Vom Klimakiller zum Retter
9. Oktober 2020Der Erdboden ist besonders wichtig für den Klimaschutz, denn er bindet besonders viel Kohlenstoff (C). Entweicht der, entsteht in Verbindung mit Sauerstoff daraus das Treibhausgas CO2. Die Humus-Schicht in den Böden spielt dabei eine Schlüsselrolle: Humus speichert weltweit vier Mal mehr Kohlenstoff als in Form von CO2 in der Atmosphäre vorhanden ist.
Der nährstoffreiche Humus - eine lockere, meist etwas dunklere obere Erdschicht - entsteht natürlich aus abgestorbenen Pflanzenteilen, zersetzt von Bodenorganismen wie Bakterien, Pilzen und Würmern. Humus ist wertvoll für das Pflanzenwachstum und durch den hohen Anteil an Kohlenstoff wichtig für den Klimaschutz.
Dabei sind weltweit natürliches Grasland und Waldgebiete humusreicher als Ackerland, und besonders hoch ist der Anteil in Feuchtgebieten und Mooren.
Doch durch die landwirtschaftliche Praxis mit viel Monokulturen geht seit Jahren immer mehr Humus in den Böden verloren - und so entweicht zusätzlich CO2. Der Grund: industrielle Anbaumethoden laugen die Böden aus und verhinden die Neubildung von Humus. Chemische Dünger sichern zwar die Ernten und sparen Arbeitsaufwand, doch der Humusgehalt des Bodens nimmt immer mehr ab.
Dabei können Landwirte den Humus mit Fruchtfolgen und Einarbeitung von Pflanzenresten erhalten und die natürliche Bodenfruchtbarkeit steigern. Vor dem Beginn der Agrararindustrie hatten Bauern keine Alternativen und nutzten solche natürlichen Techniken: Sie waren zur Sicherung der Ernten auf Erhalt von Humus angewiesen.
Ein anderer Faktor für den weltweiten Verlust von Humus ist die globale Zunahme an Ackerflächen. Immer mehr zusätzliches Ackerland wird für den Anbau von Tierfutter für die wachsende Fleischproduktion gebraucht. Humusreiche Feuchtgebiete und Moore werden dafür trockengelegt, Grünland in Ackerland umgewandelt und immer mehr Wälder durch Brandrodung urbar gemacht. Der in Bäumen und Pflanzen gebundene Kohlenstoff geht verloren und entweicht als CO2. Und der Humusanteil im Boden nimmt in den Folgejahren durch industrielle Anbaumethoden immer weiter ab.
Anteil der Ernährungswirtschaft Treibhausgasen: 31 Prozent
Der Verlust von Humus und fruchtbaren Böden ist laut den Vereinten Nationen auch eine große Gefahr für die Welternährung.
Nach Angaben des Weltklimarats werden durch den Verlust von Humus und Wäldern pro Jahr rund 5800 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre abgeben - das sind rund 11 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen.
Weitere Treibhausgase entstehen in der Landwirtschaft durch Viehhaltung, Düngung, die energieintensive Produktion von Kunstdünger, durch Pestizide, Lebensmittelverarbeitung, Verpackungsherstellung und den Transport.
Insgesamt entstehen bei der Produktion von Nahrungsmitteln rund 31 Prozent der gesamten globalen CO2 Emissionen.
Wie wird Landwirtschaft zum Klimaretter?
Für den Stopp der Erderhitzung muss auch die Landwirtschaft klimaneutral werden. Das ist möglich - sie kann sogar zusätzliches CO2 aus der Atmosphäre durch Pflanzenwachstum binden, wie wissenschaftliche Berechnungen zeigen.
Der Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC) zur Landnutzung und Ernährungssicherheit empfiehlt, Weideflächen und Ackerland weltweit zu reduzieren. Ausserdem sollten Wälder weltweit wieder aufgeforstet und der Humusanteil in den Böden erhöht werden.
Laut Experten ließen sich mit Aufforstung von Wäldern während der Wachstumsphase pro Jahr 3,6 Milliarden Tonnen CO2 binden. Bei einem weltweiten Humusaufbau könnten weitere zwei bis fünf Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr gebunden werden, das zeigt eine aktuelle Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).
Eine weitere Möglichkeit zur CO2-Bindung ist Pflanzenkohle: Organisches Material wie Holz und Pflanzenreste werden mit Hilfe von Wärme, Druck und Ausschluss von Sauerstoff verkohlt und dann in die Böden eingebracht. Der dabei gebundene Kohlenstoff kann über Jahrhunderte im Boden bleiben und in Verbindung mit Humus und Bakterien die Bodenfruchtbarkeit deutlich erhöhen.
Laut SWP-Studie könnten bei einer globalen Anwendung mit dieser Technik pro Jahr zwischen 0,5 und zwei Milliarden Tonnen CO2 zusätzlich gebunden werden.
Ökolandbau: Vorbild für zukunftsfähige Landwirtschaft
Nicht nur wegen der CO2 Bilanz, auch als Hauptverursacher des weltweiten Artensterbens steht die industrielle Landwirtschaft inzwischen zunehmend in der Kritik.
Initiativen für besser Anbaumethoden gibt es in vielen Bereichen, darunter die sogenannte Farm to Fork Strategie der EU.
"Die Biodiversitätsstrategie und die Strategie 'vom Hof auf den Tisch' bilden den Kern des 'Grünen Deals' und stehen für ein neues, harmonischeres Zusammenspiel von Natur, Lebensmittelerzeugung und biologischer Vielfalt. Es geht schließlich um die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen", erklärt der EU Kommissar für Klimaschutz Frans Timmermans auf der Webseite der EU.
Das deutsche Umweltministerium will für den Klimaschutz auch Futtermittelimporte, etwa von Soja, verringern. "Regionalität der produzierten landwirtschaftlichen Güter sollten wieder eine wesentlich höhere Bedeutung erhalten, um so auf eine entsprechende Reduktion der Abholzung von Regenwald für den Sojaanbau hinzuwirken," so eine Sprecherin des Ministeriums gegenüber der DW.
Vorbild für Klima- und Artenschutz ist die ökologische Landwirtschaft. Sie setzt auf Humusaufbau, verzichtet auf synthetische Dünger und Pestizide und vermeidet Importe von Tierfutter aus Übersee.
Wenig Abfall hilft Klimaschutz
Ein weiter Schlüssel zur Emissionsminderung ist der Stopp von Lebensmittelverschwendung. Schätzungen zufolge "landet ein Drittel aller weltweit produzierten Lebensmittel auf dem Müll." sagt Rosa Rolle, Projektleiterin des Food Loss and Food Waste Programms der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO).
Insgesamt werden rund 1,3 Milliarden Tonnen Nahrungsmittel produziert, die nicht verzehrt werden. Dabei entstehen laut Schätzungen der FAO rund 3600 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr.
Gesundheit für Mensch und Erde mit weniger Fleisch und Milch
In den letzen 50 Jahren wurde die weltweite Fleischproduktion vervierfacht - enstprechend rasant steigt der Bedarf an Ackerflächen für den Anbau von Viehfutter wie Soja, Mais und Weizen.
Laut Umweltbundesamt werden inzwischen rund 71 Prozent der weltweiten Ackerflächen für Viehfutter verwendet und nur 18 Prozent für den Anbau von Nahrungsmitteln für Menschen. Um künftig die wachsende Weltbevölkerung gut zu ernähren und zugleich genügend Flächen für Aufforstungen zu haben, fordern Experten auch hier ein Umdenken.
"Wir können mehr gesundes Gemüse essen und weniger Fleisch", sagt Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und Ko-Vorsitzender der EAT-Lancet-Kommission. Im Report für Gesundes Leben auf einem gesunden Planeten zeigt die Kommission wie eine gesunde und klimafreundliche Ernährung weltweit aussehen kann.
Würden die Empfehlungen umgesetzt, dann läge der durchschnittliche Konsum von Fleisch pro Person bei etwa 300 Gramm pro Woche (16 kg/Jahr); der Konsum von Milchprodukten bei 630 Gramm pro Woche (33 kg/Jahr). Bisher wird in Nord- und Südamerika, Europa und China wird bis zu sieben Mal mehr Fleisch konsumiert. Bei Milchprodukten ist der Konsum vor allem in Europa und USA fast acht Mal höher als empfohlen.
"Interessanterweise kann bereits der bloße Wechsel zu einer stärker pflanzlichen 'flexitarischen' Ernährung die Treibhausgasemissionen aus der landwirtschaftlichen Produktion ungefähr halbieren", so Rockström. Die Ernährungsumstellung "könne dazu beitragen, alle gesund zu halten: den Planeten, und die Menschen."