Iran-Politik der USA und Präsidentschaftswahlen
21. September 2020Heute nimmt Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif an einer virtuellen Veranstaltung des "Council on Foreign Relations" teil. Die Einladung durch die private US-Denkfabrik ist für Sarif eine günstige Gelegenheit: Hier kann er dem amerikanischen Publikum direkt die iranische Perspektive erläutern und Trumps Iran-Politik erneut für gescheitert erklären. Die von Washington betriebene Wiedereinführung von UN-Sanktionen gegen Iran ("snapback") hatte Sarif im Interview mit dem iranischen Fernsehen als "Propagandatrick" vor der US-Präsidentschaftswahl im November bezeichnet.
Präsident Trump hatte vor vier Jahren seinen Wählern versprochen, aus dem von seinem Vorgänger Barack Obama abgeschlossenen Abkommen mit dem Iran auszusteigen und einen besseren Deal mit dem Iran auszuhandeln. Teil Eins dieses Wahlversprechens hat Trump mit dem einseitigen Austritt aus dem Abkommen im Mai 2018 erfüllt. Der bessere Deal steht allerdings noch aus.
USA mit "Snapback" isoliert
Daraus zieht er aber nicht den Schluss, dass vielleicht etwas an der Strategie nicht stimmt. Im Gegenteil: Die Regierung Trump betrachtet die gemäß dem Atomabkommen ausgesetzten UN-Sanktionen gegen den Iran als wieder in Kraft gesetzt und droht den UN-Mitgliedstaaten bei Verstößen mit Konsequenzen. Washington hatte im August den sogenannten Snapback-Mechanismus des Abkommens eingeleitet. Nach dem Ablauf einer 30-Tage-Frist zur Streitschlichtung seien am Sonntag alle UN-Sanktionen gegen den Iran automatisch wieder in Kraft getreten, behauptete US-Außenminister Mike Pompeo. Die Außenminister der drei an den Atomverhandlungen beteiligten EU-Länder Deutschland, Frankreich und Großbritannien erklärten dagegen am Sonntagmorgen: Die von der Trump-Regierung verfolgte Wiedereinsetzung der Strafmaßnahmen könne "keine Rechtswirkung entfalten."
Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres erklärte, dass er wegen der unklaren Lage vorerst nicht tätig werde. Denn 13 der 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrates bezweifeln, dass die USA überhaupt das Recht haben, den Snapback-Mechanismus auszulösen. Wegen ihrer einseitigen Aufkündigung des Abkommens vor zwei Jahren sind die USA nach Auffassung aller anderen kein Mitglied des Abkommens mehr.
Biden will zurück zur internationalen Diplomatie
Joe Biden, Kandidat der Demokratischen Partei für die US-Präsidentschaftswahlen, ist für eine Rückkehr der USA zum Atomdeal mit den Iran (JCPOA). In einem Gastbeitrag für CNN erklärte Biden, seine Regierung würde dem JCPOA wieder beitreten, wenn Teheran sich wieder strikt an die Auflagen des Abkommens hält. "Falls Biden gewinnt, wird eine Schlüsselfrage für den Iran die Aufhebung der Sanktionen sein. Nämlich ob und in welcher Reihenfolge die wirtschaftlichen Einschränkungen aufgehoben werden", sagte Naysan Rafati von der NGO "International Crisis Group" der Deutschen Welle.
Die Regierung in Teheran hat nur ein paar Monate Zeit, um von einem möglichen Sieg Joe Bidens zu profitieren. Im Juni 2021 wählt Iran einen neuen Präsidenten, Amtsinhaber Hassan kann nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Hardliner wie schon bei den Parlamentswahlen Anfang dieses Jahres von einer niedrigen Wahlbeteiligung profitieren werden und ihren Kandidaten ins Präsidialamt schicken können.
Gespräche mit Iran unter Wahlsieger Trump?
Nicht nur Biden könnte warten, bis der nächste Präsident im Iran gewählt wird und dann die Möglichkeiten für Verhandlungen ausloten. Sein Gegenkandidat Trump gibt sich überzeugt, dass der Druck auf Iran wirkt und Teheran mit ihm verhandeln würde, wenn er im Weißen Haus bliebe. "Wenn Präsident Trump wiedergewählt würde, könnte er sich tatsächlich bemühen, einen Deal mit dem Iran zu erreichen", schreibt die Iran-Expertin Ariane Tabatabai von der US-Stiftung "German Marshall Fund of the United States" auf Anfrage der DW. Tabatabai vermutet, Trump würde ähnlich vorgehen wie gegenüber Nordkorea – unilateral und ohne Einbindung der Europäer.
Zugleich rechnet die Iran-Expertin vor einem möglichen Deal zwischen den USA und dem Iran mit wachsenden Spannungen im Nahen Osten. "Ich glaube, wir werden zuerst eine Eskalation der regionalen Konflikte zwischen den Israel und Iran in Syrien und Libanon erleben und möglicherweise auch mehr Sabotageakte im Iran. Gleichzeigt wird das Atomabkommen entweder komplett kollabieren, oder zumindest wird sich Iran weniger nukleare Zurückhaltung auferlegen."
Hardliner als Nachfolger Rohanis hätte mehr Unterstützung
Irans geistlicher Führer hatte Verhandlungen mit den USA vor der Präsidentschaftswahl im November ausgeschlossen. Denn Donald Trump könnte von solchen Gesprächen profitieren, erklärte Ajatollah Chamenei Ende Juli. Einem Hardliner als Irans nächstem Präsidenten würde Chamenei wahrscheinlich erlauben, mit den USA in Verhandlungen einzutreten, um unzufriedene Gemüter zu besänftigen und zugleich das politische System vor dem Zerfall zu bewahren. Der ehemalige Vize-Parlamentschef Ali Motahari sagte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur IRNA Ende August: "Unter den jetzigen schwierigen Umständen wäre es vielleicht besser, wenn die Hardliner die gesamte Macht vom Parlament bis zum Präsidialamt übernehmen. Sie wollen Erfolge verbuchen und würden mit den USA verhandeln."