Kein Abschiebestopp für afghanische Flüchtlinge
9. August 2017Trotz der angespannten Sicherheitslage in Afghanistan will die Bundesregierung zudem weiterhin erlauben, abgelehnte Asylbewerber und Menschen, die sich der Mitwirkung an ihrem Asylverfahren entziehen, in das Land am Hindukusch zurückzuschicken. Zudem werde weiterhin die freiwillige Rückkehr gefördert. Das teilten das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium mit. Damit bleibt es vorerst bei dem Kurs, den Bund und Länder nach dem schweren Anschlag auf die deutsche Botschaft in Kabul Ende Mai eingeschlagen hatten.
Alles bleibt wie gehabt
Nach dem Attentat mit mehr als 150 Toten und Hunderten Verletzten hatten Bund und Länder die Abschiebungen nach Afghanistan auf die drei Gruppen beschränkt - bis zu einer Neubewertung der Sicherheitslage. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte in Berlin, es liege nun ein Zwischenbericht zur Lagebewertung vor. Darin gebe es keine durchgreifenden Anhaltspunkte, dass die bisherige Haltung korrigiert werden müsste.
Entscheidung über Abschiebung liegt bei Ländern
Der Bericht bestätige, dass es in Afghanistan eine individuelle Gefährdungslage gebe, die von Faktoren wie Wohnort, Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit, Beruf oder Geschlecht abhängen, sagte Außenamtssprecher Martin Schäfer. Der vertrauliche Bericht sei an die Länder und an zuständige Behörden gegangen. Auf dieser Grundlage könnten nun Afghanen aus den drei Gruppen abgeschoben werden. Ob es dazu komme, liege in der Entscheidung der Länder.
Deutschland zählt 5000 ausreisepflichtige Afghanen
Tatsächlich gab es seit dem Kabuler Anschlag trotz mehrerer Anläufe keinen Abschiebeflug mehr. Als Grund wurden organisatorische Probleme genannt, weil sich die Botschaft in Kabul nicht um die Abwicklung vor Ort und die Ankunft der Betroffenen kümmern konnte.
Insgesamt leben laut offiziellen Zahlen rund 250.000 Afghanen in Deutschland. Darunter sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums etwa 5000, die "ausreisepflichtig" sind und auch keine Duldung haben. Weitere 10.000 hätten eine Duldung, also eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung. Im vergangenen Jahr hatte Deutschland laut Innenministerium 324 Afghanen zwangsweise in ihre Heimat zurückgeschickt. In der ersten Jahreshälfte 2017 waren es 261.
Oppositionspolitiker und Flüchtlingsorganisationen fordern seit langem den kompletten Stopp aller Abschiebungen nach Afghanistan. Die prekäre Sicherheitslage erlaube keine Rückführungen. Auch die SPD spricht sich in ihrem Wahlprogramm generell gegen Abschiebungen nach Afghanistan aus.
qu/gri (afp, dpa, kna)