Iran-Sanktionen: Die USA weiter im Alleingang
20. September 2020"Ist Washington taub?" twitterte Russlands stellvertretender UN-Botschafter Dmitri Poljanski. Man habe den USA doch im August schon klar gesagt, dass sie keinen Anspruch darauf hätten, eine Wiedereinführung der UN-Sanktionen gegen den Iran auszulösen.
Im Alleingang waren die USA 2018 aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen - und im Alleingang erachten sie die UN-Sanktionen, die nach der Vereinbarung mit Teheran 2015 ausgesetzt wurden, nun wieder für gültig. Mit Ablauf einer Frist am Samstagabend um 20 Uhr Ortszeit (Sonntag, zwei Uhr MESZ) seien alle Bedingungen hierfür erfüllt, heißt es in Washington.
Nur zwei der 15 Mitglieder des für die Wiedereinsetzung früherer Sanktionen verantwortlichen UN-Sicherheitsrats erkennen die Argumentation der US-Seite an, neben den USA stimmte im August nur die Dominikanische Republik für den Entwurf. Alle anderen Ratsmitglieder können der Washingtoner Argumentation nicht folgen, eben weil die Vereinigten Staaten das historische Abkommen mit dem Iran aufgekündigt hatten.
Was nun?
UN-Generalsekretär Antonio Guterres hält sich erst einmal bedeckt: Angesichts der unklaren Lage wolle er vorerst nicht tätig werden und keine Wiedereinführung der Sanktionen einleiten, schrieb er in einem Brief an den Sicherheitsrat.
Auch Deutschland, Großbritannien und Frankreich wollen ungeachtet des Widerstandes von US-Präsident Donald Trump an der international vereinbarten Lockerung der Sanktionen gegen den Iran festhalten. Jede Entscheidung zur Wiedereinführung der Strafmaßnahmen sei juristisch gegenstandslos, hieß es in einem Brief der drei Staaten an den UN-Sicherheitsrat am Freitag, den Reuters einsehen konnte. "Wir haben unermüdlich daran gearbeitet, das Atomabkommen aufrechtzuerhalten, und sind ihm weiter verpflichtet." Der 2015 geschlossene Vertrag solle weiter vollständig umgesetzt werden. Er soll den Iran am Bau von Atomwaffen hindern.
"Die Welt wird sicherer"
Dessen ungeachtet sprach US-Außenminister Mike Pompeo via Twitter von einer "großartigen Nachricht für den Frieden in der Region" und brandmarkte den Iran als "führenden staatlichen Terrorismus- und Antisemitismussponsor". Auch das Waffenembargo gegen den Iran sei nun wieder dauerhaft in Kraft. "Zum Glück haben die Vereinigten Staaten verantwortungsvoll gehandelt", heißt es in der Mitteilung des US-Außenministers weiter. "Die Welt wird dadurch sicherer werden." Sollten die UN-Mitgliedstaaten "ihrer Verpflichtung zur Umsetzung der Sanktionen" nicht nachkommen, würden die USA "Konsequenzen ziehen", drohte Pompeo.
Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif sprach im Staatsfernsehen von einem "Propagandatrick" vor den US-Präsidentschaftswahlen im November. Der Vorstoß der Amerikaner beruhe auf "falschen Behauptungen" und sei ungültig.
Die USA machen bei ihrem Vorgehen vom "Snapback"-Mechanismus (deutsch: Zurückschnappen) Gebrauch. Dabei handelt es sich um eine Möglichkeit für die Mitgliedstaaten des Atomabkommens, iranische Regelverstöße vor dem Weltsicherheitsrat anzuprangern. Damit kann nach 30 Tagen die Wiedereinsetzung aller UN-Sanktionen aus der Zeit vor der Einigung auf das Abkommen im Jahr 2015 erzwungen werden - ohne, dass andere Mitglieder dies mit einem Veto verhindern könnten.
se/rb (ap, dpa, afp)