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KonflikteAfrika

Konflikte in Afrika: neue Strategien dringend gesucht

Martina Schwikowski
23. Dezember 2024

Sahel, Sudan, Ostkongo: Gewalt und Instabilität beuteln viele Regionen Afrikas. Bewährte Mittel wie Friedenstruppen haben in der Vergangenheit nicht die gewünschten Erfolge gebracht. Experten fordern neue Ansätze.

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Menschen sind auf Motorradtaxis unterwegs, dahinter stehen Soldaten auf einem Lastwagen sowie einem gepanzerten Fahrzeug
Politische Stabilität gerät in Teilen Afrikas weiter unter Druck - das führt zu Fluchtbewegungen wie hier im OstkongoBild: AUBIN MUKONI/AFP

Die Konflikte in Afrika haben zugenommen und die Instabilität auf dem Kontinent wächst. "Dies führt zu einer neuen Situation der Unbeständigkeit und stellt Afrika vor viele Herausforderungen", sagt Jakkie Cilliers, Vorsitzender des Kuratoriums des Instituts für Sicherheitsstudien (ISS) in Südafrika.

"Es ist offensichtlich, dass die traditionellen Instrumente - Friedenssicherung, Frühwarnung, Konfliktvermittlung - nicht funktionieren", sagt er der DW. Die Afrikaner wüssten jedoch, dass sie in erster Linie selbst verantwortlich seien, auch wenn die internationale Gemeinschaft über die Vereinten Nationen ebenfalls eine Rolle spielen müsste.

UNHCR Flüchtlingslager mit hellen Zeltplanen, mit Steinen auf dem dunklen Boden befestigt
Der Krieg in Sudan hat Millionen Menschen in die Flucht getrieben - hier ein Lager für sudanesische Vertriebene in ÄthiopienBild: UNCHCR

Trotz Vermittlungsversuchen ereigneten sich Putsche in Mali, im Tschad, im Sudan, in Burkina Faso und in Guinea. Auch in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR), in Äthiopien und Guinea-Bissau gab es Versuche, die Regierungen zu stürzen.

Instabilität nimmt zu

Zudem haben regionale Streitigkeiten und interne Konflikten zu erhöhten Spannungen zwischen den Ländern am Horn von Afrika geführt. So kommt streiten Äthiopien und Ägypten immer wieder über die Verteilung der Ressourcen des Blauen Nil, aufgestaut durch den Staudamm Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD). Verschärft wird die Lage durch den Wunsch des Binnenlands Äthiopien nach Zugang zum Roten Meer. Denn ein entsprechendes Abkommen mit der abtrünnigen Region Somaliland verärgerte die schwache Zentralregierung von Somalia. Erst ein Abkommen Mitte Dezember unter türkischer Vermittlung entspannte die Lage wieder etwas.

Der Nil-Anrainer Sudan hingegen ist weit von einer erfolgreichen Mediation entfernt: Im April 2023 eskalierte der Machtkampf zwischen den sudanesischen Streitkräften (SAF) und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF). Bei Kämpfen im ganzen Land wurden bislang Zehntausende getötet und rund 12 Millionen Menschen vertrieben. Dörfer wurden verwüstet, Frauen vergewaltigt und ein Ende der humanitären Krise ist nicht in Sicht.

Während Regierungen ihre Vorherrschaft um jeden Preis bewahren wollen, bevorzugen internationale Akteure oft eine humanitäre Vision, die sich auf den Schutz von Minderheiten konzentriert, so das südafrikanische ISS. Diese unterschiedlichen Ansätze führten zu Meinungsverschiedenheiten darüber, wie Konflikte gelöst werden können.

Das jüngste Beispiel für eine gescheiterte Schlichtung: Für Mitte Dezember geplante Friedensgespräche zwischen Kongo und Ruanda wurden wegen Unstimmigkeiten kurzfristig abgesagt. Das Gesprächsformat mit den Präsidenten beider Länder hatte Hoffnungen geweckt, den jahrzehntelangen Konflikt im Ostkongo zwischen der kongolesischen Armee und den M23-Rebellen, die angeblich von Ruanda unterstützt werden, beenden zu können.

M23 Rebellen in DRC in Militäruniform auf der Ladefläche eines Militärfahrzeuges im Busch
Der Rebellenkrieg im Ostkongo (hier die M23-Gruppe) geht weiter: Friedensgespräche zwischen DR Kongo und Ruanda sind kurzfristig abgesagt wordenBild: Moses Sawasawa/AP Photo/File/picture alliance

Aus Sicht des Instituts für Sicherheitsstudien in Pretoria hat sich der gewalttätige Extremismus in Afrika auch stärker ausgebreitet. Gründe dafür sind unter anderem die fragile Situation vieler Gesellschaftsgruppen, die sich gesellschaftlich und wirtschaftlich an den Rand gedrängt fühlen.

