Israels Botschafter beklagt Antisemitismus
8. Dezember 2022Israels neuer Botschafter ruft dazu auf, gemeinsam und entschlossen gegen antisemitisch motivierte Angriffe vorzugehen. Das sei heute notwendig, sagt Ron Prosor in einem Interview mit der Deutschen Welle. Nachdrücklich lobt er die "Nationale Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben", die das Bundeskabinett vor knapp zehn Tagen beschlossen hatte.
Sie zeige die Entschlossenheit der deutschen Regierung und der gesamten Gesellschaft, gegen Judenhass vorzugehen. Dass das Land so entschieden gegen jede Form von Antisemitismus vorgehen wolle, sei ein Beweis dafür, "dass die deutsche Gesellschaft Menschen unterschiedlicher religiöser Überzeugungen" akzeptiere.
Erziehung bestes Mittel gegen Antisemitismus
Heute gehe es in allen Gesellschaften um den Kampf gegen Antisemitismus. Dabei zeige sich Judenhass von rechts wie von links. Es sei doch "nicht normal", wenn im Jahr 2022 nicht nur in Deutschland, sondern überall in Europa jüdische Synagogen, jüdische Kindergärten und Schulen von der Polizei beschützt werden müssten. Und gerade die Tatsache, dass man dies gelegentlich schon als normal erachte, zeige doch, dass es "wirklich völlig anormal" sei.
Notwendig seien im vereinten Kampf gegen Antisemitismus Bildung und besseres gegenseitiges Verständnis, sagt Prosor. "Am Ende des Tages lautet die einzige Antwort, um Rechtsextremismus oder linken Antisemitismus zu bekämpfen: Erziehung, Erziehung, Erziehung."
Kritik an Documenta
Erneut kritisiert der Diplomat den Antisemitismus auf der im September zu Ende gegangenen Documenta-Kunstausstellung in Kassel. Prosor spricht von einem "guten Beispiel" dafür, wie sich Antisemitismus von den Rändern der Gesellschaft in die Mitte bewege und dann als "Teil der Debatte" akzeptiert werde. Das müsse weit entschiedener als bislang bekämpft werden. Die Klärung des antisemitischen Charakters mancher Arbeiten sei zu zögerlich erfolgt.
Diverse antisemitische Darstellungen hatten die als wichtigste Kunstschau der Welt geltende Ausstellung überschattet, dessen künstlerische Leitung beim indonesischen Künstler-Kollektiv Ruangrupa lag. Die für die Schau mitverantwortliche Kulturstaatsministerin Claudia Roth stand über Wochen heftig in der Kritik.
Israel zur Zwei-Staaten-Lösung bereit
Ausführlich geht der Diplomat in dem Fernseh-Interview mit DW-Korrespondentin Sarah Hofmann auch auf die innenpolitische Lage in Israel und die Frage der Regierungsbildung ein. Prosor bekräftigt, Israel sei nach wie vor im Grundsatz zu einer Zwei-Staaten-Lösung bereit. Das gelte nach seiner Überzeugung auch für Benjamin Netanjahu, der wahrscheinlich die nächste israelische Regierung führen wird und sich derzeit um eine Koalition bemüht.
Nicht jede im Vorfeld der Wahlen getätigte Äußerung möglicher Koalitionspartner dürfe man auf die Goldwaage legen, sagt Prosor. "Es ist ein Unterschied, was jemand vor oder während Wahlen sagt und was dann danach passiert."
Bessere Beziehungen zu Ägypten und Jordanien
Gemeinhin werde aus dem Ausland die Erwartung formuliert, dass Israel ein "jüdischer und demokratischer" Staat sein müsse. Entsprechende Mahnungen an einen möglichen palästinensischen Staat höre man indes nie. "Wir werden nie einen Terror-Staat zulassen", sagt der Botschafter. Israel habe sich 2005 aus dem Gazastreifen zurückgezogen, heute gebe es dort einen "terroristischen Staat".
Wer für einen palästinensischen Staat eintrete, müsse stets deutlich machen, dass dieser Staat demokratisch sein und es alle vier oder fünf Jahre Wahlen geben müsse. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas war 2005 gewählt worden und regiert seitdem ohne Mandat weiter.
Israel sei "die einzige Demokratie in der Region", und habe sowohl mit Ägypten als auch mit Jordanien Friedensschlüsse erreicht und dafür territoriale Zugeständnisse hingenommen. Zugleich betont Prosor die positiven Auswirkungen des sogenannten Abraham-Abkommens mit mehreren Golfstaaten, mit denen bis 2020 keine offiziellen diplomatischen Beziehungen bestanden hatten. "Das israelische Volk war immer zu Frieden bereit. Aber es hat auch das Recht auf Sicherheit, Selbstverteidigung und darauf, einen terroristischen Staat in seiner Nachbarschaft zu verhindern."
Für Prosor schließt sich in Berlin ein Kreis
Zu Beginn des Gesprächs zeigt er auf die Frage nach seiner Familiengeschichte - Prosors Vater Ulrich Proskauer wurde 1927 in Berlin geboren und ging 1933 mit der Familie ins damalige britische Mandatsgebiet Palästina - ein Foto, das seinen Großvater Berthold Proskauer als Offizier der deutschen Reichswehr zeigt. "Mit meiner Arbeit hier in Berlin schließt sich ein Kreis", so Prosor.
"Mein Großvater, ein dekorierter Offizier, ein Deutscher, musste aus Deutschland fliehen. Und wenn ich, der Enkel von Berthold Proskauer, nun als Botschafter des Staates der jüdischen Nation zurückkehre, dann ist das emotional - aber nicht nur das. Es zeigt, welch faszinierenden Weg das jüdische Volk seit der Staatsgründung zurückgelegt hat und dass ich ein sehr stolzes unabhängiges Israel repräsentiere." Prosor bekräftigt, dass er den Ausbau des deutsch-israelischen Jugendaustausches voranbringen wolle.