Der französische Präsident Emmanuel Macron ist die ständigen Provokationen der Populisten in Italien leid. Lange hat er geschwiegen, jetzt zog er seinen Botschafter vorläufig aus dem Palazzo Farnese, seiner Vertretung in Rom, ab. Die Erklärung des Elysée-Palastes zu dieser diplomatischen Strafaktion, die zwischen EU-Mitgliedsstaaten eigentlich nicht vorkommen dürfte, fiel scharf aus. Tenor: Die Beziehungen zwischen den Regierungen in Paris und Rom sind so schlecht wie nie zuvor nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die Reaktion der populistischen Schaumschläger war zu erwarten: Sie machen sich über "Napoleon" oder den "verrückten Champagner-Trinker" lustig. Macron bietet eine wunderbare Angriffsfläche im derzeit laufenden regionalen Wahlkampf in Italien und für die Europawahlen im Mai. Die Anführer der "Fünf Sterne Bewegung" und der rechtsextremen "Lega", Luigi Di Maio und Matteo Salvini, haben im liberalen EU-Befürworter Macron ein ideales Feindbild gefunden. Dieser lässt sich leider auf das Spiel ein, konnte wohl nicht mehr anders, weil Di Maio und Salvini offen mit den innenpolitischen Feinden in Frankreich, den "Gelbwesten" und der Rechtspopulistin Marine Le Pen paktieren.
Gezieltes Schüren von Emotionen
Die Populisten in Rom machen das, was Populisten machen: Sie reden den Leuten nach dem Munde, sie schüren Emotionen, sie verbreiten falsche Anschuldigungen, sie hetzen. Die absurden Vorwürfe gegen Frankreich im Allgemeinen und Macron im Besonderen fallen in Italien auf fruchtbaren Boden. Schon vor den Regierungswechseln in Rom und Paris fühlten sich viele Italiener den als arrogant empfundenen Franzosen unterlegen. Seit langem hält sich die unsinnige These, die EU bevorzuge den großen Bruder im Westen, drücke bei dessen Staatsschulden beide Augen zu.
Dass Di Maio und Salvini, die in Italien derzeit gegeneinander Wahlkampf führen, sich beim Franzosen-Bashing nun gegenseitig überbieten, ist nicht verwunderlich. Deprimierend ist, wie erfolgreich die Populisten mit ihren schrillen Tönen sind: Rund 60 Prozent der italienischen Wähler laufen den Rattenfängern nach. Präsident Macron hingegen ist im eigenen Land inzwischen schwach: Seine Zustimmungsraten sind im Keller, sein Reformkurs stockt und jetzt streitet er auch noch mit dem Partner Deutschland um die Gaspipeline Nord Stream 2.
Respekt und Anstand darf man von den politischen Hasardeuren in Rom nicht erwarten. Der Schaden, den sie mittelfristig im französisch-italienischen Verhältnis anrichten, ist ihnen egal. Die Warnungen von Unternehmensverbänden, die sehr engen wirtschaftlichen Beziehungen nicht zu belasten, werden sie in den Wind schlagen. Italien ist in Frankreich hochverschuldet. Es gibt zahlreiche grenzüberschreitende Investitionen. Bei der Fluglinie Alitalia, bei Werften, Verkehrsprojekten, Telekommunikation und Energieversorgung sind die Verbindungen stark. Soll das jetzt alles aufs Spiel gesetzt werden?
Angela Merkel als Vermittlerin?
Der Umgang, den die beiden Regierungen miteinander pflegen, ist befreundeten EU-Mitgliedern unwürdig. Die Bundeskanzlerin könnte sich als Vermittlerin anbieten. Sie hat sich mit Kritik an den Populisten in Rom bislang zurückgehalten. Ihr Innenminister Horst Seehofer allerdings hat sich bei Migrationspolitik nur allzu willig in ein politisches Bett mit dem Rechtsnationalisten Salvini gelegt. Zu befürchten ist, dass vor den Europawahlen beide Seiten den künstlich vom Zaun gebrochenen Streit nicht mehr schlichten wollen. Er eignet sich einfach zu gut als Wahlkampfmunition: Nationalisten gegen Progressive lautet das Duell.
Diese Polarisierung ist für die auf Konsens und Kompromiss angelegte Europäische Union natürlich Gift. Die Staaten müssen zusammenarbeiten und nicht in nationalstaatliches Gezänk zurückfallen. Was soll denn nach dem Rückzug des Botschafters kommen? Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen? Mobilmachung? Kriegserklärung? Natürlich nicht! Matteo Salvini und Emmanuel Macron sollten sich zum TV-Duell treffen und den Menschen ihr diametral gegensätzliches Politikverständnis präsentieren.