kam derweil mit 60 geretteten Migranten in Barcelona an, nachdem ihr Italien und Malta die Einfahrt verweigert hatten. Die Migranten aus 14 Ländern sollten in der spanischen Metropole medizinisch untersucht, versorgt und registriert werden, hieß es von Proactiva. Gründer Oscar Camps beklagte auf Twitter, seine Organisation hätte am Wochenende mehr Flüchtlinge retten können, die inzwischen ertrunken seien, sei aber aufgrund der italienischen Blockade und der Fahrt nach Spanien daran gehindert worden.
In Libyen setzen sich die Flüchtlinge trotz allem immer noch in die Boote. Ein Unglück reiht sich an das nächste. Laut Internationaler Organisation für Migration (IOM) kamen allein seit dem 19. Juni 483 Migranten auf der zentralen Route Richtung Italien ums Leben. Es müssten wieder mehr Rettungsschiffe unterwegs sein, um noch mehr Tote zu verhindern, twitterte IOM-Sprecher Flavio Di Giacomo. Die libysche Küstenwache barg derweil sechs weitere Tote aus dem Meer. 125 Menschen seien gerettet worden, nachdem ein Flüchtlingsboot östlich der Hauptstadt Tripolis gesunken sei, teilte die libysche Marine mit.
Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten bei ihrem Gipfel Ende vergangener Woche in Brüssel eine Reihe von Beschlüssen zu einer Verschärfung der Migrationspolitik gefasst. Sie einigten sich unter anderem auf Aufnahmeeinrichtungen außerhalb der EU und Flüchtlingszentren innerhalb der Gemeinschaft.
Kurz will Mittelmeer-Route schließen
Derweil bekräftigte der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz seinen harten Kurs in der Flüchtlingspolitik. Trotz sinkender Migrationszahlen sei die Schließung der Flüchtlingsroute über das Mittelmeer sein großes Ziel, sagte der 31-jährige Politiker der konservativen Volkspartei (ÖVP) im Fernsehen: "Dafür werde ich kämpfen."
Dass den Flüchtlingen der Weg über das Mittelmeer versperrt werden soll, sei notwendig, weil der Migrationsdruck nach wie vor stark sei, sagte Kurz. In Libyen würden derzeit rund 500.000 Menschen auf die Überfahrt warten. Die Flüchtlingszahlen hätten sich zwar zuletzt jedes Jahr halbiert, man müsse aber alles tun, dass der Zustrom weiter sinke, sagte Kurz. "Die Zahlen sind aus meiner Sicht noch immer deutlich zu hoch." Jede Wochen würden Hunderte Menschen nach Österreich kommen, in Deutschland seien die Zahlen zehnmal so hoch.
Zum Schutz der Außengrenzen brauche es eine europäische Lösung. Sollte das nicht gelingen, müssten die nationalen Grenzen hochgefahren werden. Österreich hat Anfang Juli für eine halbes Jahr den EU-Ratsvorsitz übernommen. Kurz kündigte an, einen Schwerpunkt auf das Thema Migration setzen zu wollen.
kle/sam (dpa, afp, epd, rtr)