Maas distanziert sich in Türkei von AKK
26. Oktober 2019In deutlichen Worten hat sich Bundesaußenminister Heiko Maas von der Idee distanziert, in Syrien eine von einer UN-Truppe geschützte internationale Sicherheitszone zu schaffen. "Überall wird uns gesagt, das sei kein realistischer Vorschlag", sagte Maas nach einem Treffen mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu. In dem Gespräch habe der Vorschlag von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) daher auch nur wenig Zeit in Anspruch genommen. "Für Dinge, die im Moment eher theoretischen Charakter haben, hat uns die Zeit gefehlt, weil den Menschen in Syrien die Zeit für theoretische Debatten fehlt."
Zuvor hatte bereits Cavusoglu den Vorschlag als nicht mehr realistisch beschrieben. In einer Pressekonferenz mit dem SPD-Politiker sagte er, zunächst einmal müsse man sich in Deutschland untereinander einigen, es gebe da ja unterschiedliche Meinungen. Maas und die SPD hatten sich zunächst nicht hinter den Vorschlag gestellt, den Kramp-Karrenbauer Anfang der Woche ohne vorherige Absprache mit dem Kabinett öffentlich geäußert hatte.
Cavusoglu sagte auch, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel die Idee der UN-geschützten Zone schon vor Jahren vorgeschlagen habe. Aber nun habe man mit den USA und Russland zusammengearbeitet. Mittlerweile hätten sich die Akteure am Boden geändert.
Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar hatte sich zuvor einem Interview-Transkript zufolge während des NATO-Treffens in Brüssel offen für die Idee einer von UN-Truppen gesicherten Zone im Grenzgebiet zur Türkei gezeigt. In einem am Samstag veröffentlichten Transkript eines Gesprächs mit türkischen Journalisten auf der Webseite des Verteidigungsministeriums hieß es: "Das ist ein Thema, worüber man reden kann, man kann darüber sprechen." Es müsse geprüft werden, ob das Angebot mit den Bestrebungen der Türkei "konform" sei und "kombiniert" werden könne.
CDU-Chefin hält an Alternativplan fest
In der Debatte um die Konsequenzen aus der Syrien-Offensive der Türkei wies Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer derweil auf Gemeinsamkeiten der Bundesregierung hingewiesen. "Wir brauchen eine Alternative zu Sotschi. Daran arbeitet jedes Mitglied der Bundesregierung", sagte die CDU-Vorsitzende am Samstagabend am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Erfurt der Deutschen Presse-Agentur. Kramp-Karrenbauer ging nicht auf Maas' Äußerung ein, dass ihr Syrien-Plan aktuell keine Chance habe. "Mir geht es um die Sache", sagte sie. Was Erdogan und Putin verhandelt hätten, sei keine dauerhafte Lösung. Die Bundesregierung setze sich weiter dafür ein, dass eine bessere Lösung gefunden werde.
Die Türkei war vor gut zwei Wochen in Nordsyrien einmarschiert, um die von ihr als Terrororganisation angesehene Kurdenmiliz YPG zu verdrängen. Die Türkei und Russland haben sich inzwischen darauf verständigt, nordsyrische Grenzgebiete zur Türkei gemeinsam zu kontrollieren. Erdogan will dort ein bis zwei Millionen Flüchtlinge aus der Türkei ansiedeln. Eine mit Russland vereinbarte Feuerpause zum Abzug der YPG-Kämpfer soll am Dienstagabend Ortszeit auslaufen.
Bei Gefechten zwischen protürkischen Milizen und kurdischen Kämpfern in Nordsyrien wurden nach Angaben von Aktivisten am Samstag mindestens 15 Menschen getötet. Bei den Kämpfen zwischen den Städten Tal Tamr und Ras al-Ain seien neun protürkische Kämpfer und sechs Kämpfer der kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) ums Leben gekommen, teilte die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit.
Dauerhafte Waffenruhe?
Maas drängte bei seinem Besuch erneut auf eine dauerhafte Waffenruhe. "Mit Blick auf die Vereinbarung von Sotschi ist für uns von überragender Bedeutung, dass wir sicherstellen, dass die Waffenruhe hält und verlängert wird", sagte Maas. "Ich begrüße sehr die grundsätzliche Bereitschaft, die es dazu in der Türkei gibt." Er begrüße auch, dass in Sotschi vereinbart worden sei, "dass sich die Türkei nicht dauerhaft auf dem Staatsgebiet von Syrien befindet", sagte Maas weiter.
Der türkische Einsatz war international auf scharfe Kritik gestoßen und führte zu Vorwürfen, die Türkei betreibe "ethnische Säuberungen" und wolle die kurdische Bevölkerung vertreiben. Auch gibt es Befürchtungen, dass Flüchtlinge in der Türkei zur Rückkehr nach Syrien gezwungen werden.
stu/sti/kle (dpa, afp)