Präsident Herzog in den Emiraten: Besuch mit Signalwirkung
31. Januar 2022Diese Reise gilt als historisch: Zum ersten Mal besucht ein israelischer Präsident die Vereinigten Arabischen Emirate. Der Aufenthalt von Izchak Herzog und seiner Ehefrau Michal in Abu Dhabi und Dubai hat international für Aufmerksamkeit gesorgt.
Nachdem der israelische Premier Naftali Bennett den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) bereits im vergangenen Dezember einen Besuch abgestattet hatte, wirkt der von Präsident Herzog wie eine symbolische Bekräftigung des bereits Erreichten. Dass im Beisein des Gastes eine israelische Fahne gehisst wurde, zeigt, wie sehr die Emirate das immer engere Verhältnis zu Israel schätzen.
Doch die feierliche Stimmung hatte gerade begonnen, da wurde sie bereits gestört: Aus dem Jemen feuerten die aufständischen Huthi-Rebellen Raketen auf Abu Dhabi ab. Verletzt wurde zwar niemand, doch der Beschuss rief auf dramatische Weise in Erinnerung, dass längst nicht alle Akteure glücklich über den Besuch des israelischen Staatsoberhaupts in den VAE sind: die Huthis nicht, und noch weniger der sie unterstützende Iran.
Gemeinsame Gegnerschaft zum Iran
Zugleich erinnert der Raketenbeschuss an eines der Motive, die Israel und die VAE im Jahr 2020 dazu bewogen hatte, das so genannte Abraham-Abkommen zu unterzeichnen - ein Beschluss, der die ehemals angespannten Beziehungen zwischen beiden Ländern durch Partnerschaft und Kooperation ersetzen soll und zwar auch in der Auseinandersetzung mit dem gemeinsamen Gegner, dem Iran.
Israel habe sich bislang zwar geweigert, den VAE seinen Raketenschutzschild Iron Dome zu überlassen, sagt der Politologe Yoel Guzansky vom Institute for National Security Studies (INSS) im DW-Interview.
"Jetzt aber könnte Israel mehr tun. Es muss vielleicht nicht das gesamte Iron Dome-System liefern. Aber auf irgendeine Weise könnte es den Emiraten und den Saudis in der Stunde der Not beistehen." Aus israelischer Sicht hätte eine Unterstützung der neuen Partner präventiven Charakter: Denn während diese über die Huthis in eine indirekte Auseinandersetzung mit dem Iran verwickelt sind, sieht sich Israel der Bedrohung durch Teheran durch die Präsenz iranischer Kräfte im vom Krieg zersetzten Syrien direkt ausgesetzt.
Grundsätzlich sei der Umgang mit dem Iran für die VAE schwierig, sagt der Politologe Sebastian Sons vom Bonner Nahost-Forschungszentrum CARPO. Die Vereinigten Arabischen Emirate seien sich zwar bewusst, dass sie ein Gegengewicht zu einer iranischen Bedrohung brauchen. Doch zugleich strebten die VAE auch ein kontrolliertes und pragmatisches Verhältnis zum Iran an. "Es gibt seit mehreren Monaten auch sehr hochrangige Gespräche zwischen Iran und den VAE ", so Sons im DW-Gespräch.
Dennoch weise der Schulterschluss mit Israel in eine neue Richtung: "Die VAE versuchen im Sicherheitsbereich mit möglichst vielen Akteuren zusammenzuarbeiten, um sich möglichst gut zu schützen. Das klappt zwar nicht immer. Aber doch sehr viel besser als im benachbarten Saudi-Arabien."
