"Lukaschenko hat keine Ressourcen mehr"
6. November 2020"Man will Sie in einen Krieg gegen Ihr eigenes Volk hineinziehen", heißt es in einem Aufruf an die belarussischen Soldaten, der von der Bürgerrechtlerin und Ex-Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja sowie dem früheren Kulturminister Pawel Latuschko formuliert wurde. "Lukaschenko hat keine Ressourcen mehr, um sich an der Macht zu halten." Die Streitkräfte sollten vielmehr dem Volk gegenüber loyal sein. Sie sollten nicht "den kriminellen Befehlen" Folge leisten, so Tichanowskaja und Latuschko.
In Belarus kommt es seit der umstrittenen Präsidentenwahl im August regelmäßig zu Protesten gegen Alexander Lukaschenko. Der 66-Jährige hatte sich mit gut 80 Prozent der Stimmen erneut zum Sieger erklären lassen - nach 26 Jahren an der Macht. Die Opposition sieht hingegen Tichanowskaja als Wahlsiegerin an.
Die Sicherheitskräfte gehen immer wieder brutal gegen friedliche Demonstranten vor. Allein am vergangenen Sonntag gab es rund 300 Festnahmen. Kritik an dem Vorgehen der Behörden kam einmal mehr von Amnesty International: "Indem die belarussischen Behörden Hunderte Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer friedlichen Demonstration offiziell als 'Kriminelle' bezeichnen, zeigen sie ihre tiefe Missachtung der Menschenrechte und grundlegender Freiheiten", betonte die Menschenrechtsorganisation.
OSZE für Wahlwiederholung
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprach sich dafür aus, die Präsidentenwahl unter internationaler Beobachtung zu wiederholen. Insgesamt gebe es "überwältigende Beweise" dafür, dass die Wahl vom 9. August 2020 gefälscht worden sei, heißt es in einem in Wien veröffentlichten Bericht. Die Abstimmung sei weder "transparent" noch "frei oder fair" verlaufen. Das offizielle Wahlergebnis müsse deshalb annulliert werden.
Die Vorwürfe im Zusammenhang mit schweren Menschenrechtsverletzungen seien "als massiv und systematisch befunden und zweifelsfrei bewiesen" worden, sagte der österreichische Jurist Wolfgang Benedek, der zahlreiche Eingaben von belarussischen Bürgern und Organisationen untersuchte. In einem ersten Schritt müssten die belarussischen Behörden nun "ihre Kampagne der Gewalt gegen friedliche Demonstranten" einstellen, alle zu Unrecht inhaftierten Personen freilassen und die Täter zur Rechenschaft ziehen, forderten OSZE-Experten.
Tichanowskaja dankte bei einem Treffen in Wien dem österreichischen Kanzler Sebastian Kurz dafür, dass er - wie auch andere EU-Staats- und Regierungschefs - Lukaschenko nicht mehr als Präsidenten anerkenne. An diesem Donnerstag endete offiziell die reguläre Amtszeit des Machthabers, der von Gegnern als "letzter Diktator Europas" bezeichnet wird.
wa/no (dpa, afp)