Islamabad will USA keinen Luftstützpunkt gewähren
18. Juni 2021Vorbereitungen zum Bau eines neuen Luftwaffenstützpunktes in der südwestlichen pakistanischen Provinz Belutschistan haben Spekulationen über eine mögliche US-Militärpräsenz in dem Land angefacht. Die pakistanische Zeitung "Dawn" hatte über den Erwerb eines entsprechenden Grundstücks durch die pakistanische Armee berichtet. In der pakistanischen Öffentlichkeit wurde daraufhin das Szenario diskutiert, dass sich die USA in Pakistan nach ihrem Rückzug aus Afghanistan einen Stützpunkt in Pakistan sichern wollen, um nötigenfalls aus der Luft rasch in einen eskalierenden afghanischen Bürgerkrieg eingreifen zu können.
Die pakistanische Regierung beeilte sich, diesem Eindruck entgegenzutreten. Pakistan habe sich geweigert, seine Militärstützpunkte im Kontext des Abzugs westlicher Truppen aus Afghanistan den USA zu überlassen, erklärte Außenminister Shah Mehmood Qureshi in einem Interview mit dem pakistanischen Nachrichtensender "Geo News". Alle politischen Parteien des Landes hätten sich dieser Linie angeschlossen. "Die Suche nach Stützpunkten mag der Wunsch (der USA) sein. Allerdings steht es nicht zur Debatte, ihnen Stützpunkte zu überlassen. Wir müssen unsere eigenen Interessen im Blick haben."
Anfang Juni hielt sich CIA-Direktor William J. Burns zu Gesprächen in Islamabad auf, die Presseberichten zufolge ergebnislos verliefen. Die pakistanische Regierung hat sich offenbar auf ihr "Nein" festgelegt.
US-Stützpunkte wären politischer Sprengstoff
Tatsächlich sei es unwahrscheinlich, dass die pakistanische Regierung sich auf US-Stützpunkte auf ihrem Territorium einlassen werde, sagt Thorsten Wojczewski vom King's College in London. "US-Basen würden als Eingriff in die pakistanische Souveränität und als diametral zu Pakistans nationalen Interessen angesehen." Angesichts des schwelenden Anti-Amerikanismus in Pakistan wäre eine solche Entscheidung auch innenpolitisch nur schwer vermittelbar. "Zudem würden amerikanische Stützpunkte den Konflikt mit islamistisch-fundamentalistischen Kräften und Terrorgruppen in Pakistan verschärfen und sich daher negativ auf Pakistans eigene Stabilität und Sicherheit auswirken", so der Südasien-Experte gegenüber der DW.
Hinzu kommt, dass die bisherigen Erfahrungen der militärischen Zusammenarbeit mit den USA in der pakistanischen Bevölkerung eher skeptisch bis ablehnend gesehen werden, auch angesichts der Opfer unter der Zivilbevölkerung. Berechnungen des "Bureau of Investigative Journalism" (BIJ) zufolge sind zwischen Juni 2008 und Januar 2015 bei US-Drohneneinsätzen in Pakistan zwischen 424 und 969 Zivilisten ums Leben gekommen.
Unpopulär ist die Diskussion um neue US-Basen auch mit Blick auf den Einsatz von Drohnen im benachbarten Afghanistan: Dort wurden dem BIJ zufolge allein zwischen Januar 2015 und März 2020 über 13.000 Drohnenangriffe gezählt. Dabei sollen bis zu 909 Zivilisten ums Leben gekommen sein. Nach Angaben des Pentagon sind bei US-Militäroperationen in Afghanistan im vergangenen Jahr 20 Zivilisten ums Leben gekommen.
USA wollen "nur" Fähigkeit zur Anti-Terror-Bekämpfung
Die USA fürchten nach dem Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan vor allem ein Erstarken terroristischer Organisationen. "Ich kann Ihnen sagen, dass das Einzige, das wir derzeit vorbereiten, … die Fähigkeit ist, die Operationen gegen Al-Kaida und ISIS fortzusetzen", erklärte der Kommandeur des US-Regionalkommandos für den Nahen Osten, Ost-Afrika und Zentral-Asien, Kenneth F. McKenzie, im Interview mit der Fachzeitschrift "Military Times".
Ob zu dieser Fähigkeit für die US-Strategen auch zwingend die Nutzung von Luftstützpunkten in Pakistan gehört, ist unbekannt. Pakistan als möglicher Standort für eine amerikanische Militärbasis werde jedenfalls " in Washington intensiv debattiert", sagt Andrew Watkins, Afghanistan-Experte der International Crisis-Group gegenüber der DW. Dabei gehe es um den Einsatz von Luftstreitkräften und nicht um die Stationierung von Bodentruppen in größerem Umfang. "Es geht um die Aufrechterhaltung der Fähigkeit, einen Drohnenkrieg zu führen oder auch Einsätze der gewöhnlichen Luftwaffe. Weil das in Pakistan innenpolitisch umstritten ist, würden sie das unter Geheimhaltung machen – wenn Islamabad dem überhaupt zustimmen würde. Die meisten von uns würden erst Jahre später davon erfahren."
Rücksicht auf China
Thorsten Wojczewski vom Londoner Kong's College verweist auf einen weiteren Grund, warum Pakistan verneint, die Bereitstellung von Stützpunkten für die Amerikaner überhaupt in Erwägung zu ziehen: "US-Militärbasen würden Pakistans Beziehungen zum engen Partner China belasten. Die chinesische Führung würde die Militärbasen im Nachbarland als Teil der amerikanischen strategischen Eindämmungs- und Einkreisungspolitik verstehen." Ebenso würden Pakistans Beziehungen zu Iran Schaden nehmen.