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Zeit des "Weiter so" mit Nordkorea ist vorbei

Martin Fritz, Journalist in Tokio
Martin Fritz
9. September 2016

Der fünfte und bisher gewaltigste Atomtest von Nordkorea hat erneut heftige Proteste anderer Länder ausgelöst. Es zeigt sich, dass die Sanktionspolitik der Weltgemeinschaft gescheitert ist, meint Martin Fritz.

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Seoul - Erdbebenmessung nach Nordkoreanischem Atomwaffentest (Foto: Reuters/Kim Hong-Ji)
Bild: Reuters/Kim Hong-Ji

Mit dem zweiten Atombombentest in diesem Jahr hat Nordkorea erneut alle Warnungen und Verbote der Nachbarländer und der Vereinten Nationen in den Wind geschlagen. Die Versuchung ist groß, den jungen Führer Kim Jong-un als trotziges Kind zu betrachten, das man nun noch härter bestrafen muss, damit es wieder Vernunft annimmt. Tatsächlich wollen Washington, Seoul und Tokio offenbar die Daumenschrauben weiter anziehen.

Dabei ist offensichtlich, dass Sanktionen kein Allheilmittel sind. Es ist wie beim Wettlauf zwischen Hase und Igel: Die sozialistische Diktatur in Pjöngjang, aus der eine absolute Erbmonarchie geworden ist, findet stets neue Wege, die verschärften Sanktionen wieder zu umgehen. Die notwendige Elektronik für die Atom- und Raketenrüstung zum Beispiel kaufen nicht mehr nordkoreanische Firmen im Ausland ein, sondern chinesische Mittelsmänner. Devisen werden beschafft, indem das Kim-Regime seine Bürger im Ausland in Fabriken und Restaurants schuften lässt.

Martin Fritz, Journalist in Tokio
Martin Fritz ist Ostasien-Korrespondent in TokioBild: Privat

Die Fortschritte in der nordkoreanischen Waffentechnologie sollten den Westen zur Einsicht bewegen, dass seine Eindämmungsstrategie gescheitert ist. In seinen acht Amtsjahren ist US-Präsident Barack Obama letztlich auf dem Niveau von George W. Bush geblieben. Der Obama-Vorgänger hatte im Januar 2002 die "Schurkenstaaten" Irak, Iran und Nordkorea als "Achse des Bösen" bezeichnet. Wenige Monate später kündigte der damalige Führer Kim Jong-il die Wiederaufnahme des Atomprogramms an und verließ den Atomwaffensperrvertrag.

Inzwischen können Kims Wissenschaftler nach eigenen Angaben Atombomben verschiedener Größen und Stärken bauen. Das Arsenal an funktionsfähigen Mittel- und Langstreckenraketen wächst. Der erfolgreiche Unterwasser-Start einer Rakete gibt besonders zu denken, weil U-Boote schwer zu orten sind. Egal, was die Geheimdienste sagen: Der Zeitpunkt rückt näher, an dem Nordkorea die Region bis hin zu fernen US-Inselbasen glaubwürdig atomar bedrohen kann. Damit wächst die Gefahr, dass eine militärische Krise auf der koreanischen Halbinsel womöglich ungewollt zum Einsatz von Atombomben eskaliert.

Westliche Illusionen

Den Westen kümmert diese absehbare Entwicklung nicht, obwohl die Länder rings um Nordkorea die "Werkbank der Welt" sind. Auch die US-Verbündeten Südkorea und Japan ignorieren die nukleare Gefahr und träumen von einem Zusammenbruch der Machtstrukturen in Pjöngjang. Sie fühlen sich in dieser Hoffnung bestätigt, wenn wie vor Kurzem der bisher ranghöchste nordkoreanische Diplomat nach Südkorea überläuft oder wieder einmal ein Minister in Pjöngjang hingerichtet wird. Doch selbst falls Kim noch nicht ganz fest im Sattel sitzt: Er scheint den Überlebensinstinkt und die Skrupellosigkeit zu haben, um sich und seine Familie an der Macht zu halten.

Dieses Warten auf den Kollaps ist verantwortungslos. Die Zeit des "Weiter so" ist eindeutig abgelaufen. Wer sich mit dem Gottesstaat Iran einigen konnte, der kann auch mit Nordkorea einen Kompromiss finden. Der jugendliche Machthaber in Pjöngjang hat der US-Regierung mehrmals Gesprächsangebote gemacht. Seine Atom- und Raketentests dienen auch dazu, diese Angebote in Erinnerung zu rufen, so paradox sich das anhören mag. Der Westen sollte die Gesprächsbereitschaft von Pjöngjang mit Kontakten hinter den Kulissen ausloten.

Zwar bleibt Misstrauen angebracht. Man denke daran, wie Nordkorea den Kühlturm des AKW Yongbyon erst sprengte, dann reparierte und den Atommeiler schließlich wieder in Betrieb nahm. Aber bisher haben weder der Westen noch China und Russland alle politischen und diplomatischen Mittel ausgeschöpft, um die koreanische Halbinsel sicherer zu machen.

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