Die Kohle befeuert Australiens Wut
10. Januar 2020Beinahe drei Jahrzehnte lang hat die Kohle Australiens Wirtschaftswachstum befeuert. Der weltweit größte Kohle-Exporteur hat auch Chinas rasanten Aufstieg erst möglich gemacht. Das hat zu einem riesigen Ausstoß klimaschädlicher Gase geführt. Da scheint es fast so, als müsse Australien mit den Rekordtemperaturen, den Dürren und Buschfeuern, die das Land gerade heimsuchen, den Preis dafür zahlen.
Die Brände produzieren zudem noch mehr Kohlendioxid: 370 Millionen Tonnen sollen es nach Angaben des "Copernicus Monitor-Dienstes der EU zur Überwachung der Atmosphäre" sein - das sind zwei Drittel der jährlichen Emissionen Australiens.
Offenbar reicht das aber nicht, Politiker dazu zu bewegen, ihre Arbeit zu überdenken, auch wenn Canberra gerade im Rauch zu ersticken droht. Premierminister Scott Morrison hat jeden Ruf nach, wie er es formulierte, "rücksichtslosen" und "Arbeitsplatz vernichtenden" Einschnitten in der Kohleproduktion zurückgewiesen.
Lobbyarbeit gegen Umweltaktivisten
Die Industrie als wichtiger Arbeitgeber hat großen politischen Einfluss. Der frühere Premierminister Kevin Rudd sagte der englischen Zeitung The Guardian, international tätige Bergbauunternehmen wie Glencore, Rio Tinto und BHP, betrieben "ausgeklügelte Operationen", um Klimaschutzaktionen in Australien zu unterbinden. Parlamentarier würden, so Rudd, von Lobbyisten bedrängt und durch die Murdoch-Medien beeinflusst.
Der Rest der Welt nimmt zum großen Teil Abschied von fossilen Brennstoffen. Australiens Klimaschützer fordern von Morrison, diesen Beispielen zu folgen oder zurückzutreten. Sie werfen ihm dazu vor, auf die immer noch wütenden Buschfeuer nicht angemessen zu reagieren und Australiens schlimmste Naturkatastrophe zu bagatellisieren.
"Seine Politik ist ein Witz"
Er muss vorsichtig agieren für den Fall, dass die öffentliche Meinung sich ändert. Premierminister kommen und gehen - Australien hatte sieben von ihnen in den letzten zehn Jahren. Die australische Arbeitgeberin Charada Hawley sagte DW, Scott Morrison sei ein "schrecklicher Führer": "Er ist nicht nur ein Klimawandelleugner, seine Politik ist ein Witz und die Zukunft Australiens und seiner Menschen ist nicht seine Priorität."
Die Mitbegründerin von "Jackfruit the label", einer Modelinie für nachhaltige Bekleidung, erklärt, immer wieder schockiert zu sein: "Australien setzt noch auf Kohle und nicht auf Wind und Sonnenenergie, weil es billiger sein soll." Wenn man aber auf die Folgekosten schaue, sei es eben nicht billig: "Einige Vorhersagen zeigen, dass ein großer Teil unseres Landes in Zukunft nicht mehr bewohnbar sein wird und unsere Regierung ist immer noch nicht überzeugt, dass es tiefgreifender Maßnahmen bedarf – und zwar sofort", so Hawley. Einige betroffene Landstrichte sähen bereits aus wie Mondlandschaften.
Ein Prozent des BIP geht in Flammen auf
Der Chef des australischen Versicherungsunternehmens iag, Peter Harmer sieht "eine drängende Notwendigkeit für das Land, den Klimawandel zu erkennen und ihm zu begegnen." Einige Ökonomen schätzen, dass die Buschfeuer das Land ein Prozent seines Bruttoinlandsproduktes (BIP) kosten werden.
Lau der Ratingagentur Moody's wird der aktuelle Schaden höher ausfallen als jene 4,4 Milliarden Australische Dollar (etwa 2,7 Milliarden Euro), die die Brände von 2009 gekostet haben. Moody's-Ökonomin Katrina Ell sagte, die aktuellen Buschfeuer würden das heimische Verbrauchervertrauen beeinträchtigen und der Wirtschaft durch die Luftverschmutzung und die negativen Einflüsse auf Tourismus und Landwirtschaft schaden.
"Der Klimawandel in Aktion"
Der Tourismus hat einen Anteil von drei Prozent am australischen BIP. Viele Besucher kommen, um typisch australische Tiere wie Kängurus und Koalas zu sehen. Doch laut Experten sind bereits rund eine Milliarde Tiere umgekommen. "Es wird schon schwierig, einen Koala zu finden", sagt Tierschützer Al Mucci, der für den Themenpark Dreamworld arbeitet, der DW. Noch ermutigt er Touristen, die zerstörten Gemeinden zu unterstützen und sich "den Klimawandel in Aktion" selbst anzusehen.
Er beschreibt die Bedingungen an der Feuerfront als "katastrophal". "Explodierende Kronen von Eukalyptusbäumen, die wie Bomben hochgehen: Die Feuer schaffen ihre eigenen klimatischen Bedingungen, in denen sie sich weiter ausbreiten – sie werden stärker und zerstörerischer. Es ist, als sei das Feuer ein Lebewesen. Es ist grauenerregend", erzählt Mucci.
Koalas schreien um Hilfe
Es sei sein Job, Tiere zu retten: "Koala, die um Hilfe schreien, versuchen gleichzeitig, dich zu beißen oder dir die Augen auszukratzen, Vögel, die nicht mehr fliegen können, weil ihre Flügel versengt sind, laufen herum und verbrennen sich die Beine. Schlangen mit halbverbrannten Körpern winden sich im Todeskampf. Wir haben so viele Tiere erschießen müssen."
Aber er hat auch Hunderte gerettet. Nur weiß Mucci nicht, was er mit ihnen tun soll – ihre Habitate sind ausradiert. "Der australische Busch braucht die Feuer. Aber das hier ist so intensiv und es ist kein Regen in Sicht. Einige Pflanzen werden einfach nicht wiederkommen." Die australischen Meteorologen sehen tatsächlich keine Anzeichen für Regen oder kühleres Wetter.
Business as usual
Es gibt Unterstützung aus Übersee - meistens von Feuerwehrleuten. Aber seltsamerweise scheinen einige Hilfsangebote unbeantwortet geblieben zu sein oder es sollen Zustimmungen noch ausstehen. Die Regierung zieht es vor, die Brände als normal ("Busines as usual") darzustellen und zu sagen, Buschfeuer habe es in Australien immer gegeben.
Mucci ist deswegen schockiert, aber er lobt auch: nämlich Deutschland für sein Versprechen, auf Kohle zu verzichten. "Die deutsche Regierung ist führend bei der Energiepolitik und dabei, die CO2-Emissionen anzugehen. Wir haben eine Regierung, die nicht an den Klimawandel glaubt. Die Kohleindustrie finanziert politische Macht. Die großen Verschmutzer bezahlen die Regierung für eine Politik, die den Klimawandel leugnet."
Der Minenbetreiber Andrew Forrest hat 70 Millionen australische Dollar (43 Millionen Euro) für ein Wiederaufbauprogramm versprochen – der Wert der Minenindustrie in Australien beträgt ungefähr 148 Milliarden australische Dollar, das entspricht 91,4 Milliarden Euro. Aber schaufelt sich das Land nicht sein eigenes Grab, wenn es an der Kohle festhält? Die Antwort von Charada Hawley darauf: "Ich habe große Angst, wenn ich an die Zukunft Australiens denke und was das für kommende Generationen bedeutet."