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Politik

Kofi Annan präsentiert Bericht für Rakhine

25. August 2017

Die von Kofi Annan geleitete Kommission für den Rakhine-Staat hat ihren Abschlussbericht vorgelegt. Er enthält Vorschläge, wie Frieden und Entwicklung erzielt werden könnten. Die erste Reaktion: Gewalt.

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Myanmar Polizei in Sittwe im Staat Rakhine
Bild: Imago/ZumaPress

Nach Angaben der Regierung griffen rund 150 muslimische Milizen in der Nacht 24 Polizeiwachen in der Grenzregion zu Bangladesch an – und das nur wenige Stunden nachdem Kofi Annans Kommission ihren Bericht veröffentlicht hatte. Bei den Attacken mit selbstgebauten Sprengkörpern sollen mindestens zwölf Sicherheitskräfte sowie 15 Angreifer getötet worden sein. Laut Regierung dauern die Kämpfe noch an.

Das zeigt, wie angespannt und verwickelt die Lage in der Region ist. Auch Annans Kommission hatte von Beginn an mit Anfeindungen und Kritik zu kämpfen. Staatsrätin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi hatte die Kommission im September 2016 einberufen. Kurz danach war die Lage eskaliert. Eine muslimische Miliz hatte am 9. Oktober 2016 Posten der Grenzpolizei überfallen und mehrere Polizisten getötet. Die myanmarischen Sicherheitskräfte antworteten mit sogenannten "area clearing operations", um gegen die Aufständischen vorzugehen. Bei diesen Einsätzen kommt es nach Angaben von Menschenrechtsgruppen wie Human Rights Watch und Amnesty International sowie dem UN-Flüchtlingshilfswerk zu willkürlichen Tötungen, systematischen Vergewaltigungen, dem Niederbrennen von Häusern und Vertreibungen. Nach Schätzungen der UN sind etwa 87.000 Angehörige der muslimsichen Minderheit der Rohingya ins benachbarte Bangladesch geflüchtet.

Karte Myanmar Rakhine DEU

Kritik von Beginn an

Wenige Tage nach Einberufung der Kommission, der neben Kofi Annan zwei weitere internationale und sechs nationale Mitglieder umfasste, wurde im Nationalparlament bereits die Auflösung  des Gremiums gefordert. Unterstützt wurde der Antrag von der Arakan National Party (ANP), die 22 von 47 Sitzen im Regionalparlament im Rakhine-Staat innehat, und der Union Solidarity and Development Party (USDP), die bis zu den Wahlen von 2015 die Macht im Land innehatte. Der Antrag scheiterte auf nationaler Ebene.

Im  Regionalparlament hatten die Kritiker allerdings Erfolg. Das hatte zur Folge, dass wichtige Interessenvertreter aus Politik und Zivilgesellschaft die Kommission zumindest in der Region boykottierten.

Wie schwierig das Thema insgesamt  ist, zeigt sich auch daran, dass das Annan-Gremium nicht das einzige war, das von verschiedenen Stellen beauftragt war, nach Lösungen zu suchen. Gleich zwei alternative Kommissionen nahmen im gleichen Zeitraum ihre Arbeit auf. Zum einen eine Regierungskommission unter Leitung des Ex-Militärs und Vizepräsidenten U Myint Swe. Die Kommission arbeitet nach wie vor. Sie hat in Zwischenberichten die von Menschenrechtsorganisationen erhobenen Vorwürfe der systematischen Menschenrechtsverletzungen zurückgewiesen. Im März 2017 beschloss der UN-Menschenrechtsrat außerdem die Etablierung einer internationalen Untersuchungskommission. Diese wurde von der Regierung in Myanmar und Aung San Suu Kyi mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine derartige Mission die Feindseligkeiten zwischen den Gruppen nur vertiefen würde. Die Kommissare erhielten keine Visa. Ein Bericht wird dennoch für März 2018 erwartet.

