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Keine Einheitsregierung in Libyen

Carla Bleiker20. Oktober 2015

Parlament und Islamisten lehnten den UN-Vorschlag zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit ab. Experten warnen, das Land könne nun weiter zu zerfallen. Die EU hat erneut Sanktionen angedroht.

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Demonstranten in Tripolis halten rote Karten hoch. (Foto: MAHMUD TURKIA/AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/M. Turkia

Herber Rückschlag für Libyen: Die Einheitsregierung, die schon zum Greifen nahe schien, kommt nun doch nicht. Das nordafrikanische Land versinkt seit dem Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi im Herbst 2011 im Chaos. Die Vereinten Nationen hatten zuletzt einen Vorschlag unterbreitet, nachdem das international anerkannte Parlament in der ostlibyschen Stadt Tobruk sowie die rivalisierende islamistische Führung in Tripolis zu einer Regierung zusammenwachsen sollten.

Doch am Montag stimmten die Abgeordneten in Tobruk nicht für die Bildung einer Einheitsregierung, teilte die Abgeordnete Aisa Aribi der Deutschen Presse-Agentur mit. Der UN-Sondergesannte Bernadino Leon, der als Vermittler in Libyen eingesetzt war, hatte zuvor die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit nach dem UN-Vorschlag als "letzte Chance" für Frieden in dem zerrütteten Land bezeichnet.

Angesichts der ausbleibenden Einigung hat die EU Libyen erneut mit Sanktionen gedroht. Verhandlungen und Dialog blieben für die Libyer der einzige mögliche Weg, um die Krise hinter sich zu lassen.sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten
Federica Mogherini am Dienstag in Brüssel.

Keine Besserung der Lage in Sicht

Wolfram Lacher, Libyen-Experte bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) hält den Prozess noch nicht für beendet. "Ich würde, was die Einheitsregierung angeht, noch nicht von Scheitern sprechen", sagte er im Gespräch mit der DW.

Einige Medien wie etwa die Online-Ausgabe des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" berichten zwar, das Parlament in Tobruk habe den UN-Vorschlag abgelehnt. Lacher jedoch sagt, dass mehrere Abgeordnete berichtet haben, es sei gar keine Entscheidung getroffen worden. So oder so - eine Zustimmung, und damit ein großer Schritt in Richtung eines friedlicheren Libyens, fand nicht statt.

Seit dem Sturz von Gaddafi bekämpfen sich gewalttätige Milizen in Libyen. Dass es nach diesem Rückschlag in absehbarer Zukunft besser werden könnte, glaubt Lacher nicht.

"Angesichts der schwierigen Kräfteverhältnisse im Land ist es unwahrscheinlich, dass es noch zu einem Abkommen kommt", sagte der Libyen-Experte. "Hardliner auf beiden Seiten haben das von Anfang an sabotiert."

Steht dem Land noch weitere Zersplitterung bevor?

Auf Seiten des international anerkannten Parlaments in Tobruk hielt man nichts davon, dass eine Einheitsregierung die Besetzung hoher Posten einstimmig hätte bestätigen müssen. Solch ein Entscheidungsprozess käme dem Versuch gleich, den anti-islamistisch eingestellten Armeegeneral Khalifa Haftar loszuwerden, sagte ein Regierungssprecher in Tobruk.

Dem Parlament in Tripolis enthielt der Vorschlag zur Bildung einer Einheitsregierung laut einiger Abgeordneter nicht genügend Garantien für eine Einführung islamischen Rechts.

Doch in dem nordafrikanischen Land stehen sich nicht nur zwei Regierungen gegenüber. Die Parlamente selbst sind ebenfalls zersplittert.

"Es wird immer unwahrscheinlicher, dass die beiden Parlamente mit Mehrheitsbeschlüssen ein Abkommen und eine Einheitsregierung unterstützen", so Lacher. "Das Risiko wird immer größer, dass eines oder beide dieser Parlamente auseinanderbrechen."

Außerdem gebe es viele weitere wichtige Kräfte, die bisher bei der Entscheidungsfindung noch gar nicht richtig mit einbezogen wurden, wie beispielsweise Lokalräte, sagt Lacher.

Politiker aus Libyen unterschreiben UN-Friedensplan. (Foto: FADEL SENNA/AFP/Getty Images)
Im Juli unterzeichneten Abgeordnete aus Tobruk noch einen UN-FriedensplanBild: F. Senna/AFP/Getty Images

Riskantes Vakuum

Das Hin und Her schafft ein gefährliches Machtvakuum im Land. "Libyen wird mehr und mehr ein schwarzes Loch in Nordafrika, eine Hochburg des 'Islamischen Staates' und anderer radikaler Islamisten", sagte Nahostexperte Michael Lüders der DW bereits im August dieses Jahres. Es gebe keine funktionierenden staatlichen Institutionen mehr und keine Zentralgewalt, die in der Lage wäre, einen Machtanspruch im ganzen Land durchzusetzen, so Lüders.

Ein weiterer Umstand verkompliziert die Lage weiter: Am Dienstag endet auch die Legitimität des Parlamentes in Tobruk. Die Abgeordneten haben eine Verlängerung ihrer Legislaturperiode einfach eigenmächtig beschlossen, erklärt Wolfram Lacher.

"Dieses institutionelle Vakuum, das durch das auslaufende Mandat des Parlaments in Tobruk geschaffen wird, bringt das Risiko mit sich, dass das Militär versuchen könnte, im Osten Libyens die Macht zu übernehmen", sagte der Libyen-Experte. "Das Zerfallen des Landes wird immer mehr zur Realität."