Es klingt nach einem seltsamen Ratschlag für eine Demokratie: "Macht einen Plan, wie ihr wählen geht wollt!" Aber genau das war wieder und wieder zu hören an den vier Abenden des Demokratischen Parteitags in den USA. Bürger, so erwähnten viele der Politiker, die via Videobotschaft bei dem virtuellen Parteitag sprachen, sollten das Wort "Vote" per SMS an eine Hotline schicken, dann bekämen sie wichtige Informationen dazu, wie sie ihre Stimme abgeben könnten, damit sie auch rechtzeitig zur Auszählung ankommt. Die Tatsache, dass die demokratische Grundlage der Stimmabgabe in den USA so kompliziert ist dieses Jahr, ist eine Schande.
Im Fokus der Diskussion steht die Briefwahl. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie werden bei den Präsidentschaftswahlen im November mehr US-Bürger per Briefwahl ihre Stimme abgeben, als je zuvor. Aber der US Postal Service (USPS), auf den sich das Land für den reibungslosen Ablauf dieser Wahlmethode verlassen müsste, scheint mit der Aufgabe hoffnungslos überfordert.
Schon jetzt, ohne Millionen von Briefwahlzetteln, die zugestellt werden wollen, sind die Probleme schockierend: Kleinunternehmer geraten in Schwierigkeiten, weil ihre Produkte nicht zum versprochenen Datum bei den Kunden ankommen. Nicht wenige US-Amerikaner erhalten lebenswichtige Medikamente, die sie aufgrund von Versicherungsregeln nur per Post zugeschickt bekommen können, mit tage- oder sogar wochenlanger Verspätung. Und das in einer Industrienation, die sich selbst als großartigstes Land der Welt versteht.
Dazu kommt die Nachricht, dass der USPS selbst 46 Bundesstaaten gewarnt hatte, dass er mit den aktuell geltenden Deadlines nicht garantieren könne, dass alle Briefwahlzettel rechtzeitig zur Auszählung an offizieller Stelle landeten.
Abstimmung für nichts und wieder nichts
Die Demokraten zeigten sich so entsetzt von den jüngsten Entwicklungen, dass sie für Samstag eine Notabstimmung im Repräsentantenhaus einberiefen. Sie verabschiedeten einen Gesetzesentwurf, der dem USPS 25 Milliarden Dollar zusprechen und jegliche Änderungen für ein Jahr stoppen würde. Und zwar rückwirkend zum 1. Januar 2020 - also müssten Maßnahmen wie die jüngste Entfernung von Brief-Sortiermaschinen aus vielen Postzentralen rückgängig gemacht werden.
Aber: Wie fast alle von den Demokraten angestoßenen Gesetzesentwürfe, die bei den Republikanern keine, oder zumindest sehr wenige Freunde finden (unter den Republikanern stimmten 26 für den Post-Gesetzesentwurf), dürfte auch der "Delivering for America Act" keine Zukunft haben. Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, hat schon angekündigt, er werde den Entwurf in "seiner" Kammer gar nicht erst zur Abstimmung kommen lassen. Und selbst wenn: Präsident Donald Trump kündigte bereits an, ein Veto einzulegen und so endgültig dem Vorhaben den Demokraten ein Ende zu bereiten.
Dass selbst über so etwas Grundlegendes wie ein funktionierendes Postsystem ein Partisanenkrieg ausbricht, zeigt was für ein zerrissenes Land die USA sind. Es ist inakzeptabel, dass diese Spaltung jetzt sogar den größten demokratischen Akt der US-Gesellschaft gefährdet: Die Wahl eines neuen Präsidenten.