Wagner in Afrika: Vielseitig aktiv im Interesse Russlands
Veröffentlicht 25. Oktober 2024Zuletzt aktualisiert 26. Oktober 2024Eine russische Söldnertruppe mit Totenkopf-Logo, benannt nach dem Lieblingskomponisten Adolf Hitlers - so hat die Gruppe Wagner zumindest in frühen Jahren ihr Image geprägt. Doch das Bild verkennt vieles von dem, was die Truppe ausmacht: Es handelt sich längst um ein weit verzweigtes Netzwerk, das insbesondere in Afrika auch wirtschaftliche Tätigkeiten ausübt - und dabei stets Russlands Interessen verfolgt.
Seitdem Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin im Juni 2023 die offene Machtprobe mit Kremlchef Wladimir Putin suchte und bald darauf bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz starb, ist die Gruppe Wagner näher an Russlands staatliche Strukturen herangerückt.
Wagner als inoffizieller Erfüllungsgehilfe Russlands
Hager Ali, Rechercheurin am Hamburger GIGA-Institut für Globale und Regionale Studien, sagt im Gespräch mit der DW: "Die Wagner-Gruppe ist absolut essentiell, denn sie ergänzt die offiziellen diplomatischen Wege." Neben der Ausstattung von Streitkräften und diplomatischen Initiativen wie im BRICS-Plus-Format gebe es Tätigkeiten, die Russland nicht unbedingt von staatlicher Seite ausführen könne. "Für eine formale Armee gilt immer noch ein ganz anderes internationales Regelwerk als für einen Private Military Contractor."
Nach Prigoschins Tod wurden die meisten Formationen in das sogenannte Afrika-Korps überführt. Auch dieser Name ist eine Anspielung auf den Nationalsozialismus, die neue Einheit untersteht jedoch dem russischen Verteidigungsministerium. Ulf Laessing, Sahel-Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung, sagt zur DW: "Der russische Staat wollte die Kontrolle über die Söldner, nicht aber die persönlichen Strukturen antasten, die vor Ort existierten. Daher ist das Afrika-Korps jetzt sozusagen eine Holding, die Wagner mit übernommen hat."
Wagner ist dabei nicht das einzige Vehikel: Darüber hinaus betreibt Russland Anstrengungen, über soziale und herkömmliche Medien anti-westliche Propaganda in afrikanischen Gesellschaften zu streuen. Und schließlich gibt es auch Kultureinrichtungen wie das Russische Haus in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik (ZAR). Dort lernen 500 Zentralafrikaner Russisch, es gibt öffentliche Theater- und Musikaufführungen - so schilderte es der Leiter des Zentrums, Dimitri Sytyi, im DW-Interview.
Sytyi bezeichnete sich gegenüber der DW selbst als "informellen Botschafter der russischen Politik" - die EU und die USA sehen in ihm jedoch einen hochrangigen Wagner-Kommandeur und führen ihn auf ihren Sanktionslisten. Der 35-Jährige betrachtet sich als Sündenbock, während die EU ihm schwere Menschenrechtsverstöße in der ZAR anlastet. Human Rights Watch etwa sprach 2022 von gezielten Tötungen und Folter - und von Straflosigkeit für die Täter aus den Reihen der Gruppe Wagner.
Was macht die Gruppe Wagner in Afrika?
In kaum einem Land sind die Verbindungen zwischen Regierung und Wagner so eng wie in der ZAR: Söldner beschützen den Präsidenten Faustin-Archange Touadéra und unterstützen die Regierungstruppen bei ihren Bestrebungen, die Oberhand in dem Bürgerkriegsland zu behalten. Nach Medienberichten sind etwa 1500 bis 2000 Kämpfer vor Ort. Das Land hat bereits 2018 einen offiziellen Sicherheitspakt mit Russland geschlossen, derzeit soll ein Militärflughafen zum russischen Drehkreuz ausgebaut werden.
Wohl im Gegenzug für die Sicherheitsdienste beuten Firmen aus dem weiteren Wagner-Geflecht unter anderem eine Goldmine in der ZAR aus und schlagen wertvolle Tropenhölzer. Andere brauen Bier, verkaufen Wodka in Bangui oder machen Geschäfte mit Zucker.
Auch in Libyen ist Wagner ein aktiver Player im dortigen Konflikt. Libyen und die ZAR sind zudem Drehkreuze für die Wagner-Aktivitäten im Bürgerkriegsland Sudan: Dort stand die Gruppe schon vor Beginn des Krieges in engem Austausch mit der Spezialeinheit RSF, etwa als Ausbilder und in den von der RSF kontrollierten Goldminen. Die andere Kriegspartei, die reguläre Armee, ist für den Kreml ebenfalls wichtig - für den Handel, aber auch für eine Marinebasis am Roten Meer.
Der Kreml könne dank der neu strukturierten Wagner-Gruppe unter dem Afrika-Korps eine eindeutigere Strategie fahren, erklärt Hager Ali. Einerseits könne Russland durch die Wagner-Gruppe auf Ressourcen zugreifen. "Auf der anderen Seite kann es jetzt auch die offiziellen diplomatischen Wege nutzen, um einen klaren Fußabdruck im Sudan aufrechtzuerhalten oder sogar zu vertiefen." So könne das für seinen Krieg gegen die Ukraine auf Devisen angewiesene Russland doppelt profitieren, indem die russische Rüstungsindustrie neue Waffensysteme verkaufe und Wagner für den Wissenstransfer eingebunden werde.
"Regime Survival"-Pakete für zahlende Kunden
Ein weiterer Schwerpunkt der Wagner-Aktivitäten liegt in der Sahel-Region: In Mali, Burkina Faso und Niger sind anti-westliche Putschisten an der Macht, die jeweils auf russische Hilfe setzen. "Die ursprüngliche Idee von Mali war, sich Wagner reinzuholen und den Westen zu ersetzen, um zu kämpfen und Waffen zu bekommen", sagt Ulf Laessing. "Jetzt hat sich das ein bisschen gewandelt." So umgebe sich der Machthaber in Burkina Faso, Ibrahim Traoré, mit russischen Leibwächtern.
Dort und auch in Niger gebe es Anzeichen, dass Wagner ein sogenanntes "Regime Survival Package" bereitstellt: "In Niger gibt es auch das Afrikakorps. Da gibt es keine Anzeichen, dass sie kämpfen - aber ich bin davon überzeugt, dass sie das Regime schützen sollen. Insbesondere weil die Russen angekündigt haben, Luftabwehrgeschütze anzubringen. Die braucht man ja nicht, um Dschihadisten zu bekämpfen." Als Blaupause erwähnt Laessing wiederum die ZAR, wo Wagner dem Präsidenten helfe, an der Macht zu bleiben.
Das beobachtet auch Hager Ali. "Das kann sowohl Expertise und Erfahrung beinhalten als auch tatsächliche Unterstützung bei der Abwehr von möglichen Aufständen der Zivilbevölkerung, dem Eintreiben von natürlichen Ressourcen und so weiter." Womöglich werden in Zukunft noch mehr afrikanische Staatschefs auf solche Überlebenspakete von Wagner zählen.