Shervin Hajipour distanziert sich von Protestsong
5. Oktober 2022Der iranische Sänger Shervin Hajipour wurde am Dienstagabend gegen Kaution aus der Haft entlassen. Er war inhaftiert worden, nachdem sein Lied "baray-e azadii" ("Für die Freiheit") zur Unterstützung der landesweiten Proteste gegen den Tod von Mahsa Amini im Netz millionenfach angeklickt wurde.
"Baraye", das persische Wort für "wegen" oder "dafür", besteht aus Tweets über die Proteste und betont die Sehnsucht der Menschen nach Dingen, die im von Sanktionen betroffenen Iran fehlen.
Es geht auch um alltägliche Aktivitäten, die den Menschen in der Islamischen Republik Ärger mit den Behörden eingebracht haben.
"Um des Tanzens auf der Straße willen, wegen der Angst beim Küssen, für meine Schwester, deine Schwester, deine Schwestern". Das Lied wurde kurz nach seiner Verhaftung von Hajipours Instagram-Account entfernt, blieb aber auf anderen Social-Media-Plattformen, darunter Twitter und YouTube weiter stehen.
Proteste für die Freiheit
Nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini am 16. September ist es im Iran zu massiven Unruhen gekommen. Die iranische Kurdin machte mit ihrer Familie Urlaub in der Hauptstadt Teheran. Dort wurde sie von der Sittenpolizei festgenommen, weil sie ihr Kopftuch nicht korrekt getragen haben soll.
Amini starb schließlich unter ungeklärten Umständen in einer Haftanstalt für Frauen, die in der Islamischen Republik gegen religiöse Vorschriften verstoßen.
Frauen und andere Unterstützer riefen daraufhin zu Demonstrationen auf, um das Ende der diskriminierenden Beschränkungen für Frauen einzufordern. Seitdem gehen Tausende Menschen regelmäßig auf die Straße, um gegen das islamische System zu protestieren.
Bei der Niederschlagung der Proteste durch die Polizei sind bereits Dutzende Menschen ums Leben gekommen.
Präsident Ebrahim Raisi versuchte am Dienstag, zur Einigkeit aufzurufen. Er räumte die "Schwächen und Mängel" der Regierung ein, wiederholte aber die offizielle Behauptung, die Proteste würden von ausländischen Agenten angeführt.
Hajipour rudert auf Instagram zurück
Kurz nach seiner Freilassung veröffentlichte Hajipour eine Instagram-Story, in der er sich entschuldigte und von der Politik distanzierte. "Ich bin hier, um zu sagen, dass es mir gut geht", teilte er seinen 1,9 Millionen Followerinnen und Followern mit.
"Aber es tut mir leid, dass einige bestimmte Bewegungen, die außerhalb des Irans ansässig sind - zu denen ich keine Beziehungen habe - dieses Lied politisch unangemessen verwendet haben. Ich würde dieses Land nicht gegen ein anderes eintauschen und ich bleibe für mein Heimatland, meine Flagge, mein Volk; und ich werde singen. "Ich will kein Spielball für diejenigen sein, die nicht an mich, euch oder dieses Land denken", fügte er hinzu.
Als Reaktion auf seine Story schlugen zahlreiche Twitteruserinnen und -user vor, die Zeile "Because of forced Instagram Stories" in den Text des Liedes aufzunehmen.
"Die Regierung stützt sich auf Lügen und Töten"
Die iranische Schriftstellerin, Filmemacherin und Aktivistin Siba Shakib sagte der DW, dass die anhaltende, entschlossene Art der Protestbewegung "erstaunlich" sei.
"Sie gehen mit nichts in der Hand, ohne Waffe, ohne Schutz, ohne Helm, mit nichts. Und sie stehen vor diesen gut ausgebildeten und extrem gut ausgerüsteten Leuten und verlieren ihr Leben für ihre Überzeugungen", so Shakib. Und weiter:
"Die derzeitige Regierung im Iran hat ihre Macht auf Lügen und dem Töten von Menschen aufgebaut. Die Menschen haben es im ganzen Land seit Jahrzehnten deutlich gesagt", fügte sie hinzu. "Sie wollen keine religiöse Regierung."
st/bb/es/rt (AFP, dpa, AP)