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Mit dem Feuer leben lernen

9. Januar 2020

Durch Klimawandel und Wetterextreme wird es zukünftig weltweit häufiger Großbrände geben, aber durch ein schlüssiges Feuermanagement lassen sich die Schäden reduzieren, meint Feuerökologe Goldammer im DW-Interview.

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Nancy Allen und Brian Allen vor ihrem Haus in New South Wales. Im Hintergrund ein von Rauch und Feuer rot gefärbter Himmel.
Die Bewohner von News South Wales versuchen ihr Hab und Gut vor dem Feuer zu schützen. Bild: Reuters/T. Nearmy

Deutsche Welle: Buschfeuer gehörten immer schon zum Ökosystems Australien, warum sind die Brände in diesem Jahr so verheerend?

Johann Goldammer: Die extreme Trockenzeit, verbunden auch mit sehr hohen Temperaturen, die kurzfristig fast 50°C erreichten, haben Bedingungen geschaffen, die die Vegetation in diesem Land mehr entflammbar machen, als dies in durchschnittlichen Jahren der Fall war. Wir werden in den kommenden Monaten – nach Ende der Feuerperiode – sehen, inwieweit sich die die Pflanzenwelt und auch die Tierwelt von diesen sehr heißen, Feuern erholen wird. 

Das Regenerationspotential ist hoch – aber die Flächen, die von extremen Feuerstürmen betroffen wurden, sind dieses Jahr sehr groß, die Schäden intensiv. Das Risiko, dass sich die Vegetation bei weiterem Vorkommen von extremen Trockenzeiten nicht mehr in ihren Ausgangszustand regenerieren kann, ist sehr hoch.

Was sollte präventiv geschehen, damit erwartbare Brände nicht so dramatische Folgen haben?

Wie überall auf der Welt sind die Natur- und Kulturlandschaften – einschließlich der urbanen und industriell geprägten Landschaften – zunehmend verzahnt. Feuer kennen keine Grenzen. Sie brennen über Wälder, Naturschutzgebiete, Grasländer, landwirtschaftliche Flächen, Farmen, ländliche Siedlungen und auch Stadtrandlagen.

Prof. Dr. Johann Georg Goldammer
Prof. Dr. Johann Georg Goldammer leitet das Global Fire Monitoring Center (GFMC) Bild: Philipp on Dithfurt

Hier müssen Maßnahmen ansetzen, die diese verschiedenen Landschaftselemente weniger anfällig für Feuer machen. Es gilt die Gebiete so zu gestalten, dass ein Feuer dort weniger Nahrung findet und damit auch leichter kontrolliert werden kann. 

Intensive Land- und Weidewirtschaft – einschließlich kontrollierter Beweidung in Wäldern – und auch die systematische Nutzung der pflanzlichen Biomasse als Quelle erneuerbarer Energie sind hierzu geeignet.

Eine andere Möglichkeit wären kontrollierte Feuer. Die sind aber unpopulär, weil die Bevölkerung Angst hat oder weil dies zu einer Rauchbelastung führt. Wie lassen sich die Vorbehalte zerstreuen?

Die Auseinandersetzung um dieses Thema ist die gleiche in Nordamerika oder hier bei uns in Deutschland. Die strengen Vorschriften der Umweltbehörden setzen die Emissionen aus natürlichen bzw. naturnahen Feuern gleich mit industriell-fossilen Emissionen.

Tatsächlich sind Eigenschaften der Rauchpartikel aus Verbrennung fossiler Energieträger, aus unkontrollierten Landschaftsbränden und aus kontrollierten Feuern ähnlich. Sie haben ähnliche Konsequenzen für die Gesundheit der Menschen. Der Unterschied ist, dass man fossile Verbrennung aus vielerlei Gründen langfristig abschaffen muss – vor allem wegen des dadurch erzeugten anthropogenen Klimawandels.

Landschaftsbrände werden die Entwicklung der Erde weiterhin begleiten. Aber sie lassen sich gestalten, kontrollieren und unter Bedingungen kontrolliert und vorbeugend einsetzen.

Eine Teilkomponente des Feuer-Managements ist das Emissions-Management. Kontrollierte Brände zur Reduzierung der Brandlast und damit zur Vorbeugung unkontrollierbarer und katastrophenartiger Feuer können gesteuert werden. Dazu gehört es, nur unter vorgeschriebenen meteorologischen Bedingungen abzubrennen – die Windrichtung zu beachten und die Abführung des Rauchs in höhere Luftschichten zu ermöglichen. 

Was ist mit Brandschneisen oder anderen Baumsorten? Wie müsste die Forstwirtschaft den neuen Realitäten angepasst werden?

Beim Umbau unserer Natur- und Kulturlandschaften in Hinblick auf eine erhöhte Resilienz gegenüber Feuer spielen die Natur- und Wirtschaftswälder eine bedeutende Rolle. Wälder sind Horte von Biodiversität. Sie speichern Kohlenstoff und sind eine wichtige Ressource erneuerbarer Rohstoffe und Energie.

Bildkombo Australien Sydney mit Rauch und ohne
Prävention ist möglich: Kontrollierte Brände könnten Katastrophen vorbeugen

Die Anpassung der Wälder an Klimaextreme – Trockenheit, Starkwinde, Starkniederschläge – muss unsere Priorität sein. Damit können wir auch unerwünschte Sekundärfolgen verringern, wie den Befall mit Borkenkäfern und andere Schadinsekten. Was wir insgesamt schaffen wollen ist ein Ökosystem mit höchstmöglicher Stabilität.

