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Politik

Ein kleinlicher Koalitionsstreit

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Jens Thurau
28. Oktober 2019

Im Norden Syriens geht es im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod. Aber die deutsche Regierung ist sich trotzdem nicht zu schade, das Drama als Bühne für ihre internen Konflikte zu nutzen, meint Jens Thurau.

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Berlin | Kabinnetssitzung - Annegret Kramp-Karrenbauer und Heiko Maas
Bundesaußenminister Heiko Maas sowie die Verteidigungsministerin und CDU-Chefin Annegret Kramp-KarrenbauerBild: picture-alliance/AP Photo/M. Sohn

Früher, in Zeiten von stabilen und verbindlichen Regierungen in Deutschland, gab es einige Regeln, an die sich tunlichst alle Beteiligten zu halten hatten. Dazu gehörte unter anderem, dass wirklich wichtige Sachfragen erst intern geklärt wurden und die Koalitionspartner dann mit einer klaren gemeinsamen Ansicht an die Öffentlichkeit gingen. Eine weitere Regel besagte: Im Ausland kritisiert kein Regierungsmitglied ein anders. Deutschland galt auch deshalb lange Zeit als ein Ort großer politischer Stabilität.

In der gegenwärtigen sogenannten "Großen Koalition" zählt all das nicht mehr. Vor genau einer Woche prescht etwa die Verteidigungsministerin vor und schlägt eine international kontrollierte Schutzzone im Norden Syriens vor. Noch mal zum Mitschreiben: Eine solche Zone müsste nach Expertenschätzungen von etwa 30.000 Soldaten mit einem robusten Mandat geschützt werden. Und wenn die Deutschen so etwas schon vorschlagen, müssten sie auch selbst Soldaten entsenden. Wir reden also von einer Frage um Leben und Tod, einer wirklich wichtigen Frage.

Schlecht vorbereiteter Vorschlag

Aber Annegret-Kramp-Karrenbauer ist ja nicht nur Verteidigungsministerin, sondern auch Vorsitzende der Christdemokraten in Deutschland. Also bespricht sie ihren schlecht vorbereiteten Vorschlag einmal kurz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und schickt Außenminister Heiko Maas eine kurze SMS. Ohne Details. Dann geht sie mutterseelenallein an die Öffentlichkeit. Dem Vorschlag selbst kann man sicher etwas abgewinnen, aber die Ministerin hat kaum für ihre Idee geworben, also wird der Plan von den Partnern im Ausland in der Luft zerrissen.

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Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Dann verkündet der beleidigte Außenminister, er werde jetzt mal spontan in die Türkei fahren. Gleiches Thema, die Lage in den Gebieten im Norden Syriens, das Drama um die Menschen dort nach dem Einmarsch der türkischen Armee. Aber dieses Drama ist nicht groß genug, um nicht doch als Thema für einen kleinlichen Koalitionsstreit zu taugen. Für Debatten mit eher theoretischem Charakter fehle ihm die Zeit, ätzt Maas gegen die Kabinettskollegin - vor laufenden Kameras in der Türkei. Der autokratische Machthaber Erdogan kann eigentlich nur zu der Ansicht kommen, dass er sich vor dieser deutschen Regierung nun wirklich nicht zu fürchten braucht. Der fatale Eindruck drängt sich auf, dass Maas in erster Linie in die Türkei geflogen ist, um der CDU-Chefin eins auszuwischen. 

Und im Kanzleramt sitzt derweil Angela Merkel und tut so, als ginge sie das alles nichts an. Kramp-Karrenbauers Vorschlag finde sie gut, hat sie mit reichlich Verzögerung gesagt. Ende der Durchsage.

Offenbar die Lust am Regieren verloren

Weite Teile ihrer inzwischen 14 Jahre im Amt hat Angela Merkel mit den Sozialdemokraten von der SPD regiert. Die Mehrheiten im Bundestag waren und sind üppig, wenn auch die beiden Volksparteien immer schwächer werden, vor allem die SPD. Es wäre also genug Zeit gewesen, Deutschlands Rolle in internationalen Sicherheitsfragen neu zu definieren. Und gemeinsam für Reformen zu werben. Ist aber nicht passiert. Im Moment, so scheint es, macht jeder, was er will. Die Koalition hat offenbar die Lust am Regieren verloren.

In der Syrien-Frage entscheiden andere Mächte, Deutschland ist kein großer Player. Russland, die Türkei, Syriens Machthaber Assad - das sind die Entscheider. Wie so oft könnte die deutsche Rolle die eines Moderators, eines Anwalts für friedliche Lösungen sein. Das ist per se schon keine gewichtige Rolle. Aber diese Regierung hat es nun geschafft, auch diesen Spielraum noch einzuengen.