Kein Hartz-IV-Anspruch für EU-Bürger ohne Job
15. September 2015Deutschland darf zugewanderten EU-Bürgern, die auf Jobsuche sind, die Sozialhilfe streichen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden. Die höchsten EU-Richter bestätigten damit die bisher in der Bundesrepublik geltende Regelung. Demnach können EU-Ausländer, die nach einer Berufstätigkeit von weniger als einem Jahr arbeitslos werden, höchstens sechs Monate lang Hartz IV bekommen. (Rechtssache C-67/14)
Geklagt hatte eine in Berlin lebende Schwedin. Die Frau war aus dem bosnischen Bürgerkrieg einst nach Deutschland geflohen, heiratete dann einen Schweden und erhielt so eine EU-Staatsbürgerschaft. Nach der Trennung zog sie mit ihren drei Kindern erneut nach Deutschland und hatte in Kurzzeit-Jobs immer wieder Arbeit. Ab Herbst 2011 erhielt sie dann Hartz IV. Nach einigen Monaten wurden die Zahlungen jedoch eingestellt.
Das Jobcenter Berlin-Neukölln hatte argumentiert, die Frau und ihre Tochter hätten als ausländische Arbeitssuchende keinen Anspruch darauf. Das in dieser Sache angerufene Bundessozialgericht reichte den Fall zur Klärung an das EU-Gericht in Luxemburg weiter.
Kein Verstoß gegen Gleichbehandlung
Dem EuGH zufolge verstößt die Entscheidung des Berliner Jobcenters nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung: Unionsbürger, die weniger als ein Jahr gearbeitet haben und dann unfreiwillig arbeitslos wurden, haben nur Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht für weitere sechs Monate. Nur während dieses Zeitraums können sie sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen und Sozialhilfeleistungen beanspruchen.
Hat ein EU-Ausländer im Aufnahmestaat aber noch gar nicht gearbeitet, kann ihm laut Urteil jegliche Sozialhilfeleistung verweigert werden. Arbeitsuchende dürften allerdings nicht ausgewiesen werden, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und eine begründete Aussicht auf Einstellung besteht.
Die EuGH-Richter schlugen mit ihrem Urteilsspruch einen schärferen Kurs ein als der EU-Generalanwalt Melchior Wathelet. Er hatte im März sein Rechtsgutachten zu dem Streit vorgelegt. Wathelet zufolge sollte es im Fall kurzzeitig Beschäftigter eine Einzelfallprüfung geben. So hätte berücksichtigt werden müssen, dass zwei Kinder der Schwedin in Deutschland in die Schule gingen. Dies deute auf eine "tatsächliche Verbindung" zum Aufnahmeland hin.
Schutz vor Überlastung
Der EuGH betonte nun, dass eine individuelle Prüfung in solch einem Fall nicht erforderlich sei. Das Luxemburger Urteil knüpft an eine Gerichtsentscheidung an, die die Richter im November 2014 gefällt hatten. Damals hatte das Gericht den Fall einer in Leipzig lebenden Rumänin zu prüfen, die sich - anders als die Klägerin aus Schweden - nicht erkennbar um Arbeit bemüht hatte. Auch hier hatte der EuGH den Ausschluss von Hartz IV für rechtens erklärt. Auch im aktuellen Urteil verweisen die Richter ausdrücklich darauf, dass ein Staat das Recht hat, seine Sozialsysteme vor Überlastung zu schützen und eine "unangemessene Inanspruchnahme" zu verhindern.
ago/mak (dpa, afp, epd)