Das können etwa offene, stabile "Lichtwälder" sein. In denen spielt eine Waldweide eine wichtige Rolle zur Offenhaltung und Reduzierung von Brennmaterial. So können dann klassische Brandschneisen überflüssig werden, weil diese nicht mehr notwendig sind.

Rechnen Sie damit, dass die Waldbrandsaison vielerorts in naher Zukunft immer früher beginnt und auch immer länger dauert?

Das ist ein nachgewiesener Trend in Nordamerika. Kalifornien hatte noch bis vor wenigen Jahren eine "Feuersaison", die von Mai bis September/Oktober dauerte. Mittlerweile brennen schwer kontrollierbare Feuer über das ganze Jahr. Die Feuer in Australien begannen im September / Oktober 2019, früher als in den Jahren zuvor – und sie werden vielleicht erst später als bislang üblich enden, vielleicht erst im März oder April.

Waldbrände / Buschbrände in Australien
Die Waldbrandsaison wird weltweit immer früher beginnen und immer länger andauernBild: Getty Images/AFP/S. Khan

Und auch Deutschland bleibt nicht verschont. 2018 und 2019 hatten wir Brände spät im Herbst, im Spätwinter und Frühjahr. Auch in Deutschland müssen wir uns auf Veränderungen einstellen. Da gibt es noch viel zu tun. 

Perspektivisch wird die Waldbrandgefahr durch den Klimawandel in einzelnen Regionen dramatisch zunehmen. Betroffen sind vor allem die Great Plains in Nordamerika, Brasilien, der südliche Mittelmeerraum, die Iberische Halbinsel, Zentralasien und das südliche Afrika. Gibt es für diese Gegenden aus Ihrer Sicht ein angemessenes Feuer-Management? 

Die angesprochenen Regionen repräsentieren eine große Bandbreite von Ökosystemen und den darin wirtschaftenden Menschen. Und auch die Lösungen beim Land-Management müssen regional unterschiedlich sein. Ziel muss es dabei immer sein, sowohl die Landschaft als auch die Gesellschaft gegenüber Klimaextremen und deren Folgen wie Feuer widerstandsfähig zu machen. 

Beispielsweise muss der Fokus in Südeuropa auf Maßnahmen liegen, die der Landflucht und ihrer Folgen entgegensteuern. Wenn die Dörfer und Höfe sterben, verwildern auch die südeuropäischen Landschaften. Damit werden sie viel anfälliger für katastrophale Brände. In Brasilien und Indonesien sind es beispielsweise weniger ungeplante Waldbrände, sondern eher die absichtliche Waldverbrennung, die das Problem darstellt.

Letztes Jahr haben die Medien den Waldbrand und die Waldverbrennung in den Tropenregionen durcheinandergebracht. Die Verbrennung tropischer Regenwälder dient der Schaffung von agro-industriellen Flächen. Das sind politische Entscheidungen, das entsprechend zu planen oder zuzulassen.

Der Präsident Frankreichs hat das uninformiert "Waldbrände" genannt. Aber am Ende kam das richtige dabei heraus: Das Problem in den Tropenländern liegt in der Entfernung des Waldes zugunsten der Agroindustrie, per Bulldozer, Motorsäge und dem Streichholz.

Screenshot Firms NASA Weltkarte der Brände
Waldbrandsaison auf der Südhalbkugel: Die FIRMS-Karte der NASA zeigt die größten Brände weltweitBild: firms.modaps.eosdis.nasa.gov

Weltweit gibt es zahlreiche Großbrände, über die aber weniger berichtet wird. Müssen wir schlicht und ergreifend lernen, mit den zunehmenden Wetterextremen und entsprechend auch mit zunehmenden Bränden zu leben?

In den vergangenen Jahrzehnten hat es die Menschheit nicht verstanden, mit den Feuern im "alten Klima" zu leben, sozusagen eine Koexistenz zwischen Feuer und Zivilisation anzuerkennen und aktiv zu gestalten.

Feuer in der Vegetation der Erde sind seit 400 Millionen Jahren nachgewiesen. In den vergangenen Jahren, seitdem Satellitensensoren die Kartierung von Feuer weltweit ermöglichen, sehen wir, dass Jahr für Jahr etwa 300 bis 600 Millionen Hektar aller Landschaftstypen brennen.

Diese Größenordnung steht wahrscheinlich – ohne dass wir das schlüssig beweisen können – auch für die letzten Jahrhunderte und Jahrtausende. Zehn Millionen Hektar Brandfläche in Australien in der laufenden Feuersaison. Im Vergleich dazu sind die 2500 Hektar in Deutschland im Jahr 2018 Zwerg-Zahlen.

Wenn die nationale und internationale Politik es in der Vergangenheit nicht geschafft hat, dem Thema der zunehmenden Bedeutung der Naturgewalten – ausgelöst durch den menschenverursachten Klimawandel – Aufmerksamkeit zuzuwenden, dann wird es jetzt höchste Zeit

Das Interview führte Alexander Freund

Prof. Dr. Johann Georg Goldammer ist Leiter des Global Fire Monitoring Center (GFMC), Max-Planck-Institut für Chemie, und Professor für Feuerökologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund