Londoner Sicherheit
19. April 2013Nachdem der Beerdigungsumzug durch die Londoner Innenstadt für die frühere Premierministerin Margaret Thatcher unter strengen Sicherheitsvorkehrungen stattfand, bleiben Londoner Polizei und Sicherheitskräfte in höchster Alarmbereitschaft. Am Sonntag findet mit dem Londoner Marathon eine noch weitflächigere öffentliche Veranstaltung statt, und nachdem der Bombenanschlag auf den Boston-Marathon die Welt schockiert hat, haben Sicherheitsbedenken in London jetzt die höchste Priorität - nicht nur für Veranstalter und Polizei, sondern auch für die Marathonläufer und Zuschauer.
Um den Bedenken entgegen zu wirken, können Londoner Polizei und Sicherheitsdienste "eine langjährige Erfahrung im Bereich Sicherheit und Polizeiarbeit bei öffentlichen Veranstaltungen vorweisen", betonte Metropolitan Polizeioberrat Julia Pendry.
Von Margaret Thatchers Beerdigung abgesehen, haben die Britische Sicherheitskräfte kürzlich die Sicherheitsmaßnahmen der Olympischen Spiele in 2012 erfolgreich überwacht. Sie haben sowohl aus den Erfahrungen des sogenannten "7/7 "Terrorangriffs vom 7. Juli 2005 in London gelernt, bei dem 52 Leute den Tod fanden, als auch von den Terrorangriffen während des Nordirland-Konflikts. Besonders in den vergangenen Wochen haben sie Handyanrufe und die Benutzerkonten islamistisch-fundamentalistischer Terrorzellen in sozialen Netzwerken elektronisch überwacht.
"Wir haben umfassende und perfekt eingespielte Sicherheitsmaßnahmen", erläuterte Scotland-Yard-Kommandantin Christine Jones diese Woche. "Wir arbeiten eng mit dem Organisationsteam des Marathons zusammen um sicherzustellen, dass wir alle entscheidenden Taktiken anwenden können. Denn die Terrorismusgefahr in Grossbritannien hat sich nicht geändert."
Dennoch stuft die britische Regierung die Bedrohung durch Terroranschläge als "beträchtlich" ein - sprich: die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs ist hoch.
42 Kilometer Sicherheit
Die Marathonläufer werden an solch historischen Gebäuden wie der Tower Bridge und dem Glockenturm Big Ben vorbeilaufen, den Platz Parliament Square passieren, an dem sich der Sitz des britischen Parlaments befindet, sowie Canary Wharf, einen der weltgrössten Bürokomplexe. Der Marathon endet am Buckingham Palace, dem Wohnort der Königin.
Alexia Ash, Direktorin der Nordamerikanischen Sicherheitsberatungfirma Exckusive Analysis, betont, dass es nicht möglich sei, einen Marathon hundertprozentig zu sichern, ohne das Wesen der Veranstaltung zu zerstören. "Sicherheit kann man nicht an jeder Stelle einer Route von 42 Kilometer Länge gewährleisten", sagte sie der DW.
Somit werden Start- und Ziellinien die höchste Priorität eingeräumt. Laut Ash sind Leute, die mit einem Anschlag vor allem Aufmerksamkeit gewinnen wollen, kaum interessiert daran, Stellen zu treffen, an denen nur wenige Zuschauer oder Fernsehkameras sind.
"Wir sehen bereits jetzt die Maßnahmen, die auch am Sonntag beim Marathon eingesetzt werden", sagt Ash, "und die beinhalten eine verstärkte Polizeipräsenz, verstärkte Sicherheitskontrollen und Kameraüberwachung ebenso wie Taschenkontrollen und andere Stichproben."
Mehr Augenpaare, mehr Sicherheit
Will Geddes, Direktor der Verwaltungsgesellschaft International Corporate Protection, stimmt dieser Risikobewertung zu. "Heutzutage wollen Terroristen hauptsächlich zwei Ziele erreichen", sagte er der DW. "So viel Aufmerksamkeit wie möglich und möglichst große Menschenmengen, die von einem Bombenattentat betroffen sein könnten."
Erwartet werden am Sonntag eine halbe Million Zuschauer, die an den Londoner Strassen, auf den Brücken und in den Parkanlagen das Rennen verfolgen - viele, die sich über die Möglichkeit von Gewalt oder Terrorismus Gedanken machen und sich bedroht fühlen. Besorgte Zuschauer sind gerade das, was man bei solchen großangelegten Sicherheitsvorkehrungen benötigt, betont Sicherheitsexperte Geddes.
"Wo Regierungsorgane die Lücke nicht füllen können, spielt die Öffentlichkeit eine wirklich entscheidende Rolle, indem sie auf sämtliche verdächtige Aktivitäten oder Personen hinweist, bei denen sie eine Überwachung für notwendig hält."
Ein Zeichen des Respekts
Gerade wegen der erhöhten öffentlichen Wachsamkeit plant Gordeon Jelleyman, ein Lauf-Enthusiast aus dem Londoner Vorort Walton-on-Thames, seinen zweiten Marathon am Sonntag zu laufen. Das erste Mal lief er 1990 - vor dreizehn Jahren. "Die Leute werden sicher aufpassen, sowohl Läufer als auch Zuschauer", fügt Jelleyman hinzu. Allerdings räumt er ein, dass ihm bereits etwas von der üblichen fröhlich-feierlichen Atmosphäre, die nromalerweise rund um den Marathon herrscht, genommen wurde.
Jelleyman ist gleichzeitig Mitglied der Londoner Metropolitan Police. "Ich glaube an die Fähigkeiten meiner Kollegen und der Sicherheitsdienste", sagt er. "Wir müssen einfach da weitermachen, wo wir mit den Olympischen Spielen aufgehört haben."
Und wie er scheinen die meisten der über 36.000 angemeldeten Marathonläufer trotz aller Befürchtungen bereit, zu laufen. "Nach all dem Training nicht zu laufen, wäre unmöglich", sagt Clare Fraser aus Weybridge. "Ich finde man würde diese Leute (die Attentäter von Boston, Anm. d. Red.) gewinnen lassen, wenn man diesen Marathon absagt."
Fraser sagte der DW, dass sie ein schwarzes Armband tragen wird als ein "Zeichen des Respekts" für die Opfer des Boston-Anschlags. Den Lauf abzusagen, sei ihr aber nie in den Sinn gekommen. "Alles dreht sich ums Trainieren, der Schlaf, die Ernährung, der Lebensstil - es ist das ganze Training für diesen Zeitpunkt", sagt Fraser. "Die harte Arbeit und all die langen und einsamen Meilen trainieren. Wissen Sie, ich freue mich wirklich auf Sonntag."