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Laschet bricht Besuch im Lager Moria ab

4. August 2020

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet will sich auf der griechischen Insel Lesbos ein Bild von der Lage der Flüchtlinge machen. Doch im Camp Moria rät der Sicherheitschef ab, den "wilden" Lagerteil aufzusuchen.

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Griechenland | Ministerpräsident Laschet besucht das Flüchtlingslager Moria
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet unterwegs im Camp MoriaBild: picture-alliance/dpa/D. Hülsmeier

Das 2015 gegründete Aufnahmezentrum Moria ist völlig überfüllt: Mehr als 14.000 Geflüchtete sind im größten Flüchtlingslager Europas untergebracht. Im Rahmen seines Griechenland-Aufenthalts stattete der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet auch Moria einen Besuch ab. Dabei hatte der CDU-Politiker nicht nur einen Besuch des Container-Bereichs geplant, sondern auch eine Visite im sogenannten wilden Teil außerhalb des Camps. Auf Anraten des örtlichen Sicherheitschefs wurde der Besuch in diesem Areal jedoch vorsichtshalber kurzfristig abgesagt. Zuvor hatten sich Gruppen von Flüchtlingen aus Afghanistan und Afrika versammelt und in Sprechchören "Free Moria" gerufen. Aus Delegationskreisen verlautete, der Sicherheitschef habe gesagt, die Flüchtlinge hätten Laschet für den "Prime Minister of Germany" gehalten. Ein starkes Aufgebot an Sicherheitskräften schirmte Laschet von den Migranten ab.

Um das eigentliche Camp herum haben Migranten Zelte und provisorische Behausungen errichtet. Dort leben rund 2800 Menschen in Containern. In dem Satellitenlager herrscht eine Art Gesetzlosigkeit. Im und um das Lager kommt es immer wieder zu Schlägereien und Messerstechereien zwischen Migranten verschiedener Nationalitäten. Bei Gewalttaten sind in den vergangenen fünf Jahren mehrere Menschen ums Leben gekommen.

Griechenland | Ministerpräsident Laschet besucht das Flüchtlingslager Moria
Sicherheitskräfte schirmen Laschet im Lager Moria von Flüchtlingen ab, die "Free Moria" skandierenBild: picture-alliance/dpa/D. Hülsmeier

Weiterfahrt nach Kara Tepe

Nach dem Besuch in Moria fuhr Laschet in das Camp Kara Tepe, das als "Vorzeigelager" gilt. Dort halten sich etwa 1300 Menschen auf. Dieser Besuch verlief ohne Zwischenfälle. Mehr als eineinhalb Stunden beriet Laschet sich dort mit Hilfsorganisationen. Später kehrte er dann doch in das "Dschungel" genannte Satellitencamp aus Zelten und Hütten zurück, diesmal ohne großen Tross. Begleitet bei dem knapp einstündigen Rundgang wurde Laschet nur vom nordrhein-westfälischen Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) und dem griechischen Vize-Migrationsminister Giorgos Koumoutsakos sowie Polizei.

Laschet zeigte sich wenig überrascht von den Sprechchören im Camp Moria. "Die Menschen sehen, da sind Politiker aus Europa, und sie wollen ihren Aufschrei uns gegenüber artikulieren." Das sei für alle eine "bedrückende Situation", sagte der CDU-Politiker. "Aber ich glaube, das Signal ist angekommen. Europa muss sich dieser Aufgabe annehmen." Die Situation sollte nicht weiter eskaliert werden. So habe man Gespräche nach Kara Tepe verlegt. Mit Blick auf Moria sagte er: "Dass die Lage schrecklich ist, haben wir alle erlebt, im Camp und außerhalb des Camps. Darauf wollten wir den Blick lenken." Wenn eine schwedische oder eine niederländische Delegation in den Lagern gewesen wäre, wäre der Aufschrei gleichermaßen gewesen, versicherte Laschet.

Griechenland | Ministerpräsident Laschet besucht das Flüchtlingslager Kara Tepe
Im Lager Kara Tepe trifft der CDU-Politiker mit Geflüchteten zusammenBild: picture-alliance/dpa/D. Hülsmeier

"Aufschrei der Verzweifelten"

Nach den beiden Lagerbesuchen sprach der nordrhein-westfälische Regierungschef von einem "Aufschrei der Verzweifelten" und betonte: "Die ganze Europäische Union muss jetzt wach werden." Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft biete die Chance, "eine dauerhafte Lösung" für das Flüchtlingsproblem zu entwickeln. Europa dürfe die griechische Regierung, die Bewohner und die Behörden auf Lesbos nicht allein lassen. Auch Nordrhein-Westfalen wolle seinen Beitrag leisten und besonders betroffene Kinder und deren enge Angehörige in den nächsten Wochen ins Bundesland holen.

Deutschland sei sehr mit der Corona-Pandemie beschäftigt, erklärte Laschet. In den Flüchtlingslagern habe die Pandemie aber noch eine ganz andere Bedeutung, weil die Menschen die Camps nur sehr eingeschränkt verlassen könnten und verhindert werden müsse, dass das Virus in die Lager gelange. Die Flüchtlinge erlebten eine "Situation der Perspektivlosigkeit". Laschet will sich im Dezember um den CDU-Bundesvorsitz bewerben und gilt damit auch als möglicher Kanzlerkandidat.

Angst vor Corona im Flüchtlingscamp Moria

Der CDU-Politiker war am Montag vom griechischen Premier Kyriakos Mitsotakis empfangen worden. Dabei hatte sich Laschet im Namen der Bundesregierung für eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise in Griechenland eingesetzt. Die EU kommt bei einer Einigung über eine geplante gemeinsame Asylreform seit Jahren kaum voran. Italien, Malta, Spanien, Griechenland und Zypern dringen auf einen verpflichtenden Mechanismus zur Verteilung von Migranten. Ungarn, Tschechien, Polen, Estland, Lettland, die Slowakei und Slowenien sind dagegen. In einem Brief an die EU-Kommission betonen die sieben Länder ihre Ablehnung einer verpflichtenden Verteilung "in jeder Form". Im September will die EU-Kommission neue Vorschläge vorlegen.

kle/qu (dpa)