Boomende Wirtschaftsbeziehungen
Wichtig ist beiden Staaten auch die ökonomische und technologische Zusammenarbeit. Bereits 2021, dem ersten Jahr nach Unterzeichnung des Abraham-Abkommens, zählten die VAE zu den bedeutendsten Handelspartnern Israels. Bis zum Jahr 2031 ist ein Handelsvolumen von rund einer Milliarde israelische Schekel (ca. 280 Millionen Euro) anvisiert. Die meisten Abkommen wurden in den Bereichen Ernährung, Landwirtschaft, Gesundheitswesen, Luftverkehr, Wasser und Energie geschlossen. Weitere Abkommen sind bereits anvisiert.
Technologische Zusammenarbeit sei von zentraler Bedeutung für die gesamte Region, sagt Sebastian Sons. Denn der Klimawandel betreffe sämtliche Staaten, ein Vorgehen mache nur gemeinsam Sinn. "Israel ist ohne Frage technologisch der höchstentwickelte Akteur in der Region und deswegen ein sehr interessanter Partner - und zwar nicht nur für die VAE, sondern auch für die anderen Golfstaaten. In technologischer Hinsicht braucht man Israel, denn man kann diese Herausforderungen nicht alleine bewältigen."
Auch in der ökonomischen Konkurrenz zu anderen hochentwickelten Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien und Katar, setzten die VAE auf die Zusammenarbeit mit Israel. So hoffen sie auf größeren Erfolg bei dem Programm, das auch die anderen Staaten der Halbinsel verfolgen: Diversifizierung der Wirtschaft und Digitalisierung, alle bemühen sich um ausländische Investoren. "Gerade gegenüber Saudi-Arabien ist eine engere Partnerschaft mit Israel für die VAE sehr wichtig und hilft dabei, hier neue Ressourcen zu bündeln, neue Kräfte zu bündeln, Know how-Transfer sicherzustellen", so Sons.
Stabilität durch Kooperation
Israel erschließt sich auf der Golfhalbinsel nicht nur weitere Exportmärkte. Durch gemeinsame Projekte sichert es auch ein friedliches Verhältnis zu seinen Nachbarn. Eine der jüngsten Projekte ist der Bau eines Solarkraftwerks in der jordanischen Wüste, finanziert durch emiratische Investoren. Nach Fertigstellung soll das Kraftwerk umweltfreundlichen Strom nach Israel liefern. Israel versorgt dafür Jordanien mit dringend benötigtem Wasser.
Projekte wie diese schweißen zusammen und lassen die Bereitschaft zu gewalttätigen Auseinandersetzungen schrumpfen. Auf dieses Prinzip der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen setzt Israel auch in den Beziehungen zu anderen arabischen Staaten, zu denen es sein Verhältnis neu gestaltet hat. Dazu zählen Bahrain und Sudan, die das Abraham-Abkommen ebenfalls unterschrieben haben. Friedensverträge hat Israel zudem mit Ägypten (1979) und Jordanien (1994) unterzeichnet, Ende 2020 nahm es zudem diplomatische Beziehungen mit Marokko auf.
Wunschpartner Saudi-Arabien
Israel ist auch an Abkommen mit anderen Staaten interessiert. Besonders wichtig ist ihm eine Vereinbarung mit Saudi-Arabien. "Wenn das Königreich als eines der wichtigsten Länder der islamischen Welt, in dem sich auch dessen zentrale heilige Stätten befinden, mit Israel ein Abkommen schlösse, wäre das ein Riesenfortschritt", sagt Yoel Guzansky. Es sei aber klar, dass das sehr schwierig sei. Andererseits sei Saudi-Arabien auf Partner angewiesen. "Das Land kann anders als früher nicht mehr auf die Amerikaner zählen. Sie brauchen jemanden in der Region, und das könnte Israel sein."
Allerdings sei eine Normalisierung eher unwahrscheinlich, sagt Sebastian Sons. "Das liegt vor allem daran, dass es in Saudi-Arabien sehr viel stärker als in den VAE noch starke antiisraelische Kreise gibt." Die Zusammenarbeit im wirtschaftlichen oder energiepolitischen Bereich werde sich trotzdem weiter intensivieren, glaubt er.