Kosovos Präsident zu Kriegsverbrechen angehört
13. Juli 2020Der kosovarische Präsident Hashim Thaci ist zu einer ersten richterlichen Anhörung in Den Haag erschienen. "Ich bin bereit, mich der neuen Herausforderung zu stellen und für meinen Sohn, meine Familie, mein Volk und mein Land den Sieg davonzutragen", sagte Thaci vor dem Gebäude des Sondertribunals zur Ahndung von Kriegsverbrechen während des Kosovo-Krieges.
Die Staatsanwaltschaft des Sondergerichts hatte Ende Juni eine Anklageschrift gegen ihn vorgelegt. Sie wirft ihm Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Thaci weist die Anschuldigungen zurück. Er habe vielleicht "politische Fehler" begangen, jedoch niemals Kriegsverbrechen, beteuerte er.
Knapp 100 Morde
Ein Richter muss nun entscheiden, ob die Klage offiziell zugelassen wird. Thaci kündigte für diesen Fall seinen sofortigen Rücktritt als Präsident an. Er wolle sich nicht als Staatschef mit der Justiz auseinandersetzen.
Der 52-Jährige, der früher Kommandeur der Befreiungsarmee des Kosovo (UCK) war, wird unter anderem des Mordes und der Folter beschuldigt. Er und weitere Beschuldigte sollen für knapp 100 Tötungen verantwortlich sein. Zu den Opfern gehörten laut Anklageschrift Kosovo-Albaner, Serben, Roma und Angehörige anderer ethnischer Gruppen. Thaci ist seit 2016 Präsident, davor war er Regierungschef. In den vergangenen Jahren nahm er an Gesprächen über eine Normalisierung der Beziehungen seines Landes zu Serbien teil.
Das 2015 in Den Haag eingerichtete Sondertribunal befasst sich mit Verbrechen, die Mitglieder der UCK während des Kosovo-Krieges von 1998 bis 1999 begangen haben sollen. Im Verlauf des Krieges wurden insgesamt mehr als 13.000 Menschen getötet. Im Januar 2019 hatte das Gericht mit seinen Befragungen begonnen.
Das Kosovo hatte 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Die Regierung in Belgrad betrachtet es aber nach wie vor als serbische Provinz. Die meisten EU-Staaten sowie die USA erkennen die Unabhängigkeit an. Serbiens Verbündete China und Russland blockieren hingegen mit ihrem Vetorecht die Aufnahme des Kosovo in die Vereinten Nationen.
jj/ml (dpa, afp)