Oft gibt es auch Schwierigkeiten beim Übergang zur Demokratie eines Landes und manche Regierungen versäumen, die Sicherheit und Verteidigung ihres Landes besser umzusetzen.

Traditionelle Friedensicherung scheitert häufig

Wenn Nationen nicht alleine für ihre Sicherheit sorgen können, kommt in der Regel die internationale Gemeinschaft ins Spiel - allerdings mit gemischter Erfolgsbilanz: So gilt zum Beispiel die Friedenssicherung durch die Blauhelmtruppen der Vereinten Nationen in der Demokratischen Republik Kongo, Mali oder Südsudan als weitgehend gescheitert. In Mali hat die Militärjunta die UN-Mission Minusma sogar zum Abzug aufgefordert.

"Die traditionelle Friedenssicherung ist offenbar erfolglos und hat der russischen früheren Söldnertruppe Wagner und anderen Gruppen die Möglichkeit eröffnet, auf den Kontinent zu kommen", sagt Cilliers zur DW. Doch nicht nur Russland habe so seinen Einfluss ausbauen können: Afrika sei zum Schauplatz globaler Rivalität geworden, meint Cilliers - neben den USA, China und Europa seien auch neue Akteure, insbesondere Golfstaaten wie die Vereinigten Arabischen Emiraten sowie die Türkei präsent.

Die bisherigen Antworten auf diese komplexen Situationen seien unzureichend, betont Cilliers. Die Möglichkeit, schnell auf Frühwarnungen zu reagieren, werde erschwert, denn afrikanische Staaten mischten sich nicht gerne in die inneren Angelegenheiten anderer ein. Viele Rebellengruppen hätten zudem eine unklare politische Agenda, die sich nur schwer in ein Friedensabkommen einbinden lasse.

Somalia: Ein Panzer der Äthiopischen AU Mission in einer Straße, ein Soldat steht auf dem Panzerdach und beobachtet die Menschengruppen zwischen den Häusern
AU-Truppen in Somalia: Die AU soll laut Experten eine stärkere Führung bei Konflikten in Afrika übernehmenBild: Ed Ram/Getty Images

Die Forschungen zur Friedenskonsolidierung in den letzten 20 Jahren zeigten allerdings, so Alex Vines, Leiter des Afrikaprogramms beim britischen Thinktank Chatham House, dass ein großes Verständnis für die sich gegenseitig verstärkende Beziehung zwischen Frieden und Entwicklung vorhanden sei. "Die afrikanischen Friedensprozesse sind so vielfältig wie ihre zugrundeliegenden Krisen und Konflikte." Daher folgten sie nicht einem einzigen Muster. "Sie werden von der Politik und den Umständen bestimmt und eher von spontanen Koalitionen geprägt, als dass sie sich an formale Strukturen für eine Konfliktlösung halten", so Vines gegenüber DW. Das mache die Harmonisierung der Bemühungen schwieriger - und zugleich wichtiger.

Sudan-Flüchtlinge benötigen Lebensperspektive im Tschad

Afrikanische Vermittler auf hoher Ebene hätten in einer Reihe von Fallstudien, beispielsweise in Kenia, auch kürzlich in Äthiopien und Somalia, entscheidend zu Friedensabkommen beigetragen. Einzelpersonen, die moralische Autorität haben, könnten einen Frieden vorantreiben und gestalten, indem sie eine Führungsrolle übernehmen, hinter der sich andere externe Akteure versammeln könnten.

Diese Bedingungen erfüllt eigentlich der von der Afrikanischen Union angestoßene Friedensprozess für den Ostkongo unter Vermittlung des angolanischen Präsidenten João Lourenço. Nach der kurzfristigen Absage des Spitzentreffens Mitte Dezember ist wieder offen, wie DR Kongo und Ruanda hier zu einer Verständigung finden.

Soziale Reformen als Basis für nachhaltigen Frieden

Aber auch die beste Vermittlung habe ihre Grenzen, sagt Vines: Kleinere und schwache Staaten reagierten eher auf den Druck ihrer größeren Nachbarn, während die wichtigsten Akteure Afrikas große internationale Aufmerksamkeit auf sich ziehen, was auch zum Frieden beiträgt. "Es sind die Staaten im Mittelfeld, in denen Vereinbarungen am schwersten zu erreichen sind. Sie sind groß genug, um in der Region Widerstand zu leisten, aber nicht einflussreich genug, um die ganze Welt einzubeziehen", sagt Vines.

Für Analyst Vines hängt ein langfristiger Erfolg davon ab, dass die Konfliktregionen weiterhin Aufmerksamkeit genießen, selbst wenn die Waffen längst verstummt sind: "Prozesse, die die Gewalt beenden, sind häufig nicht in der Lage, die notwendigen langfristigen politischen und sozialen Reformen durchzuführen."