Mit Sicherheit noch nicht vorbei
22. November 2015Polizisten mit schweren Waffen, strenge Einlasskontrollen, verschärfte Videoüberwachung, Durchsuchungen von Fahrzeugen, lange Schlangen vor den Stadien - aus dem Unterhaltungsbetrieb Bundesliga wurde am Wochenende bitterer Ernst. Nach den Terroranschlägen von Paris und dem wegen Bombenalarm abgesagten Länderspiel zwischen Deutschland und den Niederlanden wird aus dem Ballspiel ein Hochsicherheitsereignis. Zweimal in Folge wollten Terroristen offenbar Fußballspiele mit deutscher Beteiligung attackieren, ein drittes Mal soll es nicht geben. Die Sicherheitskräfte zeigten in allen Stadien der Bundesliga massiv Präsenz - und das ist gut so.
Für die meisten Europäer ist Sicherheit eine Selbstverständlichkeit, erst recht dort, wo wir unsere Freizeit verbringen: Im Kino, in Bars, auf Konzerten, in der Shoppingmall oder eben im Stadion. Und deshalb wirkt es auf uns auch verstörend, wenn dort nun Polizisten mit Maschinengewehren patrouillieren, wenn Leibesvisitationen obligatorisch werden und wenn selbst Kinder durchsucht werden. Und dennoch sollten wir uns an diesen Gedanken gewöhnen. Diese Maßnahmen sind in diesen Zeiten leider notwendig geworden. Um Menschenleben zu schützen. Und damit der Fußball ein ungetrübtes Vergnügen unserer Gesellschaft bleibt, muss für dessen Sicherheit gesorgt werden. Dauerhaft und nicht bloß kurzfristig.
Der Sport ist zur Zielscheibe des Terrors geworden
Es wäre ein möglicherweise fataler Fehler zu glauben, dass die Terrorgefahr für den Sport nach einem glücklicherweise "normal" verlaufenen Spieltag nun gebannt ist. Die erhöhte Wachsamkeit bei Polizei und Ordnern darf kein kurzfristiger Aktionismus in Folge von Paris sein. Sie muss nachhaltig sein. Denn der Sport ist zur Zielscheibe des Terrors geworden. Das Attentat palästinensischer Terroristen auf das Olympiadorf in München 1972 markierte den Anfang, in letzter Zeit häufen sich die Warnungen und tatsächlichen Anschlagsversuche: der Bombenanschlag beim Boston-Marathon 2013, die vereitelten Attentate auf die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi sowie den Frankfurter Radklassiker 2015 und nun eben Paris und Hannover. Der Sport ist längst im Fadenkreuz derjenigen, die Angst und Schrecken verbreiten wollen.
Eigentlich ja ideologiefrei und weltweit ähnlich beliebt, gibt der Sport dennoch ein perfektes Ziel ab: Große Menschenansammlungen, einfache Zugangsmöglichkeiten und eine Liveübertragung für ein Millionenpublikum. Attentäter wie die in Paris zielen in ihrem menschenverachtenden Kalkül bewusst auf den den größtmöglichen Kontrast: ein friedliches Sportevent in ein blutiges Schlachtfeld zu verwandeln und das gut ausgeleuchtet auf einer größtmöglichen Bühne vor hunderten Kameraobjektiven. Wegen seiner Verwundbarkeit braucht der Sport nun erhöhten Schutz.
Mehr Sicherheit hat ihren Preis
Der Preis dafür sind höhere Sicherheitsausgaben für den Staat (der sich einen Teil davon von den Veranstaltern wiederholen sollte) sowie leider auch Einschnitte für den Fan beim Stadionbesuch wie längere Wartezeiten am Eingang oder Leibesvisitationen. Übrigens auch, weil neben Terroristen auch gewaltbereite Hooligans eine sehr reale Bedrohung sind, wie das Wochenende gezeigt hat: In Gelsenkirchen stürmten Fans des FC Bayern München und des VfL Bochum (der gar nicht spielte) mit roher Gewalt ein Kassenhäuschen, auf dem Weg nach Mönchengladbach nahmen Hannover-Anhänger eine S-Bahn auseinander. Und das alles in einem Klima äußerster Anspannung bei den Sicherheitsbehörden - eine Konstellation, in der durchaus Schlimmeres hätte geschehen können.
Und doch gab es auch bewegende Szenen in den Arenen der Bundesliga: Schweigeminuten, Friedenstauben, französische Flaggen auf dem Rasen, Solidaritätsbekundungen auf den Rängen. In Köln trugen Fans T-Shirts mit der Aufschrift "Tore statt Terror". Eine ebenso simple wie gute Botschaft, deren Kraft sich aber nur dann entfalten kann, wenn wir uns im Stadion wieder sicher fühlen.
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