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Politik

Brückenbauen reicht nicht

8. November 2018

Nach dem Willen der Europäischen Volkspartei soll der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber nächster Kommissionspräsident werden. Leider fehlt ihm dafür das Format, meint Christoph Hasselbach.

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Kongress der EVP in Helsinki Manfred Weber
Bild: picture-alliance/Lehtikuva/M. Ulander

Für einen CSU-Politiker ist Manfred Weber überraschend gemäßigt. Keine Bierzelt-Sprüche, keine Provokationen, nichts als Äußerungen, denen fast jeder zustimmen kann: Sichere EU-Außengrenzen – wer will die nicht? Ein Europa, das niemanden abhängt – ja, klar. Selbst für die Forderung, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen, braucht man heute keinen Mut mehr. Integrativ nennt man das oder, in Webers eigenen Worten: Brückenbauer sein. Das ist nichts Schlechtes. Mehr noch, wer Kommissionspräsident werden will, muss ausgleichend und ein Mann der Mitte sein.

Aber es reicht nicht. In ruhigeren Zeiten wäre einer wie Manfred Weber sicher keine schlechte Wahl. Aber die Zeiten sind für die Europäische Union heute so unruhig und bedrohlich wie vielleicht niemals zuvor in ihrer Geschichte. Die EU wird überall infrage gestellt. Rechtspopulisten dürften bei der Europawahl im kommenden Frühjahr nochmals deutlich zulegen. Großbritannien steigt ganz aus. Die Regierung in Italien schert sich einen Dreck um Brüsseler Haushaltsvorgaben. Polen und Ungarn verletzen genau die europäischen Werte, die Weber hochhalten will. Ja, Webers "Brückenbauer"-Fähigkeiten gehen so weit, dass er den Dialog mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban aufrecht erhalten will, der ganz offiziell das Ziel einer "illiberalen Demokratie" ausgerufen hat. Wie will so jemand glaubwürdig für die europäische Idee werben?

Christoph Hasselbach
DW-Redakteur Christoph HasselbachBild: DW/M.Müller

Stubb wäre der bessere Kandidat

Manfred Weber erklärt sich aus seinem politischen Werdegang. Er ist von der bayerischen gleich in die Europapolitik gegangen und hat es dort im Europaparlament bis zum EVP-Fraktionsvorsitzenden gebracht. Er hat Berlin sozusagen übersprungen. Er hatte nie ein Regierungs- oder Ministeramt, nicht einmal in Bayern. Abgesehen vom Brüsseler Betrieb hat er auch keine internationale Erfahrung vorzuweisen, von Sprachkenntnissen außer Englisch ist nichts bekannt. Solche Karrieren schärfen nicht unbedingt den Blick für die Machtverhältnisse in der EU, wo nach wie vor die Mitgliedsstaaten den Ton angeben.

Dazu kommt, dass ein Kommissionspräsident aus Deutschland immer ein Problem ist. Leicht kommt der Verdacht auf, das größte Land der EU wolle über den wichtigsten Posten in Brüssel Macht ausüben. Die Lösung kann aber nicht darin bestehen, dann eben einen Deutschen ohne Charisma als Kandidaten aufzustellen. Der EVP-interne Gegenkandidat, der vielsprachige Finne Alexander Stubb, hätte die nötige Ausstrahlung, die Regierungserfahrung und die klareren Positionen auch. Doch die EVP hat sich gegen Stubb und für Weber entschieden. Dass auch Angela Merkel Weber unterstützt, macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil, Merkels Rückdeckung dürfte Weber gesamteuropäisch eher schaden, weil sich die Kanzlerin in der Migrationspolitik zur Außenseiterin gemacht hat.

Webers Wahl zum Spitzenkandidaten für die Europawahl muss noch nicht heißen, dass er Kommissionspräsident wird. Zwar dürfte die EVP bei der Wahl im Mai wieder stärkste Kraft werden. Aber die Staats- und Regierungschefs müssen dann nicht automatisch den EVP-Spitzenkandidaten als Kommissionspräsidenten benennen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat bereits gesagt, er halte nichts vom Prinzip eines Spitzenkandidaten.          

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik