Kein Konflikt um Moscheen: Deutschlands erster Islamberater
7. August 2023Statistiken zufolge gibt es gut 2800 Moscheen in Deutschland. Von Zeit zu Zeit stehen sie im Zentrum von Diskussionen oder Streitigkeiten, insbesondere wenn muslimische Gotteshäuser mit auffallenden Merkmalen im Stadtbild entstehen, etwa einem Minarett. Obwohl für Moscheen im Allgemeinen dieselben Vorgaben wie für Kirchen oder Synagogen gelten, hängt vieles von den lokalen Regeln der jeweiligen Kommune ab.
Hussein Hamdan, Deutschlands erster Islamberater, trägt dazu bei, Konflikte zwischen Moscheegemeinden und Kommunen zu vermeiden. "Ich bin immer ein Freund davon, dass ein Dialog ehrlich geführt wird. Dazu gehört, dass wir uns mit Respekt begegnen, aber auch, dass wir über kritische Themen sprechen", sagt der 44-jährige Islam- und Religionswissenschaftler im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Seit acht Jahren bietet Hamdan in Baden-Württemberg Islamberatung für Kommunen im deutschen Südwesten an. An seinen ersten Auftrag erinnert er sich noch genau: "Es war der 2. Juni 2015 und ein Landratsamt bat mich um die Einschätzung eines Sufi-Vereins." Sufis sind Anhänger eines mystischen Islam. Sie sind bekannt durch ihre Musik und spirituellen Tanz bis zur Ekstase. In Deutschland gibt es nur wenige solcher Gemeinschaften. Der Religionswissenschaftler informierte sich eingehend und konnte anschließend mit seiner Einschätzung einige Unsicherheiten bei den kommunalen Vertretern abbauen.
Erster Muslim beim katholischen Bistum
Das Besondere ist: Hamdan ist Angestellter der katholischen Kirche und arbeitet seit 2012 als erster Muslim bei der Akademie des Bistums Rottenburg-Stuttgart. Das Bundesland Baden-Württemberg beheimatet rund elf Millionen Menschen, darunter etwa 800.000 Muslime. Die ersten repräsentativen Moscheen entstanden in dem Bundesland in den 1990er Jahren.
Zunächst verantwortete Hamdan das Projekt "Junge Muslime als Partner". 2015 übernahm er das neu gestartete Projekt "Muslime als Partner für Baden-Württemberg". Er steht, unterstützt von der Robert-Bosch-Stiftung, als Berater für kommunale Behörden und Entscheider bereit. Seine Erfahrungen hat der Religionswissenschaftler in einem Buch zusammenfasst: "Als Islamberater unterwegs durch Baden-Württemberg. Erfahrungen - Herausforderungen - Orientierungen".
Oft geht es um Fragen des Alltags. Ist das Minarett zu hoch? Wie sind einzelne islamische Gruppen einzuordnen? Wie kann eine Kommune muslimische Jugendliche integrieren? Wie fördert andererseits eine Moscheegemeinde die Integration ihrer Jugendlichen? Dabei lassen sich die Fragen meist nicht pauschal beantworten. Die Höhe eines Minaretts hat sich nach entsprechenden baurechtlichen Vorgaben für das konkrete Stadtgebiet zu richten. Und in Kommunen, in denen muslimische Gläubige schon seit Jahrzehnten leben, mag es eher einen Austausch geben als in anderen.
Hamdan erläutert Moscheegemeinden auch die Abläufe einer Kommune: "Wie funktioniert eine Kommune? An wen können wir uns wenden?" Immer wieder drängt Hamdan auf das gemeinsame Gespräch. Dafür sei es ausgesprochen wichtig, dass Moscheegemeinden hauptamtliche Vertreter bekämen, die zuverlässig als Gesprächspartner bereitstünden, betont er.
Beratung in knapp 50 Kommunen
Seine Beratungsdienste haben bisher fast 50 Kommunen in ganz Baden-Württemberg in Anspruch genommen. "Manchmal ist das nur ein Gespräch von ein oder zwei Stunden, in anderen Fällen können es zwei oder drei Termine sein", berichtet er. In wenigen Fällen gebe es eine längere Begleitung eines Prozesses. Dazu gehörten auch Gespräche mit allen Beteiligten in kleiner Runde und in vertraulichem Rahmen. "Es geht dabei nicht um fertige Lösungen, sondern um Handlungsempfehlungen", betont der Islamberater.
Hamdan kennt die unterschiedlichen Sichtweisen auf Moscheebauten in Deutschland. Die einen sähen darin einen Prozess der "Islamisierung", andere empfänden öffentlich sichtbare Moscheen, die nicht selten Hinterhofmoscheen ablösten, als Öffnung zur Gesellschaft hin.
Zu seiner Beratungsarbeit gehört auch eine 8000-Einwohner-Gemeinde, deren Gemeinderat am Ende den Bau eines Minaretts ablehnte. Hamdan sagt, immerhin habe man es geschafft, dass beide Seiten weiter im Gespräch seien. Konkrete Ortsnamen nennt Hamdan in der Regel nicht. Denn zu seiner Arbeit gehört Vertraulichkeit. Auch in seinem Buch tauchen nur selten konkrete Ortsnamen auf.
Kritische Fragen zu islamischen Gruppen
Hamdan erläutert die verschiedenen Sichtweisen auf Moscheebauten in Deutschland, während er gleichzeitig islamische Gruppen einordnet, die teils vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Der Islamwissenschaftler erläutert das detailliert und veranschaulicht damit Grenzen der Zusammenarbeit. Außerdem warnt er davor, alle Moscheegemeinden, die zur Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) gehören, gleich zu bewerten. "Wir müssen uns immer die Moscheegemeinden vor Ort anschauen. Denn die Gemeinden können in verschiedenen Städten tatsächlich unterschiedlich ticken", sagt er der Deutschen Welle. Gerade DITIB-Gemeinden stehen in Deutschland in der Kritik, weil sie direkt der türkischen Religionsbehörde unterstellt sind und deshalb fremdbestimmt wirken können.
Auch DITIB-Gemeinden hätten ein Recht auf einen differenzierten Umgang, sie müssten sich aber auch ernsten Fragen stellen. "Zur Ehrlichkeit beim Dialog gehört, dass wir kritische Fragen ansprechen", betont Hamdan und empfiehlt den Vertretern von Kommunen und Moscheen, sich mehr auszutauschen. "Es braucht das gemeinsame Essen, das gemeinsame Kaffeetrinken, das gemeinsame Feiern. Aber es braucht auch Austausch darüber, wie wir mit kritischen Fragen umgehen, die natürlich auch für unser Zusammenleben hier in den Kommunen von Bedeutung sind."
Hamdan weiß um die Grenzen und Möglichkeiten seiner Beratung. Er legt großen Wert auf die Einbindung von Musliminnen und Muslimen, insbesondere junger Muslime, in kommunale Projekte.
Seine Bemühungen werden vom Antisemitismus-Beauftragten der baden-württembergischen Landesregierung, Michael Blume, ausdrücklich gelobt. "Hussein Hamdan weist nach, dass sich das Zusammenleben der Religionen konkret in Kommunen entscheidet", sagt Blume im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Länder, die keine Zusammenstöße wie in Frankreich erleben wollen, sollten jetzt in kommunale Dialog- und Islamberatung investieren."