Tag der offenen Moschee: "Jeder muss was tun"
3. Oktober 2018Jetzt erst recht, sagten sich Dana und Julia. Die beiden jungen Frauen sind aus ihrem Heimatstädtchen Olpe nach Köln in die Zentralmoschee gekommen. Nicht trotz, sondern gerade weil die Eröffnung des religiösen Bauwerks durch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für Negativschlagzeilen gesorgt hatte.
Muslime hätten es doch ohnehin nicht leicht, sagen Dana und Julia. Zu viele Menschen liefen mit Vorurteilen und irrationalen Ängsten herum. Sie wollten mit ihrer Teilnahme am Tag der offenen Moschee auch ein Zeichen setzen: Der Islam gehört zu Deutschland.
Kurz zuvor haben Dana und Julia zusammen mit den anderen Besuchern auf dem flauschigen blauen Teppich im großen Gebetssaal der Zentralmoschee gesessen und den Begrüßungsworten der Redner gelauscht. Die Stimmung ist entspannt und friedlich. Viele Besucher fotografieren eifrig und recken immer wieder die Köpfe zu der 35 Meter hohen, transparenten Kuppel, durch die der Raum mit Licht geflutet wird, das die goldenen Kalligraphien an den Wänden leuchten lässt.
Der Tag der offenen Moschee findet seit 1997 statt, etwa 900 Gebetshäuser öffneten in diesem Jahr ihre Türen für Besucher, darunter auch die Zentralmoschee in Köln - eine der größten Moscheen Europas außerhalb der Türkei. 1200 Gläubige fasst der Gebetsraum, der noch spärlich besucht ist. Erst nach und nach trudeln weitere Gäste ein. Zu Beginn scheinen die Pressevertreter in der Überzahl zu sein. Kein Wunder. Diese Moschee ist nicht nur aufgrund ihrer Größe so bekannt.
Der nach neun Jahren endlich fertiggestellte, beeindruckende Bau aus Stahl, Glas und Beton dient der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) als Zentralmoschee. Der islamische Verband gilt als verlängerter Arm Ankaras und nicht als unabhängiger deutscher Verein. Dass dann auch noch der türkische Präsident die Moschee am vergangenen Samstag eröffnete, sorgte für viel Unmut.
Gelegenheit verpasst
Auch der Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen, Joachim Stamp (FDP), steht heute am Rednerpult und nutzt die Gelegenheit, die DITIB zu kritisieren. "Ich hätte mir gewünscht, dass die Einweihung der Moschee ein Symbol für den deutschen Islam gewesen wäre." Die Eröffnung durch den türkischen Präsidenten habe leider einen anderen Eindruck hinterlassen.
"Das ist doch das Allerletzte. Nicht mal der Architekt war dabei!", empört sich eine ältere Dame, die ihren Namen nicht veröffentlicht sehen möchte. Sie sei entsetzt darüber, wie die Eröffnung am vergangenen Wochenende abgelaufen sei. "Das wäre doch die Gelegenheit gewesen, dass Türken und Deutsche gemeinsam feiern."
So sehr sie sich ereifert, ihr Blick auf die Moschee selbst sei nicht von diesem Ereignis getrübt. Diese Moschee könne eine genauso integrative Kraft entfalten wie andere Gotteshäuser auch: "Aber dafür muss jeder was tun." Die Dame und ihre Begleiterin empfinden es als ihre Pflicht, sich hier vor Ort zu informieren, über den Islam und über die Moschee.
Wer hierher kommt, ist auch offen
"Sehr viele neugierige Nichtmuslime sind gekommen", freut sich Cengiz Özen, selbst Besucher und Moslem. Er glaubt, dass viele Menschen gerade auf diese Moschee besonders neugierig sind, natürlich wegen Erdogan. Das sollte aber eigentlich kein Grund sein, findet Özen. "Genauso, wie Muslime Kirchen besuchen sollten, sollten Nichtmuslime in Moscheen kommen dürfen. Solche Tage helfen dabei, Vorurteile gegenüber Muslimen abzubauen."
Mit dem Tag der offenen Moschee, der ganz bewusst mit dem Tag der Deutschen Einheit zusammenfällt, soll der Raum für Kontakt von Muslimen und Nichtmuslimen bereitet werden. Die Moschee bietet Führungen an, lädt zu Vorträgen ein und ermöglicht den Gästen die stille Teilnahme an den Gebeten. Dialog ist das Zauberwort.
Nicht jeder findet das gut. Sabri nennt das, was der Tag der offenen Moschee anbietet einen "Dialüg", keinen Dialog. Der 38-Jährige mit dem auffälligen Bart ist gekommen, um sich anzuschauen, was den Nichtmuslimen hier für ein Bild vom Islam vermittelt wird. Sein Fazit lautet wie jedes Jahr: ein nicht authentisches. Authentisch heißt für Sabri, der Islam müsse exakt so gelebt werden, wie es Koran und Sunna überliefern. Deshalb ist dieser Tag der offenen Moschee für ihn eine Farce.
Für alle anderen ist es eine Möglichkeit ins Gespräch zu kommen und etwas vorher Fremdes mit eigenen Augen zu sehen. Die Gesichter der meisten Besucher sind offen und interessiert, während sie den verwinkelten Gebäudekomplex erkunden. Sabri hat allerdings schon wieder den Rückzug angetreten. Und die, deren Ablehnung größer ist als ihre Neugier, werden die Stufen zum Haupteingang der Zentralmoschee auch an solch einem Tag gar nicht erst erklimmen.