Libyen und der General
23. Mai 2014Drei Jahre ist es her, dass Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi mithilfe der NATO entmachtet wurde - drei Jahre, in denen das Land nicht zur Ruhe gekommen ist. Es gibt immer noch keine Verfassung und die Übergangsregierung hat es nicht geschafft, die Macht zwischen den einzelnen Städten, Stämmen und Regionen auszubalancieren. Vor allem die Sicherheitslage in Bengasi, wo 2011 die Volksaufstände begannen, ist seither prekär.
Die jüngste Krise Libyens begann, als der ehemalige General Chalifa Haftar (Artikelbild) mit seiner paramilitärischen "Nationalen Armee" Kämpfe gegen islamistische Brigaden in Bengasi startete. Die Unruhen haben sich seither auch auf die Hauptstadt Tripolis ausgeweitet. Erst stürmten Haftars Anhänger das Parlament, vergangenen Mittwoch kam es abermals zu Kämpfen in der Nähe von Militärstützpunkten. Mittlerweile sind über 80 Menschen ums Leben gekommen.
Wahlen für Libyen
Große Teile der Bevölkerung sprechen dem im Juli 2012 gewählten libyschen Übergangsparlament die Legitimität ab. "Die Regierung ist weitestgehend machtlos. Das Land wird von rivalisierenden Milizen beherrscht", sagt Günter Meyer vom Zentrum für Arabische Studien in Mainz. Um einen Bürgerkrieg zu verhindern, soll auf Vorschlag der Wahlkommission am 25. Juni eine neue Volksvertretung gewählt werden. Eigentlich sollte das bestehende Parlament bereits im Februar abgelöst werden, die Abgeordneten verlängerten aber ihr Mandat bis Dezember. Chalifa Haftar hat die Unterstützer seiner Offensive aufgefordert, eine neue politische Führung zu bilden. Diese solle "die Angelegenheiten des Landes regeln", nachdem das gewählte Parlament gescheitert sei, sagte er nach Informationen lokaler Medien in Al-Abjar östlich von Bengasi.
Haftars Generalkommando kämpft nach eigenen Angaben gegen extremistische Milizen und ihre Unterstützer unter den Abgeordneten. Ihr selbst erklärtes Ziel ist es, islamistische Streitkräfte und deren Unterstützer aus dem ganzen Land zu vertreiben. Dies sei kein Auftreten eines einzelnen Generals, fast das gesamte Volk stünde hinter ihm, sagte der ehemalige libysche Ministerpräsident Ali Seidan im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Umsturzversuch Teil zwei
Bereits im Februar hatte Chalifa Haftar einen ersten Umsturzversuch gewagt, der allerdings kaum ernst genommen worden war. In einer TV-Ansprache hatte der Ex-Militär verkündet, Regierung und Parlament seien entmachtet. Ali Seidan, damals noch Ministerpräsident des Landes, reagierte mit einem Schulterzucken. Seither hat Haftar es geschafft, zahlreiche Offiziere, Einheiten der Armee und Milizen um sich zu scharen. Immer mehr Politiker, wie der amtierende Kulturminister Habib Lamin, stärken ihm den Rücken. Man wolle das Land nicht zum Tummelplatz für Terroristen und Extremisten werden lassen, begründen sie ihre Unterstützung.
Chalifa Haftar ist in Libyen kein unbeschriebenes Blatt. Bereits unter Machthaber Gaddafi hatte er die Streitkräfte kommandiert. Unter seinem Kommando griffen libysche Truppen in den 70er Jahren in den Konflikt im Nachbarland Tschad ein. Dort ließ ihn Gaddafi allerdings nach der Niederlage in Kriegsgefangenschaft im Stich. Haftar konnte sich 1987 in die USA absetzen und schloss sich dort der Exil-Opposition an. Aus dieser Zeit werden ihm Kontakte zum US-Geheimdienst CIA nachgesagt.
Mit Beginn der Revolution im Februar 2011 kam der aus Zentrallibyen stammende 63-Jährige nach Libyen zurück und unterstützte die Kämpfer beim Aufbau des militärischen Widerstands in Bengasi. "Er hat als einer der wichtigsten Rebellenführer gegen Gaddafi gekämpft", sagt Günter Meyer. Der revolutionäre Übergangsrat in Bengasi erklärte ihn nach der Entmachtung Gaddafis zum Kommandeur wichtiger Einheiten. Dies stieß jedoch bei den Islamisten in dem Gremium auf keine Zustimmung. Sie trauten ihm aufgrund seiner vermeintlichen Verbindung zur CIA nicht und hatten Sorge vor seiner Popularität.
Kampf gegen Islamisten
Haftar war Teil der stetigen Machtkämpfe um die Führung in der nationalen Armee. Ursprünglich sollte er in einem neuen Libyen aufgrund seiner militärischen Erfahrung den Aufbau der Streitkräfte übernehmen. Das wurde durch eine nicht ganz freiwillige Verabschiedung eines Gesetzes im Sommer 2013 verhindert. Damals belagerten Milizen das Parlament und erzwangen mit Waffengewalt die Zustimmung zum sogenannten Isolationsgesetz. Es besagt, dass alle diejenigen, die unter Gaddafi eine staatliche Position innehatten, kein solches Amt oder eine politische Position mehr bekleiden dürfen. Auch wenn diese Männer ganz erheblich zum Sturz Gaddafis beigetragen haben, so wie Haftar. "Er hat sich durch das neue Gesetz ausgebootet gesehen", sagt Libyen-Experte Günter Meyer. Zudem sollen auch die im Kongress dominierenden islamistischen Abgeordneten seinen Aufstieg verhindert haben.
So ist es ihm jetzt gelungen, eine Allianz bewaffneter Einheiten zu etablieren, die nun selbst - gegen den Willen der noch amtierenden Übergangsregierung - gegen die Islamisten im Land vorgeht. Nach Informationen des Nachrichtensenders Al-Arabija wird Haftar dabei auch von Saudi-Arabien und Ägypten unterstützt.