Rohingya in Myanmar Kofi Annan
(Archiv) Kofi Annan in Rakhine 2016Bild: DW/V. Hölzl

88 Empfehlungen

Annans Kommission hatte den breit gefassten Auftrag, die aktuelle Lage im Rakhine-Staat zu bewerten, die wichtigsten Faktoren zu identifizieren, die zu Gewalt, Vertreibung und Unterentwicklung führen und Empfehlungen zu geben, wie die Probleme angegangen werden können. Dazu wurden – trotz Boykott einiger zentraler Akteure – laut Bericht etwa 1.100 Gespräche mit Politikern, Dorfältesten, Mönchen, Imamen, Geschäftsleuten und Binnenvertriebenen geführt. Die Kommission sprach auch mit hochrangigen Vertretern aus Bangladesch, Indonesien, China, Malaysia und Thailand.

Sie kam zu dem Ergebnis, dass der Rekhine-Staat unter einer dreifachen Krise leidet: einer Entwicklungs-, einer Menschenrechts- und einer Sicherheitskrise. Bei allen dreien herrsche sofortiger Handlungsbedarf: „Wenn diese Herausforderungen nicht sofort angegangen werden, besteht die Gefahr einer weiteren Radikalisierung beider Parteien." Gemeint sind die buddhistische Mehrheit der Arakanesen und die muslimische Minderheit der Rohingya.

Im Detail formulierte die Kommission 88 Empfehlungen für insgesamt 16 Politikfelder, wie beispielsweise die wirtschaftliche und soziale Entwicklung, die Staatsbürgerschaft, die Gesundheitsversorgung, aber auch die kulturelle Zusammenarbeit. Die Zahl 88 ist dabei sicher kein Zufall. 1988 entstand die Demokratiebewegung, deren Proteste am 8.8.88 ihren Höhepunkt erreichten. Es ist zugleich das Jahr, in der Aung San Suu Kyi erstmalig die politische Bühne ihrer Heimat betrat. 88, das ist in Myanmar bis heute ein Symbol für Aufbruch und Demokratie.

Bangladesch - Rohingya-Konflikt
Die muslimischen Rohinyas werden von Myanmar nicht als ethnische Gruppe anerkanntBild: Getty Images/A. Joyce

Staatsbürgerschaft

Der größte Widerstand begegnete der Kommission bei der Frage der Staatsbürgerschaft, die den Nährboden für den Konflikt bereitet, denn an ihr hängt fast alles: der Zugang zu Bildung, die Berechtigung zu wählen, die Arbeitserlaubnis und vieles mehr. „Wenn dieser Punkt nicht gelöst wird, führt das zu erheblichem menschlichen Leid und zu Unsicherheit. Zugleich verhindert es die Entwicklung der Region", so der Bericht.

Etwa eine Million staatenlose Rohingya leben aktuell im Rakhine-Staat. Ihr Status schließt sie von politischer und gesellschaftlicher Teilhabe aus. Dass die Rohingya unter Umständen Staatsbürger werden könnten, sehen die Arakanesen als Bedrohung an, da sie damit an Einfluss im Rakhine-Staat verlieren würden. Dennoch, so die Kommission, führe kein Weg daran vorbei, die Frage der Staatsbürgerschaft zu klären. Sie fordert: „Die Regierung muss eine klare Strategie und einen Zeitplan vorlegen, wann und wie die Staatsbürgerschaft geprüft wird." Außerdem: „Die Regierung muss den Status derjenigen klären, die keine Staatsbürgerschaft erhalten." Und zwar in Übereinstimmung mit internationalen Standards. 

Dazu müsse auch Staatsbürgerrecht von 1982 überarbeitet werden, nachdem es verschiedene Typen von Staatsbürgern gibt, wie „Staatsbürger von Geburt an" und „eingebürgerte Bürger", was jeweils mit unterschiedlichen Rechten verbunden ist. Die Eingruppierung ist kompliziert und oft an die Ethnizität gebunden. Hier müsse dieRegierung nachbessern und ebenfalls einen konkreten Zeitplan vorlegen.

Annan übergab den Abschlussbericht gestern an Myanmars Staatspräsident Htin Kyaw. Eine offizielle Stellungnahme von Seiten der Regierung gibt es noch nicht. Annan hat die Angriffe aus der Nacht inzwischen scharf verurteilt. „Gewalt ist keine Lösung für die Herausforderungen im Rakhine-Staat."

Rodion Ebbinghausen DW Mitarbeiterfoto
Rodion Ebbighausen Redakteur der Programs for Asia