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Zweierlei Heimaten

Heike Mund16. Januar 2015

Vor knapp 50 Jahren nahmen Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen auf. Das Jubiläumsjahr begann mit einer Veranstaltung im Auswärtigen Amt und einer Diskussion über Heimat.

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Meir Shalev im Gespräch mit Außenminister Steinmeier (Foto: DW/H. Mund)
Bild: DW/H. Mund

Ein Streichquartett des jüdischen Komponisten Erich Wolfgang Korngold war der Auftakt und gab der Veranstaltung "Zweierlei Heimat" im Auswärtigen Amt in Berlin eine leicht wehmütige Grundstimmung. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (Artikelbild re., mit dem israelischen Schriftsteller Meir Shalev) rief in seiner Rede in Erinnerung, dass Korngold vor der Judenverfolgung der Nazis in die USA fliehen musste. "Für ihn und seine Familie konnte Österreich nach dem Anschluss an Hitler-Deutschland keine Heimat mehr bleiben. Ihr Schicksal steht stellvertretend für das Hunderttausender europäischer Juden, die während der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten vertrieben wurden. Und die eine neue Heimat fanden."

Steinmeier erinnerte auch an die schwierige Geschichte der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland: "Beide Länder lassen sich nicht denken ohne die Narben einer schrecklichen Geschichte, ohne die verlorene und die neu gefundene Heimat derjenigen, die nur überlebt haben, weil sie Deutschland verlassen haben." Dieses Jubliäum könne nur deshalb gefeiert werden, weil das Land der Opfer dem der Täter die Hand gereicht habe. "Für uns Deutsche wie ein Wunder", betonte der Außenminister.

Ensemble des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin (Foto: DW/H. Mund)
Ensemble des Deutschen Symphonie-Orchesters BerlinBild: DW/H. Mund

Rückblende: Wie alles anfing

Der 19. August 1965 war ein historischer Tag: Der neu ernannte Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Israel, Rolf Pauls, überreichte Staatspräsident Salman Shasar offiziell sein Beglaubigungsschreiben aus Deutschland. Draußen auf der Straße flogen Steine gegen die Fenster, wütende Israelis demonstrierten damals gegen diese politische Annäherung an das "Land der Täter".

Botschafter Rolf Pauls in Israel 1965 (Foto: picture alliance/dpa)
Botschafter Pauls überreicht seine Ernennungsurkunde (1965)Bild: picture-alliance/dpa

Doch der offizielle Beginn der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern war längst besiegelt. Dem vorangegangen waren politisch äußerst heikle Geheimverhandlungen, die mehrfach abgebrochen wurden. Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte diese außenpolitische Weichenstellung zusammen mit dem israelischen Premierminister Ben Gurion seit der Staatsgründung Israels 1948 Schritt für Schritt vorbereitet.

Das Wiedergutmachungsabkommen mit Israel, das Entschädigungszahlungen für die Holocaust-Opfer zusicherte, legte 1952 den Grundstein für die neuen außenpolitische Beziehungen. Im März 1965 räumte die Entscheidung der Bonner Parlamentarier, die umstrittene Verjährungsfrist für NS-Täter zu verlängern, dann den letzten Stolperstein auf dem diplomatischen Parkett zur Seite. Der Weg war frei für diplomatische Beziehungen auf Augenhöhe - als Versöhnung und Neuanfang.

Zweierlei Heimaten

Zurück ins Jubiläumsjahr 2015: der israelische Botschafter S.E. Yacov-David Hadas Handelsman bedankte sich in seiner Rede ausdrücklich beim deutschen Außenminister für die Energie, die Steinmeier diesem Kapitel der diplomatischen Beziehungen zwischen Isarael und der Bundesrepublik Deutschland bereits gewidmet habe. Beiden Ländern sei gerade heute die Besonderheit bewusst, dass es inzwischen viele Gemeinsamkeiten und verbindende Brücken in der Wissenschaft, Medizin und in den Kulturinstitutionen gebe.

Steinmeier zu 50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen

Die anschließende Podiumsdiskussion wurde von der Journalistin Astrid Frohloff moderiert. Sie hat als TV-Korrespondentin in Israel gearbeitet und kennt die deutsch-israelischen Beziehungen. Als Gäste waren Regisseur Edgar Reitz und der israelische Schriftsteller Meir Shalev eingeladen. Beide berichteten von sehr unterschiedlichen Heimatbegriffen in ihren Ländern. Mit der Nation habe das nichts zu tun.

Meir Shalev, geboren 1948, im Jahr der Staatsgründung Israels, macht als Journalist und Autor immer wieder Krieg, Vertreibung und Heimatlosigkeit zum Thema seiner Romane und Kolumnen. Er las eine Passage aus seinem neuesten Roman "Der Junge und die Taube". Edgar Reitz, Jahrgang 1932, hatte einen Filmausschnitt aus seiner "Heimat"-Chronik mitgebracht. Aber er musste zugeben, dass ihm über der Verfilmung das Gefühl für die emotionale Zuordnung etwas verloren gegangen sei. "Heimat ist auf jeden Fall nicht das Vaterland. Heimat ist Mutterland und Großmutterland. Der Ort, wo wir Kind waren."

Filmstill: Bauern verlassen mit Planwagen ihr Dorf im Hunsrück (Foto: Concorde Filmverleih 2013/Christian Lüdeke)
Edgar Reitz' Film-Epos "Heimat": Auswanderung der Hunsrücker BauernBild: Concorde Filmverleih 2013/Christian Lüdeke

So viel Zukunft war nie

Wie eng vernetzt die deutsch-israelischen Lebenswelten heute seien, sagte Steinmeier am Schluss der angeregten Diskussion, sehe man daran, wieviele junge Israelis mittlerweile in Berlin lebten - ob als IT-Nerds, Musiker, Fotografen, Studenten, Wissenschaftler oder junge Unternehmer. Er zeigte sich persönlich mit dieser Entwicklung sehr zufrieden."Ich wünsche mir, dass viele junge Deutsche nicht nur an die Geschichte und den Nahost-Konflikt denken, wenn sie Israel hören, sondern dass sie dort Freundschaften suchen, Urlaub machen oder in den unterschiedlichsten Projekten arbeiten. Und dass noch mehr junge Israelis den Weg nach Deutschland finden."

Zur weiteren Information:

Konzipiert wurde die Gesprächs- und Lesereihe zum Jubiläum "50 Jahre Diplomatische Beziehungen Deutschland/Israel 1965/2015" - in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt - von Katharina Nabutovic, der Leiterin des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Auch Blogger sind beteiligt. Unter dem Titel "Mein Israel, mein Deutschland" kann man den Gedankenaustausch eines zweisprachigen Paares mitlesen. Seit seiner Gründung 1963 ist das Künstlerprogramm des DAAD traditionell ein Forum des künstlerischen Austausches. Allein drei Literaturnobelpreisträger waren Stipendiaten in Berlin: Mario Vargas Llosa, Imre Kertész und der chinesische Schriftsteller Gao Xinggijan.