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Wie schnell kommt der Kohleausstieg in der EU?

5. November 2017

Die Erderwärmung soll auf möglichst 1,5 Grad begrenzt werden. Auf der Klimakonferenz in Bonn wird deshalb über den Kohleausstieg diskutiert. Weltweit gewinnt dieser an Fahrt. Auch in der EU?

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Kohlekraftwerk Mehrum
Bild: picture-alliance/dpa/Julian Stratenschulte

Knapp ein Fünftel aller Treibhausgase in der EU kommen aus den Kohlekraftwerken und davon die Hälfte aus den Schloten in Deutschland und Polen. Derzeit wird bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin über den Weg und das Tempo des Kohleausstiegs aus Klimaschutzgründen gerungen.

In einigen anderen Ländern geht der Ausstieg dagegen schon zügiger voran. Nach Angaben der Anti-Kohle-Kampagne "Europe Beyond Coal" gab es 2015 noch 284 Kohlekraftwerke  am Netz, heute sind es 29 weniger. Immer mehr Länder legen sich auf ein Ende der Kohleverstromung mit konkreten Plänen fest. 

Laut einer Übersicht dieses europäischen Umweltdachverbandes wollen Finnland, Portugal und die Niederlande die Kohleverstromung bis 2030 einstellen, Italien, Großbritannien und Österreich bis 2025 und in Schweden und Frankreich sollen bis 2022 die letzten Kohlekraftwerke vom Netz gehen.

Infografik Kohleausstieg Europa Kohlekraftwerke DEU

Den Trend zu weniger Kohlekraft gibt es aber auch in einigen anderen Ländern der Welt. In den USA wurden und werden laut der US Schwesterkampagne "Beyond Coal" 263 Kohlekraftwerke geschlossen - mehr als die Hälfte aller Kohlekraftwerke.

Auf der letzten Klimakonferenz in Marrakesch kündigten mehr als 45 Staaten in einer gemeinsamen Initiative das Ende ihrer Kohlenutzung an. Auch in China sinkt seit 2013 der Kohleverbrauch und Indien erklärte, dass es einige bereits geplante Kohlekraftwerke nicht mehr benötige, da es inzwischen neue Wind- und Solarkraftanlagen aufgebaut habe.

Zusatzkosten von Kohlekraft wurden ignoriert und unterschätzt

Um die Pariser Klimaziele noch zu erreichen, halten Experten den sehr schnellen Kohleausstieg für unausweichlich - etwa der jüngste Emissions-Gap-Report des UN-Umweltprogramms oder auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung mit seiner Stellungnahme für Deutschlands Kohleausstieg sowie das Klimaforschungsinstitut Climate Analytics, das für Europa einen möglichst kostengünstigen Ausstiegspfad zur Einhaltung der Klimaziele entwickelte. Einig sind sich auch alle Experten darin, dass ein Aufschub eines Kohleausstiegs für die Gesellschaft erheblich teurer würde und nachfolgenden Generationen eine erhebliche Bürde auferlegte.

Kohlekraft galt lange Zeit als eine sehr günstige Energie. Bei dieser Betrachtung wurden allerdings die Nebenkosten für die Gesundheit und Umwelt ausgeklammert und unterschätzt. Laut einer Studie im Auftrag von Umwelt- und Gesundheitsverbänden starben in Europa im Jahr 2013 in der EU rund 23.000 Menschen an den vorzeitig an den Folgen durch die Luftverschmutzung aus den Kohlekraftwerken, vor allem durch Feinstaub und Stickstoffdioxid.

Die Todesfälle aber auch Krankenhausaufenthalte, chronische Erkrankungen und Arbeitsausfälle verursachten in dem Jahr Gesamtschäden von rund 33 Milliarden Euro. Bei den 10 schmutzigsten Kohlekraftwerken in Europa liegen laut aktuellen Berechnungen der Experten die jährlichen Gesundheitskosten durch den Schadstoffausstoß derzeit bei über einer Milliarde Euro pro Jahr.

Experten des IWF kommen in ihrer Analyse auf eine ähnlich hohe Summe und beziffern die Gesundheitsschäden durch die 6700 Kohlekraftwerke in der Welt auf 1900 Milliarden Dollar (1630 Milliarden Euro). Die größten Kosten durch die hohe Luftverschmutzung entstehen in asiatischen Ländern wie China und Indien.

Kohleausstieg senkt Kosten für die Gesellschaft

"Das Bewusstsein für die hohen Gesundheitskosten durch Kohlkraft steigt weltweit", sagt Kathin Gutman von der Europe Beyond coal Campaign. "Die Diskussion über diese Kosten wird in Deutschland zwar noch nicht so stark geführt, wir erleben sie aber in anderen Ländern zunehmend, auch in osteuropäischen Ländern, wo die Luftverschmutzung sehr hoch ist", so Gutmann gegenüber der DW.

Seit Jahren bewertet und berechnet auch das Umweltbundeamt (UBA) die Gesundheits-und Umweltkosten, die der Gesellschaft durch die Kohlenutzung entstehen. Rechnet man diese Kosten in den Strompreis mit ein, so wird deutlich, dass für die Gesellschaft die Verstromung aus Kohle sehr viel teurer ist als Strom aus Wind-, Sonne und Gas. Das Forum für Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) rechnete kürzlich in einer Studie die Gesamtkosten der Deutschen Stromversorgung aus und verglich die unterschiedlichen Energieträger miteinander.

Infografik Stromkosten Deutschland 2016 DEU

Bewegung für Kohleausstieg und Klimaziele

Gutmans Kampagne setzt sich für ein Ende der Kohleverstromung in Europa ein, für einen sozial gerechten Übergang zu sauberer Energie und sauberer Luft. Hinter der Organisation stehen unter anderen die großen Umweltverbände wie Greenpeace, WWF, Klima Allianz, BUND und Climate Action Network Europe. "Unser Ziel ist es, dass Europa bis 2030 frei von Kohlekraftwerken ist und die Zivilgesellschaft sich organisiert, dass das schnell möglich wird", sagt sie. 

"Deutschland und die EU können ihre Klimaschutzziele nur erreichen, wenn sie sich von der Kohle verabschieden. Kohle zerstört das Klima, schadet unserer Gesundheit und zwingt immer mehr Menschen ihre Heimat zu verlassen", sagt Christiane Averbecke, Geschäftsführerin der Klima-Allianz in Deutschland.

Mit Demonstrationen und Veranstaltungen auch während der Klimakonferenz in Bonn will die internationale Umweltbewegung aufklären und gesellschaftlichen Druck erzeugen, damit die Politik reagiert und zügig Maßnahmen zur Einhaltung der Pariser Klimaziele einleitet.

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion